Viele kennen das Deutsche Museum als eines der größten naturwissenschaftlich-technischen Museen der Welt. Die wenigsten aber wissen, dass sich unter dem Dach des Deutschen Museums auch eine große Anzahl an eigenen Werkstätten befindet, die für die Restaurierung der Objekte und die Instandhaltung und Neugestaltung der Ausstellungen sorgen. Seit den Zeiten seiner Gründung gibt es Werkstätten im Deutschen Museum. Immer neue Werkstätten sind hinzugekommen. Hier wurden und werden zum Beispiel die zahlreichen Dioramen angefertigt. Und hier werden die zahlreichen Demonstrationen in Betrieb gehalten, die täglich von Tausenden Besucherinnen und Besuchern bedient werden.
Viele Beschäftigte der Werkstätten arbeiten schon sehr lange im Haus und wissen es zu schätzen, daß hier nicht in Serie produziert wird, sondern Unikate gefragt sind, die mit Akribie und Kreativität hergestellt werden.
Am 12. Mai 2012 bieten wir interessierten Besuchern die Möglichkeit, “hinter die Museumskulissen” zu blicken: Die Museumswerkstätten öffnen an diesem Tag von 8.00 – 18.00 Uhr ihre Türen für eine Reihe von Fachführungen. Besucht werden in den ca. zweistündigen Führungen unterschiedliche Werkstätten aus den Bereichen Bauunterhalt, Demonstrationsbau und Restaurierung. Die Teilnahme ist kostenfrei, allerdings ist eine Anmeldung bis zum 20.4.2012 erforderlich. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt; bei zu vielen Anmeldungen werden die Plätze ausgelost.
Blick in die Bildhauerwerkstatt des Deutschen Museums
Die Modellbauwerkstätte zählt zu den größten Werkstätten im Deutschen Museum. Hier werden die Modelle und Dioramen aus den Sammlungen instand gehalten und restauriert oder neue Modelle gebaut. Dabei kommt es auf das kleinste Detail an.
Der Leiter der Modellbauwerkstatt, Franz Huber im Gespräch mit Andrea Bistrich:
Modellbau im Deutschen Museum – da denkt man möglicherweise als Erstes an die vielen wunderbaren Schiffs- und Flugzeugmodelle, die in den Sammlungen ausgestellt sind.
Der Modellbau im Deutschen Museum ist sehr vielfältig und reicht vom Schiffsmodell, vom Flugzeugmodell, dem Flyer I der Gebrüder Wright zum Beispiel, den wir zum 100-jährigen Jubiläum gebaut haben, über die ISS-Raumstation, den Benz-Motorwagen, über ein Vogelflugmodell, das die Flügelbewegungen eines Vogels zeigt, eine begehbare Körperzelle, bis zu einem Baustellenmodell der Normandiebrücke. All diese Modelle werden bei uns in verschiedenen Maßstabsgrößen von 1:200 verkleinert oder bis 350.000:1 vergrößert gebaut.
Was ist das Besondere am Modellbau im Deutschen Museum?
Grundsätzlich kann man sagen, ist der Modellbau bei uns im Haus in einer sehr guten Position. Anders als in der freien Wirtschaft, wo der ständige Druck besteht, möglichst günstig und schnell zu produzieren und der Anschauungsmodellbauer sein Modell alleine anfertigt, selber lackiert und auch die Beschriftung herstellt, haben wir den großen Vorteil, dass wir uns auf die technische und mechanische Komponente im Modellbau konzentrieren können.
Wir können auf die Zusammenarbeit mit 24 verschiedenen eigenständigen Werkstätten, die hier unter einem Dach sind, zählen. Da gibt es die Malerwerkstätte, die die Farbgestaltung übernimmt, die Mechaniker, die Elektriker und Elektroniker, die Installateure, die Schneiderinnen, die Siebdruckwerkstätte, die Schlosserei, die Schreinerei und viele weitere die uns unterstützen – nicht zuletzt die Bildhauerinnen und Bildhauer, die den künstlerischen Part übernehmen, indem sie die Figuren, das Gelände und besondere Oberflächen modellieren.
