Ich mache nicht nur gerne Bilder mit meinen Mikroskopen, ich schaue mir auch gerne die Werke anderer an. Erst vor kurzem habe ich auf Twitter den hashtag #microscopymonday entdeckt – da werde ich auch in Zukunft öfter mal was beitragen. Es gibt dort die unterschiedlichsten Bilder: besonders bei den Elektronenmikroskopaufnahmen sieht man ab und zu einen Maßstab im Bild. Oft fehlt eine Größenangabe aber ganz, was ich schade finde.

"Wenn ich für Gäste koche, kann ich Mengen immer schwer einschätzen. Ich hoffe, diese Menge Bolognese reicht für eine Lasagne, von der drei Leute satt werden müssen. #bananaforscale" von Mike Beckers (@mimimibe), 12. Mai 2018

“Wenn ich für Gäste koche, kann ich Mengen immer schwer einschätzen. Ich hoffe, diese Menge Bolognese reicht für eine Lasagne, von der drei Leute satt werden müssen. #bananaforscale” von Mike Beckers (@mimimibe), 12. Mai 2018

Dabei sind Größenangaben so praktisch, nicht nur bei Bildern aus dem Mikroskop. Beispielsweise in einem Tweet von Mike Beckers (siehe Bild) – der hashtag #bananaforscale ist schon seit einigen Jahren ein Internet-Meme, um bei Bildern aus dem Alltag eine Größenvorstellung zu bekommen (mehr zu “Banana for scale” bei knowyourmeme.com). Es gibt auch eine Anleitung, wie die Bananen-Skala als Einheit anzuwenden ist: hier. Wirklich witzig in dem Bezug fand ich auch Guitar For Temperature, aber ich schweife ab.

Es geht mir hier um einen Maßstab, und wenn es auch eine Banane ist. Eine Hilfe um die Größenverhältnisse auf einem Bild zu verstehen ist wichtig, besonders bei Bildern, die mit dem Mikroskop aufgenommen wurden. Leider findet man bei Mikroskopiebildern in Presseartikeln, auf Wikipedia oder sonst wo eine Angabe, die mich immer aufregt: “… 20fache Vergrößerung” und KEINEN Maßstab. Ich gebe hier bewusst keine Beispiele, weil ich in diesem Artikel niemanden mit einem fachlichen Fehler in den Fokus der Aufmerksamkeit ziehen möchte. Das Problem liegt vor allem in der Art und Weise wie “schon immer” Aufnahmen aus einem Mikroskop mit Text versehen wurden, und nicht an einer bestimmten Person. Ja, ich habe oben “fachlicher Fehler” geschrieben, denn wenn man ein Mikroskopiebild in einem digitalen Medium abbildet, ist eine Angabe von “… XXfache Vergrößerung” oder ähnliches falsch, und zwar auf mehreren Ebenen.

Sehr falsch

Ich habe eine Weile gebraucht, um zu erkennen, was daran alles falsch ist. Lange habe ich nicht wirklich über eine Angabe wie “… 200fache Vergrößerung” zu einem Mikroskopiebild nachgedacht – vielleicht auch weil ich gewohnt war, das so zu lesen und ich dachte “das muss so”. Mir ist nur irgendwann beim Zusammenstellen einiger Bilder von mir aufgefallen, dass ich gar keine korrekte Angabe der Vergrößerung machen kann, schon gar nicht bei einem digitalen Bild. Da ich die ganze Zeit von Bildern spreche, habe ich mal ein kleines Bilderrätsel vorbereitet:

Bilderrätsel Vergrößerungen

Bilderrätsel: Die vier Aufnahmen wurden mit verschiedenen Optiken und Kameras gemacht. Die Optiken hatten Vergrößerungen von 40fach, 100fach und zwei mal 4fach. (Klick für vollständige Größe 3366 x 1972 Pixel)

Sieht alles einigermaßen gleich groß aus, oder? Vielleicht hier und da mal ein Faktor zwei oder drei – aber diese Bilder sind mit Optiken aufgenommen worden, die Vergrößerungen von 40fach, 100fach und 4fach liefern. Könnt ihr die “richtige Vergrößerungen” zuordnen?

