Engagierte Bürger bewahren es seit Jahren vor dem Verfall: das Radom im oberbayerischen Raisting. Der Einsatz hat sich gelohnt. Die einzigartige Satellitenanlage unter dem weißen Ballondach wird schon bald als Museum ihre Pforten für Besucher öffnen.

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25 Meter misst der Durchmesser des Antennenspiegels im Inneren des Radoms. Auch heute noch funktioniert die Antenne einwandfrei. Rund um die Antenne präsentiert der Förderverein Original-Objekte und Modelle, die die Geschichte der Kommunikationstechnik lebendig werden lassen.


Wer von München nach Weilheim fährt, hat am Südende des Ammersees einen grandiosen Blick auf die »Raistinger Wanne«. In dieser weiten Talebene steht ein einzigartiges Industriedenkmal, die Erdfunkstelle Raisting. Die Raistinger Wanne war aufgrund ihrer Abschirmwirkung hervorragend geeignet für den Empfang sehr schwacher Hochfrequenzsignale. Und so wurde hier ab 1963, beginnend mit der Antenne 1, eine der größten Erdfunkstellen für den Nachrichtenverkehr über Satelliten aufgebaut.

Das Radom – ein Kunstwort – leitet sich von »Radar« und den damals gebräuchlichen domkuppelförmigen Schutzhüllen ab. Die Radomhülle hat die Aufgabe, die empfindliche Konstruktion vor Witterungseinflüssen und direkter Sonnenbestrahlung sowie die Parabolantenne selbst vor direktem Kontakt mit Regen oder Schnee zu schützen. Das Radom wur­de 1963 erbaut. Seine Traglufthalle in Form einer ¾-Kugel hat 48 Meter Durchmesser und ruht auf einem Fußring aus Beton. Der runde Gebäudekomplex wird so mit einer 15 Tonnen schweren und nur 1,8 Millimeter starken Hypalon/Dacronhülle gekrönt. Die Hülle wurde in einer Kiste angeliefert, über den Fußring gezogen und aufgeblasen. Sie steht nun mehr als 44 Jahre. An den Werkstoff der Hülle und deren Verarbeitung wurden eine Reihe von Anforderungen gestellt, wie geringe Abschirmung von Mikrowellen, große Gasdichte, geringes spezifisches Gewicht und große Bandbreiten und Längen der Folie. Alle Tragluft-Radome der Erdfunkstellen aus der damaligen Ära, wie in Millvillage/Kanada, in Andover/USA und Pleumeur-Bodou/Frankreich wurden abgerissen. Einige Jahre später, beim Bau der Antenne 2 konnte auf die Hülle verzichtet werden, da unter anderem die Spiegelkonstruktion beheizt wurde.

Die Antenne ist eine 280 Tonnen schwere MAN-Stahlkonstruktion. Sie hat einen 25-Meter-Spiegeldurchmesser, arbeitet im C-Bandbereich (Sendefrequenz 5.925-6.425 MHz; Empfangsfrequenz 3.700-4.200 MHz) und funktioniert nach dem »Cassegrainprinzip«. Die rote Fachwerkgitterkonstruktion der Parabolantenne ruht auf einem »Knick-A-Bockträger«. Dieser Spiegel verlangt höchste Geometrie und Formstabilität. Die Oberfläche des Spiegels durfte nur weniger als zwei Millimeter von der theoretischen Linie abweichen. Die zulässige Streuung auf den Satelliten war auf nur 0,04° vorgegeben. Der Schwenkbereich und die Drehgeschwindigkeit des Kolosses waren enorm, in der Vertikalen 115° bei 3,5 °/sec in der Horizontalen 360° bei 2°/sec. Die räumliche Bewegung der Antenne und deren Antrieb mussten in allen Verbindungen spielfrei sein, um so die Ansteuerung zum Satelliten zu ermöglichen. Die Anforderung ist verständlich, wenn man berücksichtigt, dass bei der Übertragung, d.h. Senden und Empfangen, die zweite Antenne für die Kommunikation in den USA steht und die Signale über einen – in 36.000 Kilometer über dem Äquator stehenden – Satelliten laufen. Der Satellit hatte die Größe eines Esstisches. Dieser musste die Signale aufnehmen und wieder zur Erde weiterleiten. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies bei einer Sendeleistung von 2.000 Watt zum Satelliten eine empfangene Leistung an der Gegenstelle von etwa 0,000000000001 Watt oder ein pico Watt.
Ein weiterer Höhepunkt technischer Leistung war es, diese vorher nicht verstärkbaren elektromagnetischen Signale wieder in eine verständliche Form aufzubereiten. Die Lösung war der Bau eines sogenannten Masers (Mikrowave Amplification by Stimulated Emission of Radiation). Die physikalischen Grundlagen für die Masertechnologie und der daraus folgenden Lasertechnik wurden erst im Jahre 1955 in USA erkannt, und diese Erkenntnis wurde dann auch 1964 mit dem Nobelpreis geehrt. Das Kernstück des Masers war ein künstlich hergestellter Einkristall, ein Rubin von ca. 80 Millimeter Länge. Die Züchtung großer Einkristalle war ebenfalls technisches Neuland. Die Kristalle für die Chipherstellung werden heute in Massenproduktion gezüchtet. Dieser Rubin, eine extrem reine Materie mit exaktem Atomgitteraufbau, hing in einem Isoliergefäß zwischen den Polen eines starken Dauermagneten an den Hochfrequenz Zu- und Ableitungen. Das Isoliergefäß mit diesem Kristall wurde mit flüssigem Helium gefüllt. Die Siedetemperatur von Helium ist minus 269° Celsius und somit nahe dem absoluten Nullpunkt der Temperaturskala. In diesem Zustand wurde es nun möglich, diese verschwindend geringe empfangene Leistung aufzunehmen und um das 10.000fache zu verstärken.