Unsere Modelle müssen sehr solide gefertigt sein, weil sie nicht nur zwei Wochen auf einer Messe präsentiert werden, sondern jahrzehntelang in der Sammlung stehen. Das erfordert einen ganz anderen Materialeinsatz. Das besondere an unseren Werkstätten ist, dass wir über ein museumsspezifisches Fachwissen verfügen. Gemeinsam sind wir für die Restaurierung, die Instandhaltung und die Neugestaltung der Objekte und Ausstellungen zuständig.
Was sind die ersten Schritte, bevor Sie ein Modell bauen?
Zunächst kommt die Konservatorin oder der Konservator mit einer Idee zu uns. Meist bringt sie oder er dazu Fotos oder alte Abbildungen oder Skizzenblätter mit und fragt, ob wir daraus ein Modell bauen können.
Und dann müssen Sie weiterspinnen …
Genau. Da kann es dann passieren – so wie beim Modell für die Rialtobrücke -, dass ein Dreierteam nach Venedig fährt und schaut, ob es Pläne und Unterlagen bekommt. Vor Ort wird dann vermessen, fotografiert und skizziert. Wenn man die einzelnen Informationen anschließend im CAD-Programm (Programm für computerunterstützte Entwürfe) zusammensetzt, merkt man recht schnell, ob tatsächlich alles passt oder nicht.
Können Sie prinzipiell jedes Modell bauen? Oder gibt es klare Grenzen?
Der Modellbau kann fast alles! Spaß beiseite. Tatsächlich können wir hier in der Museumswerkstatt so vieles realisieren, weil wir einfach sehr gute Bedingungen im Hause haben, was in der freien Wirtschaft nicht möglich wäre.
Ein ganz wichtiger Faktor, der den Erfolg unserer Arbeit ausmacht, sind die Vorrecherchen, das Einholen von Informationen. Da ist jeder im Team gefordert. Zum Teil sind die Recherchen recht aufwendig, bis man überhaupt loslegen kann. Für die Abteilung Drucktechnik, in der auch industrielles Buchbinden gezeigt werden sollte, waren wir zum Beispiel in einer Traditionsbuchbinderei in der Schweiz. Wir haben lange suchen müssen, bis wir eine alte Drahtheftmaschine fanden, die noch im Einsatz war. Nach so gründlichen Recherchen nehme ich ein Buch ganz anders in die Hand: ich schaue, wie der Rücken, wie die Bindung gemacht ist und vieles mehr.
Wenn wir ein Modell in einem entsprechenden Maßstab bauen, dann wird jedes Detail sichtbar und muss stimmen. Manchmal ist es auch so, dass man, nachdem man sämtliche Unterlagen, Pläne und Skizzen zusammengetragen hat, erst bei der praktischen Umsetzung merkt, dass etwas nicht ganz eindeutig ist. Die Tücke liegt oft im Detail! Das merkt man in dem Moment, wo man etwas ins Dreidimensionale umsetzt; da werden unter Umständen Zusammenhänge sichtbar, die einem auf dem Papier nicht aufgefallen sind.
Bei dem Wright-Flugzeugmodell beispielsweise ist plötzlich ein kleiner Hebel mit Schnurverbindung aufgetaucht, über den wir bisher noch nichts gehört hatten. Aber wie sich herausstellte, war das etwas ganz Entscheidendes, denn den Gebrüdern Wright war es anscheinend bewusst, dass die Motorleistung nur ausreicht, wenn sie mit Vollgas starten. Und sie wussten wahrscheinlich, dass der Mensch von Natur aus eher zögert, statt gleich Vollgas zu geben. Sie bauten daher einen Mechanismus ein, bei dem in dem Moment, wenn der Motor gestartet wird, sich die Zugschnur automatisch aushängt, so- dass der Motor immer auf Vollgas läuft.
