Jedes Labor ist anders. Es gibt kein Bio-Labor, Biochemie-Labor oder sonst ein Labor, dass einem anderen vollkommen gleicht. Viel wird durch den Fokus der Forschung bestimmt, durch zur Verfügung stehende Räumlichkeiten sowieso. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten, auch in Bereichen die man zunächst nicht erwarten würde. Der Sprachgebrauch, und auch die Verwendung von Laborsprech im Alltag, weist erstaunlich viele Gemeinsamkeiten auf. Zwei Begriffe sind mir in der letzten Zeit einfach immer wieder begegnet, von den unterschiedlichsten Leuten. Gerade diese zwei Vokabeln aus dem Labor finde ich überaus praktisch und habe sie mittlerweile im aktiven Wortschatz.

aliquotieren

Tatsächliches Fachwort aus dem Labor. Wenn eine Probe, Chemikalie oder Reagenzie in gleich große Teilmengen aufgeteilt wird. Es handelt sich dabei um eine oftmals leidliche Arbeit, die je nach Wertigkeit der zu aliquotierenden Substanz, aufgeschoben, delegiert oder lediglich teilweise durchgeführt wird. Ausnahmen bilden Stoffe, die generell im Labor benötigt werden. Diese werden in der Regel sofort aliquotiert, meistens durch technische AssistentInnen (Gott schütze euch!). Eine “Portion” einer aliquotierten Substanz nennt man auch Aliquot.

Beispiele:

“Aliquotier schon mal den Tequila”
“Wir haben echt noch viel von den Käsespätzle übrig – ich aliquotiere das mal.”
“Wir müssen Bier holen, es sind nur noch drei Aliquots da!”

wegfrieren

Begriff, um den Vorgang des Verbringens von Substanzen in einen Gefrierschrank (-20°C, “minus-Zwanziger”) oder Froster (-80°C, “minus-Achtziger”) zu umschreiben. Oft auch in Verbindung mit Aliquot benutzt.

Vermutliche Prägung des Begriffs: Im Labor arbeitende Menschen leiden häufig unter einer unübersichtlich langen ToDo-Liste. So kann das Verstauen von Proben, Chemikalien oder Reagenzien, in einer Umgebung mit niedriger Temperatur, befreiend wirken (WEGfrieren). Bei längerer Exposition zu Arbeit im Labor, ist häufig eine substitution des Wortes “einfrieren” in den alltäglichen Sprachgebrauch zu beobachten.

Beispiele:

“Für heute bin ich fertig, muss nur noch die Proben wegfrieren”
“Die Bestellung ist gekommen, hab das für dich weggefrohren.”
“Ich hab viel zu viel Käsespätzle gemacht, ich musste die aliquotieren und wegfreiren”

Hier hört der “Lab Slang” nicht auf. Allerdings ist es gerade bei diesen beiden Begriffen so, dass ich sie auch im normalen Leben benutze. Andere Worte aus dem Labor, die etwas ungewöhnlich sind wären beispielsweise SOS-Buffer, NACHO-drei oder das Batman-Profil. Allein letzteres ist einen eigenen Artikel wert – demnächst mal.

Kommentare (21)

  1. #1 Cornelius Courts
    8. April 2015

    Oooooh ja, Laborslang ist ein GROSSES Kapitel.
    Bei uns gibt es noch:
    – “Platte machen”, womit keinesfalls die aus Berber- und Landstreicherkreisen bekannte Tätigkeit des sich auf der Straße ohne festen Wohnsitz Aufhaltens gemint ist, sondern die Zusammenstellung (mittels Pipettierens) einer 96-well-qPCR-Platte für die Durchführung einer qPCR. “Kommst Du mit essen?” “Nee, muß noch eben Platte machen!”
    – “Runterdrullern”, statt abzentrifugieren; gemeint ist das kurze Andrehen von Reaktionsgefäßen, um wand- oder deckelhaftende Tropfen auf den Boden des Gefäßes zu schleudern.
    🙂

    • #2 André Lampe
      8. April 2015

      Hi Cornelius,

      davon kenn’ ich auch eine Menge. Gibt es bei dir Worte, die du jetzt im Alltag benutzt?

