Ich schreibe gerade aus Trabzon, Stadt am Schwarzen Meer und Austragungsort der nächsten olympischen Winterspiele … oder Sommerspiele. Ganz sicher bin ich da noch nicht, aber irgendetwas Olympisches findet hier demnächst statt. Ich bin gerade auf einer Konferenz und versuche gegen hohe Temperaturen und fehlende Klimaanlagen anzukommen. Dabei amüsiere ich mich aber köstlich bei spannenden Vorträgen, gutem Essen und durch und durch freundlichen Gastgebern.

Es gibt aber etwas das mich selbst mehr irritiert als die türkische Tastatur (unser „i” ist da dort wo bei uns das „ö” ist, dafür ist da wo unser „i” ist ein „i” ohne Punkt), und zwar ist das eine uralte Geschichte: POWER POINT.

Es ist erstaunlich, dass ungefähr die Hälfte aller Vorträge (grob aber positiv geschätzt) einfach nicht nachzuvollziehen sind, weil die Redner in ihren Präsentationen verloren gehen; entweder in einer Flutwelle an Text, in überdrehten Animationen und Farben, oder inmitten der liebevoll ausgewählten Hintergrundbilder, die es unmöglich machen auf der Folie irgendetwas zu erkennen. Wir kommen ursprünglich aus einer wissenschaftlichen Welt von Tafelbildern und Diaprojektoren, aber manchmal denke ich dass wir uns in der Evolution der multimedialen Präsentation entgegen biologischen Grundsätzen rückwärts bewegen.

Deshalb schreibe ich nun meine 9 Regeln für Power Point auf. Diese sind völlig subjektiv. Mag sein, dass jemand das Ganze anders sieht, und fliegende Texte für das ultimative Element in einer jeden Präsentation hält, aber ich sehe das nun mal so. Es folgt … eine Tirade:

1) TEXT GEHÖRT NICHT AUF DIE FOLIE.

Es gibt hier Vorträge aus 25 Folien, von denen 24 dicht mit Text beschrieben sind (die Folie mit dem Bild ist meistens die mit der Danksagung, unterlegt von einem Bild aus den Simpsons). Wenn nun der Redner alles einfach vorlesen würde, könnte ich vielleicht folgen. Aber der Text muss ja grundsätzlich anders formuliert werden, damit man den Inhalt weder erlesen noch erhören kann. Am Ende frage ich mich: worum ging es bei dem Vortrag eigentlich nochmal?

2) NENNE MIR EINEN RATIONALEN GRUND FÜR EIN HINTERGRUNDBILD.

Ja, auch wenn es auf 20% aufgehellt wurde, stört das Maisfeld im Hintergrund den Lesefluss der Folie. Hintergrundbilder können, wenn sie inhaltlich etwas hergeben, genauso gut mit voller Deckkraft im Vordergrund auftauchen. Und dann bitte nur einmal. Ein einfarbiger Hintergrund macht es für das Publikum viel einfacher der Geschichte zu folgen.

3) WER HAT GELB AUF BLAU ERFUNDEN?

Und wo wir bei Farben sind, wieso sind immer noch so viele Vorträge in gelber Schrift auf blauem Untergrund (meist mit Gradient)? Das war damals (also früher) eine Erscheinung bei Diavorträgen. Und ich meine das hat damals schon keinen wirklichen Sinn gemacht. Der beste Kontrast (und auch einer der angenehm für’s Auge ist) ist schwarz auf weiß. Es hat einen Grund warum Bücher nicht in gelb-blau gedruckt werden. Und wenn man schon den Komplementärkontrast für seine Folien nutzen will, dann doch bitte den richtigen (gelb-violett, orange-blau, oder besser noch: rot-grün, da freut sich jeder 10. Mann und jede 100. Frau).

4) RECHTSHCREIBPRÜHFUNG GIBT ES.

Ja, auch bei PowerPoint gibt es die Rechtschreibprüfung: Bei PowerPoint 2010 ist das in der Registerkarte „Überprüfen” in der Gruppe „Dokumentprüfung”, Klick auf „Rechtschreibung”.

5) WER BIN ICH?