Das sind so nette Details, die man entdecken kann. Und darüber hinaus erfährt man auch sehr viel über die Menschen, die damals so enorm viel Energie, Ehrgeiz und mitunter sogar ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, nur um für einige Augenblicke knapp vom Boden abzuheben.
Haben Sie trotz intensiver Vorbereitungen auch schon mal etwas nicht so hinbekommen, wie Sie es sich vorgestellt hatten?
Das ist auch schon passiert. Es gab zum Teil Versuchsaufbauten, bei denen über Monate hinweg ständig Probleme aufgetreten sind, mit denen wir nicht gerechnet hatten. Und dann kann es passieren, dass wir von diesem Versuchsmodell Abstand nehmen und sagen, wir setzen das lieber nicht in der Ausstellung ein. Im Dauerbetrieb ist das Modell hoher Beanspruchung ausgesetzt, da kommen Einflüsse wie Staub, Temperaturschwankungen etc. hinzu, die über lange Zeiträume hinweg enorme Schwierigkeiten bereiten können.
Gibt es auch den umgekehrten Fall: Sie entdecken, dass das Modell unerwartet gut gelungen ist?
Ja, auch das kommt immer wieder vor. Wir haben die Möglichkeit, genügend Zeit in ein Projekt zu investieren – das wirkt sich auch auf das Ergebnis aus.
Wenn man dann anschließend in der Sammlung beobachtet, wie der Besucher auf das eine oder andere Modell reagiert und etwas besonders loben, dann motiviert das enorm. Es ist ein schönes Erfolgsgefühl, das nicht zuletzt auch die Begeisterung für die nächsten Aufgaben steigert.
Kreativ arbeiten kann man erst, wenn man die Zeit dazu erhält. In dem Moment, wo der Zeitdruck zu groß ist, wird jede Form der Kreativität abgewürgt, weil man dann vom Denken her ganz anders an eine Sache herangeht. Sobald der zeitliche Rahmen sehr eng ist, müssen wir bei der Ausführungsqualität abspecken.
Worauf kommt es beim Modellbau an?
Ein Modell oder Diorama in einer naturalistischen Ausführung zu bauen, ist immer eine Gratwanderung. Wir müssen schon sehr darauf achten, dass es nicht ins Kitschige abfällt. Es gibt da zum Beispiel einfache Regeln, dass man keine Glanztöne oder überzogenen Farbtöne verwendet.
Eine weitere Herausforderung ist es, den richtigen Maßstab für ein Moulegen. Dabei sind zwei Fragen entscheidend: Wie groß muss mein Modell sein, um eine bestimmte Technik oder einen bestimmten Vorgang am besten zu veranschaulichen? Und wie viel Platz steht dazu zur Verfügung? Es gibt bestimmte Maßstabsgrößen, die für das menschliche Auge am natürlichsten wirken. Zum Beispiel der Maßstab 1:33.
Die Begeisterung für die dreidimensionale Nachbildung im Kleinen hatte schon unser Gründer, Oskar von Miller, Anfang des 20. Jahrhunderts erkannt. Schon damals waren die Schaukästen oder Dioramen bei den Besuchern sehr beliebt. Ich bin mir sicher, dass wir eine der wenigen Modellbauwerkstätten auf der Welt sind, die die Tradition des Dioramenbauens auch heute noch weiterleben lassen.
Modelle sind dreidimensionale Momentaufnahmen, die – möglichst naturalistisch – eine bestimmte Arbeits- oder Lebenssituation wiedergeben. Der Betrachter soll einen realistischen Eindruck davon erhalten und diesen Eindruck mit nach Hause nehmen.
