16. Mai 1921
Nachdem sich der Sturm bis zum 16. Mai etwas gelegt hat, trifft dann in den Morgenstunden um 02:24 MEZ die nächste Schockfront von der Sonne ein und führt erneut zur Unruhe des Magnetfeldes, bei der Polarlichter immer noch bis in mittleren Breiten zu sehen sind.
17. Mai 1921
Diese Sturmphase endet schließlich um die Mittagszeit. Aber gegen Mitternacht kollidierte eine weitere Plasmawolke mit dem irdischen Magnetfeld. Allerdings bleiben die Auswirkungen deutlich hinter den vorherigen Stürmen zurück.
18. – 21. Mai 1921
Beobachtungen am Stonyhurst College Observatory in Clitheroe, Lancashire, England zeigen, dass das Magnetfeld sich am 18. Mai ruhig verhält, aber am Abend des 19. wieder unruhig wird.
Am 19. Mai verschwindet die Sonnenfleckengruppe wieder hinter dem westlichen Rand der Sonne.
Erst zwei Tage später, am 21. Mai 1921, verschwinden auch die letzten Auswirkungen der aktiven Sonnenfleckengruppe.
Ein Jahrhundert-Sturm?
Bleibt die Frage, wie oft solche extremen geomagnetischen Stürme auftreten? Untersuchungen der Intensitäten der auf die Erde auftreffenden Plasmawolken und deren Geschwindigkeiten zeigen, dass das Carrington-Ereignis kein Einzelfall war. Tatsächlich setzte ein Flare im August 1972 mehr Energie frei und die Geschwindigkeit der Explosionswolke war höher als die im Jahr 1859. Glücklicherweise verfehlte sie unseren Planeten. So gesehen könnte sich das Carrington-Ereignis in der nicht allzu entfernten Zukunft wiederholen. Während eines Sonnenfleckenzyklus gibt es immer einen großen Flare mit dem geeigneten Potenzial. Dennoch war das Carrington-Ereignis im Jahr 1859 wohl die Ursache des stärksten geomagnetischen Sturms der letzten 162 Jahren.
Weiter stellt sich die Frage, ob die Sonne noch gewaltigere Flares erzeugen kann? Für eine verlässliche Antwort werden die zugrundeliegenden physikalischen Prozesse zurzeit aber nicht gut genug verstanden. Selbst Aussagen über die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten ähnlich starker Ereignisse sind mit sehr großen Unsicherheiten behaftet, weil nur sehr wenige statistischen Daten vorliegen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass es eine Beziehung zwischen starken solaren Flares und intensiven geomagnetischen Stürmen gibt, wenn auch nicht jeder Superflare zu einem entsprechenden Magnetsturm führt, weil die Explosionswolke die Erde verfehlt oder die Polarität ihres Magnetfelds ungeeignet ist. Nur wenn sie nach Süden ausgerichtet ist, können sich ein geomagnetischen Sturm und intensive Polarlichter aufbauen.
Versuche die Fragen durch Modellrechnungen zu beantworten, führen nicht zu wirklich befriedigenden Ergebnissen. Zu wenig sind die physikalischen Wechselwirkungen des interplanetaren magnetischen Feldes mit dem irdischen beim Eintreffen eines koronalen Massenauswurfes bekannt. Allerdings deutet einiges darauf hin, dass selbst heute noch technische Anlagen wie Stromnetze in mittleren geomagnetischen Breiten beschädigt werden können.
Vergleich mit anderen starken geomagnetischen Stürmen
Sucht man in der wissenschaftlichen Literatur nach ähnlich starken geomagnetischen Stürmen, zeigt sich, dass der „Eisenbahnsturm von 1921“ dem Carrington-Ereignis vom September 1859 ähnelt, aber etwas schwächer war. Allerdings zeichnet sich der Sturm von 1921 durch die glaubwürdige Beobachtung eines Polarlichts an einem Ort mit der niedrigsten geomagnetischen Breite aus. Am Abend des 15. Mai 1921 war in Apia auf Samoa ein 25 Grad breiter roter Bogen eines Polarlichts zu sehen. Die geomagnetische Breite betrug damals nur 15,3° S. Zum Vergleich, beim Carrington-Ereignis betrug die niedrigste gemeldete Breite ca. 18°. Auf Samoa war die Himmelserscheinung nur eine dreiviertel Stunde zu sehen. Auch von den Tonga-Inseln im Pazifik liegen ähnliche Berichte vor.
Auch wenn jeder Sonnensturm seine eigene Signatur besitzt, lassen sich doch einige Gemeinsamkeiten erkennen:
- Jeder Sturm beginnt mit der Entstehung von einer oder mehreren komplex aufgebauten Sonnenfleckengruppen.
- In den aktiven Regionen treten ein oder mehrere Flares auf. Diese werden auf der Erde über einen großen Wellenlängenbereich (von Radiowellen über Licht bis Röntgenstrahlung) nach rund acht Minuten registriert.
- Die Flares setzen hochenergetische Teilchen frei, die die Erde teilweise mit relativistischen Geschwindigkeiten schon nach wenige Minuten erreichen. Falls weitere Explosionen auf der Sonne erfolgen, kann dieser Teilchenstrom mehrere Tage andauern.
- Nach 15 bis 72 Stunden erreicht die Wolken eines koronalen Massenauswürfe mit Geschwindigkeiten von über 1.000 km/s die Erde. Die Auswirkungen hängen von der Geschwindigkeit der Wolke, der Orientierung ihres Magnetfeldes und des zusammengepressten Sonnenwindes vor der Wolke ab. Auch ist es wichtig, ob die Erde einen Volltreffer erhält oder nur einen Streifschuss erhält.
Seit den 1840er Jahren wird das irdische Magnetfeld mit Magnetometern vermessen. Daher weiß man, dass seitdem viele geomagnetische Stürme gab, aber nur sehr wenige mit extremer Stärke. Neuere Studien lassen vermuten, dass dies öfter als alle 150 Jahre geschieht. Vermutlich produziert die Sonne aber während eines Jahrhunderts eine Reihe extremer koronaler Massenauswürfe, die aber meist keine geomagnetischen Stürme verursachen, weil sie die Erde verfehlen oder ihr Magnetfeld nordwärts orientiert ist. Solche Ausbrüche können in jeder Phase eines Sonnenfleckenzyklus und auch während schwacher Zyklen auftreten.
Nach einer kürzlich erschienen neuen Studie treten starke geomagnetische Stürme wie der berühmte Quebec-Blackout im März 1989 doppelt so häufig auf, als bisher vermutet.
Vor 100 Jahren schädigte ein tagelang anhaltender starker geomagnetischer Sturm wichtige technische Einrichtungen und führte zu gravierenden Störungen an technischen Systemen. Heute hängt unsere Leben und Wohlergehen noch stärker an der von uns geschaffenen technischen Infrastruktur als damals. Beim Ausfall satellitengestützter Systeme wie GPS, Fernsehen, Wettervorhersage, Telekommunikation oder der Stromversorgung großer Gebiete käme es zu Schäden mit weitreichenden Folgen. Die weltweiten Kosten dürften viele Milliarden Euro betragen. Wie man dieser Bedrohung entgegenwirken will und kann, wird demnächst Thema eines weiteren Blogs sein.
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