Der Name des Autors gehört auf Seite 1. Dort kann man auch seine Institution, akademischen Grad, Logos der Uni und der Geldgeber und alles was irgendwie hergibt, wer man denn ist, auflisten. Ab Seite 2 stört das aber nur. Wenn das Publikum bei Folie 14 vergessen hat, wer da eigentlich den Vortrag hält, dann soll es im Programm nachschauen.

6) AUFZÄHLUNGEN … AHHHHH!

Die beliebten „Bullet Points” (Aufzählungszeichen) betrachtet PowerPoint seit jeher als die optimale Lösung. Für alles. Und deshalb werden die standardmäßig eingefügt. Aber wer benutzt außerhalb von PowerPoint die Dinger wirklich?! Wenn man bei seinem Vortrag die nächsten fünf Sätze als Aufzählung auf der Folie stehen hat, ist meist das Publikum vor dem Redner fertig. Das erklärt dann die ganzen Gähner, wenn der Redner nach 3 Minuten erst bei Satz Nr. 3 angekommen, das Publikum aber schon eine Folie weiter ist.

7) FOLIENMASTER SIND COOL.

Ich weiß, man kann sich auch ohne Kenntnis dieser kleinen Hilfe ein schickes Design verschaffen. Aber der Folienmaster stellt sicher, dass der Vortrag eine Geschichte wird. Wenn jede Folie ein anderes Design bekommt, fragt man sich unweigerlich: Hat dieser Professor wieder mal aus den Vorträgen all seiner Studenten zusammengeklaut?!

8) CLIP ARTS – WAS WAR DAS DENN NOCH?

Ich bin ja der Meinung, dass die Blütezeit der Clip Arts anfing, als es mit dem Amiga bergab ging. Diese Phase endete dann jedoch ungefähr eine Woche später. Es gibt eigentlich keine Clip Art, die man nicht mit einem schönen Motiv aus einer schnellen Bildersuche bei Google oder Bing ersetzen kann.

9) VORSICHT, FLIEGENDER TEXT.

Zu Animationen möchte ich mich eigentlich gar nicht erst äußern. Es gibt viele Gründe Animationen zu benutzen, um Zusammenhänge zu illustrieren oder Prozesse zu veranschaulichen. Aber einfliegende Texte? Rotierende Bilder? Geworfene Dartpfeile auf leuchtende Karten? Wackelende Clip Arts (siehe Nr. 8)? Nein.

So, genug gelästert. Ich würde ja gerne noch ein Video einfügen, von dem ich vermute dass es all meine Punkte viel netter auf den Punkt bringt, aber hier in der Türkei ist YouTube gesperrt.

Zum Abschluss noch ein passender Rat von jemandem der weiß wie man es macht, Edward Tufte:

Präsentationen stehen und fallen mit der Qualität, Relevanz und Integrität des Inhaltes. Wenn deine Zahlen langweilig sind, dann hast du die falschen Zahlen. Wenn deine Worte oder Bilder nichts aussagen, dann werden sie nicht relevant indem man sie in bunten Farben tanzen lässt.

Kommentare (14)

  1. #1 MartinB
    Juli 15, 2010

    Gute Punkte.
    Blau auf Gelb hatte allerdings mal einen sinnvollen Hintergrund: Wenn man, wie bei einer Diashow oder bei den ersten Lichtschwachen Beamern, den Raum komplett abdunkeln muss, dann ist ein weiß strahlendes Feld an der Wand sehr unangenehm für’s Auge, da ist dann Hell auf Dunkel tatsächlich auf die Dauer angenehmer. Bei den heutigen Beamern spielt das allerdings keine Rolle mehr.

  2. #3 Tobias
    Juli 15, 2010

    Ah, ich kannst mir bildlich vorstellen. Die mühevoll eingebundenen Textanimationen, auf jedem Slide eine andere; die Entdeckung von Farben und Kontrasten,…
    Hier habe ich auch schon mal was zu Präsentationen geschrieben.

  3. #4 Nils
    Juli 15, 2010

    @Martin:
    Interessant. Ich wusste dass gelb auf blau irgendeinen Grund haben musste. Und das mit dem weiß strahlenden Feld macht Sinn – na ja, es machte damals Sinn. Heute finde ich die meisten Projektoren eher angenehm fürs Auge.