Wenn man als Betrachter vor einem Diorama steht, hat man das Gefühl, man selbst befinde sich darinnen. Der Betrachter erhält ein Gefühl von dem dargestellten Raum – sei es eine alte Gusshalle, eine Werkstatt oder eine Industrieanlage. Allein schon dieser Eindruck kann im idealen Fall dazu motivieren, sich weitere Informationen über das Dargestellte einzuholen.
Das ist der eigentliche Wert eines Modells: Es birgt stets die Möglichkeit, sich weiterzubilden – unabhängig vom Bildungsstand ist es eine entspannte Form der Information.
Wann würden Sie ein Modell als gelungen bezeichnen?
Wenn meine Kollegen oder ich ein Modell beurteilen, dann schauen wir auf jedes Detail: Passt die Farbgestaltung? Ist der der Maßstab oder der Ausschnitt grundsätzlich gut gewählt? Stimmen Perspektive und Beleuchtung? Das geht bis zur richtigen Materialauswahl, zum Beispiel beim Holz: Hier müssen Jahresringabstand und Holzstruktur stimmen. Damit es so realistisch und authentisch wie möglich wirkt, verwenden wir Astmaterial. All diese Feinheiten machen das Gesamtbild eines Modells aus. Wenn wir beispielsweise einen Beschneidehobel von einer Buchbinderei nachbauen, dann versuchen wir- wenn es der Maßstab zulässt und solange es nicht aufgrund der Maserung den Maßstab zerstört – auch das entsprechende Holz zu verwenden. Und auch das metallene Schneidemesser ist in der Regel so geschliffen, dass es auch im Kleinen noch funktionsfähig ist.
Ob ein Modell tatsächlich als gelungen bezeichnet werden kann, lässt sich aber erst feststellen, wenn man beobachtet, wie die Besucher darauf reagieren – und natürlich auch die Kolleginnen und Kollegen.
Eines der beliebtesten Modelle bei den Besuchern ist die begehbare Zelle in der Ausstellung Pharmazie. War das auch eines Ihrer schwierigsten Projekte?
Ja, das kann man sagen. Die Körperzelle war eine große logistische Herausforderung. An einem so riesigen Projekt wie der Körperzelle, die eine 350tausendfache Vergrößerung ist und zehn Meter lang und sechs Meter hoch gebaut wurde, waren viele Leute gleichzeitig beteiligt: Bildhauerinnen und Bildhauer, Elektriker, Maler, Schlosser, Modellbauer und viele andere. Das Ganze musste zeitlich ineinandergreifen und machbar bleiben.
Schön ist es auch zu sehen, mit welcher Begeisterung alle Beteiligten dabei waren. Da werden dann auf einmal Dinge möglich, die unter normalen Umständen nicht realisierbar wären.
Bei der Eröffnung habe ich mich bewusst gleich hinter den Eingang gestellt, um die Reaktionen der ersten Gäste zu beobachten. Wenn auch vorher das eine oder andere schwierig war und viel Arbeit bereitet hat – die begeisterte Reaktion der Besucher hat in jedem Fall dafür entschädigt.
Haben Sie ein Lieblingsmodell?
Sehr gerne mag ich das Baustellenmodell der Normandiebrücke, den Flyer I der Gebrüder Wright oder auch den Benz-Motorwagen.
Es ist immer wieder schön, das Normandiemodell mit seinem über sechs Meter hohen Pylon zu sehen. Für einen Modellbauer ist das natürlich spektakulär. Noch dazu in einem 40stel Maßstab.
Nicht zuletzt ist auch die begehbare Körperzelle zu erwähnen. Ich genieße es nach wie vor, wenn ich in der Sammlung unterwegs bin, dort vorbeizuschauen und einen Blick hineinzuwerfen. Denn das ist kein Objekt, das nur für kurze Zeit gebaut wurde und dann irgendwo im Keller oder im Depot landet. Die Zelle wird intensiv betrachtet, oft auch bewundert – und das ist ein schönes Gefühl.
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