Evolution ist ein Begriff der auf die verschiedensten Bereiche angewandt werden kann. Ich habe mich lange davor gesträubt ihn außerhalb der Biologie zu akzeptieren, da er meiner Meinung nach einen ganz speziellen Prozess, nämlich die Veränderung und Anpassung von Lebewesen über Zeit, beschreibt. Aber wenn man ihn ganz generell definiert als „Veränderung und Anpassung von … über Zeit”, dann trifft er auch auf Technologien, kulinarischen Eigenarten, das Wetter, und auf Plastikverpackungen (die, die man nie auf kriegt) zu. Wie sonst könnte man den Erfolg des iPhones erklären, bei dem immer die neuesten Ressourcen genutzt werden um den Wünschen der Kunden, also dem Lebensraum des Telefons, gerecht zu werden?
Wie weit der Prozess der Evolution allerdings auch innerhalb der Biologie reicht, und wie komplex die Zusammenhänge dabei sein können, hat in der letzten Woche ein Artikel im Journal Science gezeigt.
John Jaenike von der University of Rochester, New York, hat in Kollaboration mit Kollegen der Universität von Victoria, Kanada, entdeckt dass unsere bekannte Lieblingsfliege, Drosophila, angefangen hat Waffen in ihrem Kampf gegen Feinde zu benutzen. Und dieses „Wissen” gibt sie an die nächste Generation weiter.
In diesem Absatz habe ich die Sache doch stark vermenschlicht, aber im Kern stimmt der Prozess. Der Feind ist in diesem Fall ist ein Nematod, oder ein Fadenwurm, namens Howardula, der in weibliche Fliegenlarven eindringt und sie unfruchtbar macht. Die Waffen sind Bakterien der Gattung Spiroplasma. Fliegen, die mit diesen Bakterien infiziert waren, waren weniger anfällig für den Angriff durch Howardula. Die Nematoden in solchen Fliegen erreichten grundsätzlich geringere Größen als die aus uninfizierten Fliegen. Es wird daher angenommen, dass der Wurm sich nicht richtig entwickelt, wenn sein Lebensraum, also der Körper der Fliege, mit Spiroplasma „verseucht” ist.
Das Spannendste ist jedoch der Prozess, durch den diese Waffen weiter gegeben werden. Er ist dem der natürlichen Selektion sehr ähnlich. Da sich der Nematod dermaßen fatal auf die Fortpflanzungsfähigkeit und auch auf die Lebensdauer seines Wirtes auswirkt, könnte man annehmen, dass Fliegen mit der Zeit immun gegen Howardula werden. Doch statt genetischer Anpassungen haben sie den Vorteil der Bakterien genutzt. Wie ein Gen wird das Bakterium an die nächste Generation weiter gegeben. Da es den Fliegen hilft, taucht es häufiger in der Population auf. Genauso funktioniert natürliche Selektion an Genen, nur sind es hier Symbionten.
Ganz ähnlich hat sich auch der Mensch den Hammer zu Nutzen gemacht. Und da er uns noch heute hilft, die Dübel in die Wand zu kriegen, wenn das Loch einfach nicht groß genug ist, hat sich der Hammer in unserer Gesellschaft verbreitet.
Der ganze Prozess ist nicht wirklich neu. Anpassungen finden seit jeher auf die verschiedensten Weisen statt, und Schutz durch Parasiten wurde auch schon häufig untersucht. Ein Bakterium namens Hamiltonella defensa hilft Blattläusen gegen parasitierende Wespen; Wolbachia-Bakterien schützen Drosophila gegen bestimmte Viren. Bei Drosophila neotestacea ist dies nur deswegen so spannend, da es zum ersten Mal in der Natur entdeckt und die Evolution beobachtet werden konnte. Denn während 1980 gerade mal 10% aller nordamerikanischen Fliegen mit Spiroplasma infiziert waren, sind es mittlerweile 80%. Gleichzeitig ist die Anzahl der unfruchtbaren Fliegen in dieser Zeit zurück gegangen. Diese Form von Evolution findet in unglaublich schneller Geschwindigkeit statt (gerade mal 30 Jahre!). Ich denke es gibt uns die Möglichkeit zu verstehen wie z.B. auch der Mensch sich in ein paar Millionen Jahren dermaßen erfolgreich durchgesetzt hat, indem er in der Lage war, auch ohne genetische Selektion sich zu verändern und anzupassen.
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