  2. #3 Carola
    8. April 2015

    Aliquotieren, manche sagen aliquotisieren. Ersteres klingt in meinen Ohren aber richtiger.

    • #4 André Lampe
      8. April 2015

      …und Wikipedia ist da auf deiner Seite, mit aliquotieren. 🙂

  3. #5 Cornelius Courts
    8. April 2015

    “Gibt es bei dir Worte, die du jetzt im Alltag benutzt?”

    Jein. Ich sage immer: ich muß noch schnell den Salat abdrullern 🙂

    • #6 André Lampe
      8. April 2015

      Das klingt…. irgendwie falsch, auf eine irritierende Art und Weise. 😉

  4. #7 Fliegenschubser
    9. April 2015

    Ich geb euch beiden recht! Labslang ist ein weites Feld! Und ein Lustiges.
    Aliquotieren sag ich auch manchmal. Das Wort “runterdrullern” hingegen hab ich noch nie benutzt, nicht mal im Labor. Ansonsten….hm…fallen mir grade keine Laborworte ein, die den Weg in die Alltagssprache gefunden haben. Umgekehrt wird bei uns der Reinigungsalkohol gerne als “Schnaps” bezeichnet.

    “…schnell mal mit Schnaps über die Bench wischen…”

    Dann noch (sehr spezifisch, da ich an Drosophila-Embryogenese arbeite), wenn ich meine Proben während einer Immunfluoreszensfärbung waschen muss, sage ich gerne “Ich muss noch die Fliegenbabys baden” 😉

  5. #8 CM
    9. April 2015

    Hm, für so ein großes Kapitel (denke ich auch) gibt es hier wenige Posts. Was mich anbelangt: Klassiker wie “wegfrieren” & “aliquotieren” kenne ich zwar noch, aber sonst erinnere ich mich nur noch an “bestrahlen” für unsere Streuungsmessungen – was ja nicht so abwegig ist. Der Rest ist dem Vergessen anheim gefallen, bzw. dem Verdrängen, denn nicht alles aus der guten, alten Doktorandenzeit war gut.

  6. #9 Stefan K.
    9. April 2015

    Als Jurist fühle ich mich irgendwie bemüßigt, darauf hinzuweisen, dass aliquot auch ein juristischer Fachbegriff ist. (Beispielsweise als aliquoter Uurlaubsanspruch, wenn man nicht das ganze Jahr in einem Unternehmen gearbeitet hat)

  7. #10 Stefan K.
    9. April 2015

    Sorry für Doppelpost, aber ich wollt noch hinzufügen, auch bei uns Juristen gehen solche Wörter selbstverständlich in die Alltagssprache über 😉

  8. #11 Chemiker
    9. April 2015

    In der präparativen Chemie gibt es einen ausgeprägten Slang — von „Rotier mal das Lösungs­mittel ab“ über „Ich muß den Schlunz noch­mals aus Schnaps um­kristalli­sieren“ und „Ich koche heute bei −33°C“ bis zu „Mein Halbleiter ist noch nicht fertig­gebacken“. Oder Wortspiele wie „Kein Wunder, daß die Destil­lation ewig dauert — das Ding heißt aus ­gutem Grund Kolonne!“

    Dann natürlich noch die Euphemismen wie „Die Laborspinne hat über Nacht katalytischen Dreck in meinen Kolben geferkelt, deshalb sind die Kristalle nur off-white geworden“ (=ich habe statt weißer Kristalle eine schoko­lade­braune Kruste heraus­bekom­men und weiß nicht warum).

    Lustiger finde ich aber die An­wendun­gen von Fach­vokabul­ar in Alltags­situatio­nen. „Wir haben den Kollegen ethanol­titriert, End­punkt­bestim­mung per Gravita­tion“ (= ihn unter den Tisch ge­sof­fen), „Betreibst Du Pyrolyse-Studien an Schweine­fleisch?“ (=Dein Braten schmeckt angebrannt), „Er hat einen Hang zu SN2“ (=greift gerne aus dem Hinterhalt an) oder auch Theoreti­ker-Slang „Die beiden sind neuer­dings Triplett-korreliert“ (=Das Liebes­paar hat sich getrennt) und „Der Kerl hat eine diffuse Wellen­funktion“ (=Er könnte überall stecken). Physiko­chemiker machen gerne offen­sicht­liche Witze mit dem Fick­schen Gesetz.