1. Problem: Definition “Vergrößerung”

Ich hab nicht schlecht gestaunt, als ich die Definition für die Vergrößerung gelesen habe – dort wird sich immer auf die “Deutliche Sehweite” bezogen.

Deutliche Sehweite

Nicht zu verwechseln mit der Sehschärfe ist der Begriff der deutlichen Sehweite, auch Bezugssehweite oder Normsehweite genannt. Sie ist festgelegt auf 250 mm. Die Bezugsgröße ist erforderlich, um beispielsweise den Vergrößerungsfaktor einer Lupe zu definieren. – Wikipedia Deutliche Sehweite

Die Vergrößerung ist also immer bezogen auf das menschliche Auge und eine Vergrößerung von beispielsweise “20fach” heißt, dass ein Objekt zwanzig-Mal so groß erscheint, wie mit dem freien Auge aus 25 cm betrachtet.

Mein Auge am Ende einer Küchentuch-Pappröhre (ca. 25 cm)

Mein Auge am Ende einer Küchentuch-Pappröhre (ca. 25 cm – um ein Gefühl für die “Deutliche Sehweite” zu bekommen)

Ich habe das auch schon in meinem Vortrag auf dem 34. Chaos Communication Congress (34c3) erwähnt. Das Video zum Vortrag ist im Artikel Mikroskopie: Wie fängt man an und mit was? verlinkt. In dem Artikel komme ich auch kurz auf die Vergrößerung zu sprechen, allerdings als ein Parameter, der die Leistungsfähigkeit eines Mikroskops beschreibt. Aber hier soll es darum gehen, warum man bei Bildern aus einem Mikroskop nicht die Vergrößerung angeben sollte, sondern einen Maßstab.

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Kommentare (17)

  1. #1 gedankenknick
    15. Juni 2018

    Sehr guter Artikel.

    Bleibt nur noch die Frage, wie ich nun die Banane zwischen Objektträger und Deckgläschen bekommen, wenn ich kein Mirkroskop-Kalibrier-Lineal rumzuliegen habe… 😉

  2. #2 Spritkopf
    15. Juni 2018

    @gedankenknick
    In so einem Fall darfst du ausnahmsweise ohne Deckglas arbeiten.

    Und hier gleich die Antwort auf deine nächste Frage: Mit einem inversen Mikroskop.

  3. #3 rolak
    15. Juni 2018

    invers

    Jöh, da schau^^ War immer noch bei ‘ganz langsam und vorsichtig zusammendrücken’

  4. #4 tohuwabohu
    Berlin
    15. Juni 2018

    Neben den fehlenden Maßstabsangaben bei Bildern stolpere ich auch immer wieder über sprachlich schlecht formulierte Verkleinerungen (z.B.: 1000 Mal kleiner). Natürlich weiß ich, was der Autor meint, halte jedoch derartige Ausdrücke für sprachlich falsch, denn es wird ein Vergrößerungsfaktor angegeben, tatsächlich aber durch die Verkleinerungsangabe (kleiner, langsamer, dunkler, ..) sein Kehrwert gemeint.
    Hierzu noch ein Beispiel: Wenn ich die Größe zweier Objekte vergleiche von denen eines 1 Meter lang ist und ich schreibe das andere Objekt wäre 1000 Mal kleiner, dann wäre es 1000 mal 1 Meter = 1km lang, was ja keinesfalls kleiner ist.
    Wir vergleichen ja die Größe (Geschwindigkeit, Helligkeit, ..) und nicht die Kleinheit (Langsamkeit, Dunkelheit).