Im Jahr 1957 wurde der erste Satellit »Sputnik« platziert. Es folgten die ersten Nachrichtensatelliten »Relay« und »Telstar«. Diese kreisten auf einer elliptischen Umlaufbahn, 45° geneigt zum Äquator und in einem Abstand zur Erde zwischen 1.000 und 10.000 Kilometern, die Umlaufzeit war etwa drei Stunden. Die Antenne musste daher sehr genau nachgeführt werden. Die Raketenbauer waren gefordert, ihre Trägersysteme dahingehend zu entwickeln, die Satelliten in noch größere Höhen zu positionieren, da sich mit größerem Abstand eines Satelliten zur Erde auch die Umlaufzeit vergrößert. Die Forderung war, einen Satelliten in einer Höhe von 36.000 Kilometer mit konstantem Abstand auf eine Kreisbahn mit einer Umlaufzeit von 24 Stunden zu platzieren – quasi synchron zur Erddrehung. Dies wurde erstmals 1963 mit dem Satellit »Syncom II« erreicht. Die Nutzung dieser neu gewonnenen Technologien wurde bald beim Bau von allen Trägerraketen, Satelliten, Antennen, sowie von Computern eingesetzt. 1961 kam es zur ersten Vereinbarung zwischen der Deutschen Bundespost und der NASA bezüglich der Teilnahme an Versuchen mit Nachrichtensatelliten. Die Tests wurden im Jahr 1964 aufgenommen. Noch 1964 wurde die Intelsat (Internationale Telecommunikation Satellite Consortium) gegründet – es waren elf Staaten beteiligt. Nach zwanzig Jahren war das Konsortium auf 110 Staaten und zwanzig Satelliten angewachsen.

Bereits 1999 wurde das Radom in die Denkmalschutzliste aufgenommen. 2003 wurde der Förderverein Industriedenkmal Radom Raisting e.V. gegründet. Ein Denkmal wie das Radom in Raisting ist nicht wegen seiner Vergangenheit und Gegenwart interessant, sondern für die Zukunft und deren Bezug auf die Vergangenheit. Ohne diese Entwicklung gäbe es die viel diskutierte Globalisierung heute nicht.

– Max Bräutigam, Ronald Sinda, Robert Uhlitzsch

Auszug aus einem Beitrag in der Zeitschrift Kultur&Technik Ausgabe 3/2008.

Kommentare (1)

  1. #1 Uwe Furchheim
    Juli 25, 2009

    “Alle Tragluft-Radome der Erdfunkstellen aus der damaligen Ära, wie in Millvillage/Kanada, in Andover/USA und Pleumeur-Bodou/Frankreich wurden abgerissen.”: nicht wirklich… Die in Pleumeur steht noch und ist als technisches Denkmal zu besichtigen.