  9. #12 bewitchedmind
    10. April 2015

    Erinnere mich gerade an den Rührfisch (der tatsächlich so heißt, was ja *irgendwie* auch sinnig ist, weil man ihn wieder rausangeln muß), also das Stäbchen des Magnetrührers. Aus irgendeinen Grund hieß der bei uns im Studium auch “Rührkeks” – ist das sonst noch jemandem geläufig, oder war das nur unser Spezialslang?

  10. #13 Chemiker
    10. April 2015

    Bei uns hieß das Rührstäbchen „Knochen“.

  11. #14 rolak
    11. April 2015

    (Lab Slang) .. Jedes Labor ist anders

    ..insbesondere solche, die überhaupt nicht so heißen. A real hackers den sieht ja auch völlig anders aus: Bastelgerümpel (=Eingeweide alter Geräte mit Kleinkram zur Wiederverwertung), Stapel von Datenträgern und der bekannte clean desktop (neenee, nicht der, der auf dem Monitor), sorgfältig und sauber in ihren Gehäusen werkelnde Computer, ständig harte Drogen wie Coffein und Zucker…
    Das kann nur zu einem eigenen Slang führen, selbstverfreilich im www protokolliert, ungemein aggressiv das Leben erobernd.

    *sigh* I ROFLd in RL^^

    IT scheint virulent zu sein, ob nun die ZustandsNachfrage “Weia, wie siehst Du denn aus – reset2zero auf der Party?”, die Kategorisierung ‘multitaskingfähig’ oder die Auskunft ‘der ist offline’ – egal wo, unaufhaltbar.
    Es gibt sogar eine dunkle Seite der Macht, die Möchtegernis mit ihrer 1337speak.

  12. #15 Fliegenschubser
    14. April 2015

    @Chemiker: Sehr schöne Beispiele!

    Bei mir heißt der Rührfisch übrigens auch Rührfisch, ich kenn aber auch ein paar, die sagen “Rührschwein”…was mir vollkommen unbegreiflich ist.

    • #16 André Lampe
      15. April 2015

      Kommt ja immer drauf an wo man das Schwein reinschmeißt…

  13. […] hab über die Verwendung von Worten aus dem Labor im Alltagsleben geschrieben, und über die vielen Kommentare habe ich mich sehr gefreut. Aber es sind doch wenige […]

  14. #18 Laborratte
    Willkommen im labor
    16. April 2015

    Die Fische sind die einfach gebaute, längliche Rührer. Die Knochen sind die mit zwei Scheiben am Ende, und die Kekse sind oval. Die Angel ist aber immer weg.

    Rotieren geht bei Ether schnell. Früher mussten dann am Abzug den Schild “nicht rauchen / Arbeit mit Ether” nach vorn gedreht werden!

    Der Piräus (sic!) kommt beim pipetieren immer noch zum Einsatz. Im Kolben oder im Erly. Eppendorf sind aber auch im kommen. Ein Kollege ist Eimerchemist, der wiegt nur auf die Kartoffelwaage. Immernoch besser als Pillendreher. Die sind immer so eingebildet wie die Doktoren.

    Ein Laborratte.

    • #19 André Lampe
      16. April 2015

      Das klingt nach einem Labor, in dem man die Neuen losschickt, wenn die Benzolringe leer sind und man sowieso noch Bleiche braucht um den Indikator zu entfärben. Nen Stapel AV-Blöcke kann dann auch gleich mitgebracht werden, wenn Pillendreher oder Halbgötter anwesend sind.