  5. #5 gedankenknick
    16. Juni 2018

    @Spritkopf
    Und wie bekomme ich beim inversen Mikroskop die Banae so trantsparent, dass überhaupt noch Licht ins Objektiv gelangt? Irgendwie bezweifele ich, dass leichtes Erwärmen der Probe mit Chloralhydrat-Lösung 50% da ausreichen wird… 😉

  6. #6 André Lampe
    16. Juni 2018

    Ich würde bei der Banane unterm Mikroskop einen Dünnschnitt empfehlen und dann die Umrechnung auf Milli-Banane oder Mikro-Banane.

  7. #7 hmann
    16. Juni 2018

    AL
    Was hältst du von Mikroskopen mit gepulster Laserstrahlung?

    • #8 André Lampe
      16. Juni 2018

      So pauschal kann ich das nicht beantworten – kommt ja immer darauf an warum der Laser gepulst ist und was man damit aufnimmt. Gibt einige Techniken die das benötigen. Kannst du die Frage etwas genauer stellen? LG

  8. #9 gedankenknick
    16. Juni 2018

    @André Lampe
    Das wäre allerdings tatsächlich mal ein spannendes Thema. Gibt es in der Natur Zellen/Gewebe, die IMMER die gleiche Größe haben unabhängig von der Umgebungsentwicklung, so dass sie als mikroskopischer Maßstab herhalten können? Makroskopisch würde mir da ja Samenkörner des Johannisbrotbaums einfallen, die alle relativ exakt vom Gewicht her um 0,2g streuen, und von denen sich die Gewichts-Maß-Einheit “Karat” abgeleitet hat… Meine in #1 ironisch aufgeworfene Frage war insofern schon erst, alls daß ich mich gefragt habe, ob es einen einfach zugänglichen Maßstab in der Mikroskopie gibt – nicht präzise aber durchaus nachvollziehbar – eben äquivalent dem “Banana-Scale”…

    Davon abgesehen halte ich Dünnschitte von Bananen, egal ob längs oder quer, für eine relativ matschige Angelegenheit. Und wenn ich tatsächlich flüssigen Stickstoff bzw. Gießharz sowie ein Mikrotommesser rumzuliegen habe, dann habe ich wahrscheinlich auch eine Mikroskop-Kalibrier-Folie, einen gerasterten Objektträger oder eine kalibrierfähige Objektiv-Oular-Kombination…

    Aber Mikro-Bananen sind schon ein witziger Gedanke. Ob man die demnächst bei Monsanto/Bayer bestellen kann? Die kennen sich ja angeblich auch mit Bananen aus… 😉

    • #10 André Lampe
      16. Juni 2018

      Naja, ein klares JEIN würde ich mal sagen. Ich hab ja im Artikel auf diese Abbildung gebastelt um eine Einschätzung für die Größenverhältnisse in Zehnerpotenzen zu geben. Zum Beispiel bei Pollen gibt es sicher bestimmte Arten die immer die gleiche Größe Pollen produzieren, aber wenn sich das schon im Mikrometerbereich bewegt ist das extrem schwierig das mit in andere Proben hinein zu präparieren. Wir reden ja hier auch über einen Bereich der sich über einige Größenordnungen strecken kann. Eine Polle wäre für Details in einer Zelle schon wieder zu groß.

      Bei Zellen und Gewebe kann man das gar nicht fest sagen. Ich würde mich hinreißen lassen zu einer Aussage in Richtung von “Fibroblasten aus Zellkultur auf Glas haben meistens einen Zellkern der ungefähr 10µm Durchmesser hat”. Aber das wäre wirklich nur sehr sehr grob, mit einigen Randbedingungen – und mich würde da auch eine Einschätzung eines Zellbiologen interessieren, ich habe da eher gefährliches Halbwissen was typisch ist und wie stark Größen variieren.

