Wenn man also die Wellenlänge λ des verwendeten Lichts kennt und die NA auf der Seite seines Objektivs abliest kann man ausrechnen welche beleuchteten Strukturen man noch so gerade erkennen kann. Ich hab hier zu Hause ein kleines Objektiv stehen, auf dessen Seite 10x/0,3 NA gedruckt wurde. Nehmen wir einmal an, dass ich mit diesem Objektiv auf eine Probe schaue die ich mit blauem Licht (ungefähr 480 nm) beleuchte, dann wäre die kleine Struktur die ich nach Abbe noch erkennen kann 0,8 µm groß, was schon deutlich besser ist als mein USB-Mikroskop, dass ich immer für die Dinge Unter’m Mikroskop benutze. Im Labor, an dem Mikroskop das ich im Rahmen meiner Doktorarbeit gebastelt habe, benutze ich rotes Licht mit einer Wellenlänge von 643 nm, habe dort aber ein Ölimmersionsobjektiv mit einer NA von 1,49. Das resultiert dann in einer Auflösung nach Abbe von knapp 216 nm oder 0,22 µm. Allerdings war ein wichtiger Bestandteil bei Abbes Überlegungen die Beleuchtung, er ging immer von einer Probe aus die angeleuchtet wurde.
Was steckt hinter diesen Formeln?
Dieses theoretische herumgerechne mit Wellenlängen und numerischer Apertur geht einem nur schwer in den Kopf, besonders wenn man nicht gerade ein Mikroskop rumstehen hat und das mal kurz ausprobieren kann. Auf einer Konferenz hat mir das ein Professor mal mit einer wunderschönen Metapher erklärt:
Deine Probe besteht aus einer bestimmten Struktur, die kannst du aber nicht direkt beobachten, da ist das Mikroskop dazwischen, dass wie ein Pinsel funktioniert. Der Mikroskop-Pinsel hat eine bestimmte Dicke, die von der Wellenlänge des Lichts und der numerischen Apertur der Optik bestimmt wird. Wenn du irgendwas in deiner Probe betrachten willst das kleiner ist als diese Pinseldicke, dann kannst du das nicht nur mit einem Bild machen, dann musst du etwas tricksen, und das nennt man dann Hochauflösungsmikroskopie.
Der Strichabstand d einer beleuchteten Probe aus dem Abbe-Limit oder der Abstand d, zwischen zwei Leuchtenden Punkten, beim Rayleigh-Kriterium sind also nichts anderes als die Größenangaben des kleinsten Pinsels eines Mikroskops.
Wer sich an dieser Stelle fragt “Was ist denn jetzt die Auflösung? Du benutzt immer unterschiedliche Begriffe wie Beugungsgrenze, Limit und so weiter…!?!”, der hat vollkommen recht. Das klingt von meiner Seite her total unstrukturiert. Leider ist es aber auch im Feld der Mikroskopie so, dass viele dieser Begriffe synonym verwendet werden. Die Auflösungsgrenze, Beugungsgrenze, Auflösungsvermögen, damit ist immer die “Pinseldicke” des Mikroskops gemeint, manch einer macht noch nicht einmal einen Unterschied zwischen Rayleigh-Kriterium und Abbe-Limit. Aber das ist gar nicht so frustrierend wie man meinen mag, wichtig ist zu wissen, dass Wellenlänge und verwendete Optik zusammen genommen eine natürliche, kleinste Länge bilden, die man mit einem Mikroskop noch so gerade sehen kann. Wie man um diese Grenze herum kommt, die Trickserei, die man Hochauflösungsmikroskopie nennt, die ist wirklich spannend. Aber dazu werde ich mal einen eigenen Artikel schreiben. Wir waren ja eigentlich bei Ernst Abbe, und was der Typ so alles getrieben hat.
Ernst Abbe der Sozialreformer
Man könnte Ernst Abbe als Arbeiterkind bezeichnen. Er wuchs in recht einfachen Verhältnissen auf und nur der Arbeitgeber seines Vaters ermöglichte es ihm überhaupt eine weiterführende Schule zu besuchen. Das macht ihn sensibel für die großen Unterschiede zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, besonders als er nach dem Tod von Carl Zeiss Alleininhaber der Carl Zeiss AG war. Abbe sorgte damals dafür, dass die Carl-Zeiss-Stiftung gegründet wurde, die damals wie heute, Alleineigentümer der Carl Zeiss AG und der Schott AG ist. Die Stiftung hat in ihrer Satzung unter anderem die Ziele “Erfüllung sozialer Pflichten gegenüber den Mitarbeitern”, “Betätigung in gemeinnützigen Einrichtungen zu Gunsten der arbeitenden Bevölkerung Jenas” und “Förderung naturwissenschaftlicher und mathematischer Wissenschaft in Forschung und Lehre” definiert. Aber darüber hinaus engagierte sich Ernst Abbe noch zusätzlich in Jena. Er stiftete die Jenaer Lesehalle und das Volkshaus als Orte parteipolitischen wie intellektuell-literarischen Lebens, er führte in der Carl Zeiss AG den Achtstundentag ein und er gründete das Jenaer Volrksblatt um dem Monopol der konservativen Jenaischen Zeitung etwas entgegen zu setzen. Als Abbe 1903 aus dem Vorstand der Stiftung zurück trat, ehrte ihn die Belegschaft mit einem Fackelzug durch Jena**. Als er zwei Jahre später starb war die ganze Stadt zu den Trauerfeierlichkeiten auf den Füßen und die Presse, weit über Jena hinaus, brachte ganzseitige Nachrufe. Abbes Nachfolger als Bevollmächtigter der Carl-Zeiss-Stiftung, Siegfried Czapski, sagte nach seinem Tod:
“Einer der Hauptantriebe von Ernst Abbe lag in folgender Überlegung: die fortschreitende Ausbreitung der Industrie und damit des in ihr beschäftigten Personenkreises ist unaufhaltsam – also muss beizeiten dafür gesorgt werden, dass diese Personen vollwertige Mitglieder des Bürgertums bleiben oder werden und nicht etwa auf eine Stufe zum Helotentum, zur Halbsklaverei versinken‘.” – Siegfried Czapski auf der Gedenksitzung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft am 3. März 1905
Ernst Abbe hatte ein paar gute Ideen, nicht nur in der Statistik, Astronomie, Mikroskopie, sondern auch als Unternehmer. Ich kannte bis vor Kurzem auch nur seine Arbeiten zur Mikroskopie und war dann wirklich fasziniert von seinem sonstigen Wirken und seinem Werdegang. Hoffentlich konnte ich das mit diesem Artikel auch weitergeben, mal von der Erklärung zur Auflösnungsgrenze abgesehen.
Fußnoten:
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