    @Tobias:
    Toller Artikel. Ich habe tatsächlich bei einigen der Vorträgen das Muster meines Notizbuches genauestens studiert, und am Ende mit lauter Pilzsporen nachgezeichnet. 🙂

  4. #5 Alexander
    Juli 15, 2010

    Ein wenig Text kann für mich schon auf die Folien, dann aber bitte keine ausformulierten Sätze. Ich glaube es gibt auch eine Faustregel, nach der maximal 7 Zeilen Text mit je 7 Wörtern auf eine Folie sollen.
    Mein schlimmstes Erlebnis mit Hintergrund- und Textfarben war mal (ungelogen!) hellroter Text auf dunkelrotem Hintergrund. Augenkrebs vorprogrammiert.
    Animationen haben auch noch einen Nachteil: Sie mögen auf dem eigenen Computer funktionieren wie gewünscht, aber versagen viel zu oft auf einem fremden!

    Ich hab noch zwei Tipps für Blogs zu dem Thema: When The Scientist Presents und Better Posters.

  5. #6 Ulf Lorenz
    Juli 15, 2010

    Punkt 10:

    LaTeX und Beamer-Paket benutzen. Man bekommt automatisch ein vernuenftiges Layout, und alles, was ueber ein paar Bilder oder ein bisschen Text/Formeln hinausgeht, erfordert soviel Arbeit, dass man es sich zweimal ueberlegt.

    Als angenehmen Nebeneffekt bekommt man eine PDF-Datei als Ergebnis, die wirklich ueberall funktioniert.

    Man sollte aber auch anfuegen, dass die Leute, die schon keine vernuenftigen Folien machen koennen, haeufig sowieso keine vernuenftigen Vortraege halten.

  6. #7 Basilius
    Juli 15, 2010

    Ja, ja, ja und nochmals ja!

    Ich erlebe in meiner Arbeit eine Unzahl an unsäglich bis grottenschlecht aufgebauten Präsentationen. Sicherlich ist perfektes Präsentieren eine Kunst, die auch gelernt und vor allem geübt sein will. Aber in 90% aller Fälle scheitern die Vortragenden leider schon an den grundlegendsten Hürden. Das mag durchaus auch an der unausgesprochenen Prämisse liegen, daß man erst mal immer versucht ist die Qualität der Präsentation an der Quantität der Folien nebst Inhalt zu messen. Chefs, die diese Tendenz wohlwollend unterstützen gibt es ja leider zu hauf, weil sich die Dicke einfacher beurteilen läßt als der Inhalt. Es ist schon schwierig und erfordert ein gerüttelt Maß an Selbstvertrauen so eine Präsentation auf das wirklich notwendige Zusammenzustreichen und nicht ins Schwafeln abzugleiten. Aber meiner Erfahrung nach danken die Zuhörer das einem durchaus. Es erfordert etwas Mut, da der Erfolg sich immer erst hinterher erkennen läßt.
    Oft ist es doch so, daß der Vortragende die Präsentation tatsächlich sogar als Schutzschild gegen die als Bedrohung empfundenen Zuhörer benutzt. In einer Schulung der etwas unorthodoxen Art haben wir dann mal gelernt, daß man in einem guten Vortrag besser öfter den Projektor blindschaltet, eben damit die Textfülle nicht von der Hauptsache ablenkt: Dem Vortragenden und was er zu sagen hat. Die Funktion ist in Powerpoint sogar schon eingebaut! Einfach mal im Vortrag die Taste ‘B’ für “Blank” benutzen. Nochmal schaltet wieder zurück. Die Folien sollten wirklich nur zum Verdeutlichen der Kernpunkte und zum Darstellen von Graphiken genutzt werden. Ansonsten bleibt das Bild aus, weil es nur ablenkt! Der Hörer soll ja nicht zugetextet werden und die endlosen Ausführungen kann er dann in den Handouts (wie nennt man diese Beipackzettel auf deutsch?) immer noch lesen, falls es ihn denn wirklich interessiert.
    Gutes Vortragen erfordert viel Übung und vor allem Selbstvertrauen. Das erlangt man aber im Laufe der Übung automatisch, wenn man sich denn nur auch wirklich immer wieder selbstkritisch hinterfragt. Hier ist es natürlich teilweise schwierig die Rückmeldungen der Zuhörer einzubeziehen, da ja i.a. eine Kritik nicht ehrlich und offen vorgetragen wird. Man denkt sich als Zuhörer halt seinen Teil und schweigt fürnehm.
    Zugegeben: Ich traue mir einen guten Vortrag auch nur zu, wenn ich wirklich zu 112% hinter dem Thema stehe. Das erleichtert die Sache ungemein. Leider kriegt man von vielen Vortragenden oft einen gegenteiligen Eindruck, was aber m.E. meist an den genannten immer wieder gemachten Fehlerchen liegt.