      Ein anderer Maßstab, mit dem ich mal in Gedanken gespielt habe, wäre der Durchmesser eines menschlichen Haares. Ist direkt in unserer täglichen Erfahrung und jeder hat die Chance sich da ein eigenes Bild zu machen. Ich habe das dann mal gemessen (ein paar Bilder von mir gibt es unter Dinge unter’m Mikroskop V – Alter ist Kopfsache) und festgestellt: Mein Kopfhaar schwankt in der Dicke zwischen 65µ und 85µm, andere Menschen haben teilweise nur 50µm dicke Haare, wieder Andere bis zu 100µm – auch da ist die Schwankung zu groß um ein vernünftiger Maßstab zu sein, leider.

  9. #11 gedankenknick
    16. Juni 2018

    Danke für die Antwort. Das mit dem Haar ist mir auch durch den Sinn gegangen, allerdings waren mir die Schwankungen im Haardurchmesser schon vorher geläufig (nur nicht die genauen Grrößenordnungen), so hatte ich das Modell gleich verworfen…

  10. #12 hmnann
    17. Juni 2018

    AL
    Das Auflösungsvermögen eines Lichtmikroskops ist ja durch die Wellänge des sichtbaren Lichtes begrenzt und nicht überschreitbar.
    Jetzt habe ich gelesen, dass , wenn man nicht die gesamte Wellenlänge des Lichtes ausnützt, durch ein Pulsverfahren, dann könnte man die Auflösung erhöhen.
    Ich dachte, du hast schon praktische Erfahrung.

    • #13 André Lampe
      17. Juni 2018

      Ich hab da jede Menge Erfahrung – im Prinzip drehte sich meine ganze Doktorarbeit nur darum, die Beugungsgrenze zu “überlisten”. Ich hab dazu nen Artikel geschrieben, wie die drei verbreitetsten Ansätze funktionieren: Hochauflösungsmikroskopie

      Was ich in meiner Doktorarbeit gemacht habe, steht hier: Ich hab was gegen Rauschen.

      Das mit dem Pulsverfahren, was du erwähnst… hast du dazu einen Link? Es gibt Ansätze mit ultrakurzen Pulsen, aber die Leistungsdichten eignen sich kaum für Mikroskopie weil nix biologisches diesen Energieeintrag übersteht. Die Beugungsgrenze kann man einfacher überlisten, wie ich es oben verlinkt habe – aber das mit dem gepulsten Laserlicht klingt interessant, aber ich hab da im Moment keine Idee was das genau sein könnte.

      Liebe Grüße, André

  11. #14 hmann
    17. Juni 2018

    AL
    leider ist die Sache schon einige Jahre her, und ich hatte darüber im Radio gehört. Bei Wikipedia habe ich diesen Link gefunden . https://de.wikipedia.org/wiki/Multiphotonenmikroskop

    Hoffe geholfen zu haben

    • #15 André Lampe
      17. Juni 2018

      Ah ok – ja ein Multiphotonenmikroskop hat etwas andere Anwendungen, nicht unbedingt die Auflösungsgrenze überlisten. Der Vorteil ist dabei vor allem, dass man tiefer in Gewebe schauen kann weil es zB infrarotes, langwelligeres Licht tiefer eindringt oder man keine Fluoreszenzmarker braucht weil man CARS (Kohärente Anti-Stokes-Raman-Streuung) machen will

      Wikipedia-Link CARS

  12. #16 hmann
    18. Juni 2018

    AL
    dann war es doch eine andere Technologie. Da ging es um ein höheres Auflösungsvermögen durch ultrakurze Laserimpulse.
    Leider fällt mir dazu nicht mehr ein. Sorry.

  13. #17 André Lampe
    18. Juni 2018

    Übrigens: Ich bin selbst schon in die “Vergrößerungs-Falle” getappt. Ich habe bei meinem Vortrag auf dem 33c3 auch Vergrößerung verwendet – das würde ich heute nicht mehr tun. sondern mich lediglich auf einen Maßstab beziehen. Damals habe ich ein Cent-Stück mit ins Bild gelegt um das zu versuchen, ist aber nicht optimal. Man lebt und lernt 😉

    Vortrag gibt’s auch zum anschauen: hier