  15. #20 MieZe
    21. April 2015

    In meinem alten Labor wurde das kalibrierte Kontroll-Thermometer als “Hamster” bezeichnet (hab leider nie rausgefunden warum…)
    Als wir dann an meinem neuen Arbeitsplatz einen potentiell defekten Tiefkühler hatten, hab ich aus lauter Gewohnheit gesagt: “Habt ihr keinen Hamster, den wir über Nacht in den TK legen können?”. Die Gesichter meiner Mitarbeiter waren zu köstlich 🙂
    Und als Beispiel, wie sich das Berufs-Vokabular in den Alltag schleicht: “Trotz 3 Gläsern Wein spüre ich noch keine signifikante Änderung meines Zustandes…”

  16. #21 Cornelius Courts
    23. April 2015

    Nicht ganz zum Thema Slang, aber hier dennoch sehr passend, hat mich folgende Liste kolossal amüsiert (auch, weil sehr (!) vieles davon sehr wahr ist):

    Du weißt, Du bist Laborbiologe, wenn folgendes auf Dich zutrifft:

    Du öffnest die Zahnpastatube mit einer Hand.
    Du wäschst dir die Hände vor und nach dem Toilettengang.
    Sowieso wäschst Du Dir Hände öfter als andere.
    Du denkst bei „Medien“ an deine Zellkulturen.
    Du hast eine Schwiele an deinem Daumen.
    Das Wort „Aliquot“ ist in deinen allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen.
    Du verschwindest plötzlich in der Kaffeepause, um eine Probe zu ziehen.
    Du hast keine Angst vor Nagern, die haben Angst vor dir.
    Das Wort „Größenordnungen“ ist in deinen allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen.
    Du zuckst zusammen, wenn du „signifikant“ hörst.
    Du findest, um zehn auf Arbeit zu kommen und Kaffee zu trinken, zählt als ein produktiver Tag.
    Du verachtest die arroganten Mediziner, beneidest sie aber heimlich um ihren Job.
    Du bist sehr gut darin, Dinge zu verdünnen.
    Du bist auch sehr gut darin, sehr geringe Mengen von Flüssigkeiten zwischen kleinen Plastikbehältern hin- und her zu pipettieren.
    Du hasst es, wenn Leute „Alkohol“ sagen und „Ethanol“ meinen.
    Du denkst nicht an Zähne, wenn du „Molar“ hörst.
    Du denkst bei „SOC“ nicht an Socken, sondern an deine Trafo.
    Keiner in deiner Familie versteht, was du eigentlich tust.
    Du findest, ein grüner Präsentationslaser ist das wissenschaftliche Äquivalent eines Heckspoilers.
    Du wüsstest nicht, dass „Falcon“ was mit Vögeln zu tun hat.
    Du hast fünf von den Dingern, jedes mit einer unterschiedlichen Sorte Wasser.
    Sitzen auf deinen Früchten Fruchtfliegen, musst du ihre Augenfarbe überprüfen.
    Du findest, Drosophila-Genetiker haben Sinn für Humor.
    Du besitzt T-Shirts von Invitrogen und trägst sie auch.
    Du redest von deinen Kindern als „die F1-Generation“.
    Du hattest eine Sehnenscheidenentzündung vom Pipettieren.
    Du benutzt Kimwipes als Taschentücher.
    Dich erinnert der Geruch von Latex an die Arbeit und nicht an Sexspielchen.
    Dein Lieblingskochbuch stammt von Maniatis.
    Du benutzt einen sehr, sehr sauberen Löffel, wenn du Marmelade aus dem Glas nimmst.
    Vor flüssigem Stickstoff hast du längst jeden Respekt verloren.
    Beim Kochen in der Küche sehnst du dich nach einem Magnetrührer und Parafilm.
    Beim Abmessen von Flüssigkeiten in der Küche schaust du nach dem Meniskus und achtest auf die korrekte Augenhöhe.
    Du würdest dir dein Gel nie in die Haare schmieren.
    Du denkst bei „Western“ nicht an Winnetou.
    Für dich ist Zucker nicht synonym mit Saccharose.
    Du hantierst bei der Arbeit mit Rezepten, machst aber nichts zu Essen.
    Trockeneis wird von dir zum Bombenbau oder zum Krach machen benutzt.
    Du hast viele Freunde an Trockeneisbomben verloren …

    ___
    Quelle: https://www.scilogs.de/detritus/du-wei-t-du-bist-laborbiologe/