  7. #8 Engywuck
    Juli 15, 2010

    Regel 10: Wenn Du während des Vortrags dauernd an die Projektionsfläche oder auf deinen Laptop schaust, um dort den Text abzulesen, kennst du deine eigene Arbeit nicht und teilst besser gleich nur das Handout aus– deine Zuhörer bekommen eh nichts mit. Eine Präsentation *unterstützt* deinen Vortrag, sie soll sie nicht ersetzen. Und nur Richtung Projektionsfläche zu murmeln ist Missachtung der Zuhörer.

    Ja, es ist angebracht, Diagramme, passende(!) Bilder etc. an die Wand zu werfen. Evtl. auch nur den Titel des Bereichs, in dem du dich gerade befindest.Der Rest muss “auswendig” vorgetragen werden, damit’s lebendig rüberkommen kann.

    Zum Thema Text wurde mir damals gesagt: Schriftgröße Minimum 16-18, damit man was erkennen kann und 14 für “kleine” Angaben — so sinnvoll. Damit kann das Publikum auch lesen, was drauf steht — und mehr als zwei Sätze passen dann auch nicht drauf 🙂

  8. #9 Alexander
    Juli 15, 2010

    Mal ne Frage in die Runde: Prezi für wissenschaftliche Präsentationen – ja/nein/nur für bestimmte Anlässe?

  9. #10 Hannah
    Juli 15, 2010

    Oh ja das erinnert mich an meine Vorlesung dieses Semester. Deshalb Regel 10:

    Bilder immer in einer ordentlichen Auflösung oder als Vektorgraphik, verpixelte Bilder kann man nicht erkennen.

    Regel 11:

    Formeln kann man mit einem Formeleditor eingeben, man muss sie nicht aus Büchern einscannen. In jedem Fall aber nicht verpixelt, so dass man die Indizes nicht erkennen kann.

    Regel 12:

    Comic Sans ist eine Schriftart, die ab der Mittelsstufe nicht mehr verwendet werden sollte.

  10. #11 Pascal
    Juli 15, 2010

    Was statt Scharz auf Weiß auch noch geht, ist Weiß auf Schwarz. Gerade in dunklen Räumen ist dies sehr gut zu lesen.

    Ich erstelle immer 2 Versionen, jeweils eine. So habe ich immer für die richtige Location die optimale Variante um die Lesbarkeit zu maximieren. Bei halbdunklen Räumen ist es eine Geschmacksfrage, welche der Versionen man nimmt.

  11. #12 derari
    Juli 15, 2010

    Es ist zwar wahr, dass man diese Dinge nicht oft genug sagen kann (ich stimme auch jedem Punkt zu, außer dem LaTeX aus den Kommentaren), aber *neu* ist das eigentlich wirklich nicht, oder?
    Im Zusammenhang: How to NOT PowerPoint und jeder wissenschaftliche Vortrag, der jemals gehalten wurde(von Thilo geklaut)

  12. #13 Ender
    Juli 15, 2010

    Als ich auf dem Gymnasium mehrere PowerPoint-Vorträge erleben musste, bei denen hauptsächlich abgelesen wurde, war ich noch verdattert, wenn es dafür Einsen gab. Nach mehreren gesehenen Gast-Lectures an der Uni musste ich diese Noten aber als gerechtfertigt — nein — realistisch ansehen. Ich finde es erschreckend, was einem auch von manchem routinierten Vortragendem geboten wird.

    Text und Farbe sollte sich auf ein Minimum beschränken. Außer bei Präsentationen über Präsentationen. Da hilft Abschreckung. ^^

  13. #14 JV
    Juli 19, 2010

    Jawoll!!

    Nochwas: Wer gelbe Schrift auf weißem Hintergrund in seiner Präsentation verwendet, gehört gevierteilt!