Vor über 100 000 Jahren erschien eine neue Gruppe von Tieren: der Haushund. Durch wiederholten genetischen Austausch zwischen Haushund und Wolf entwickelte sich eine Vielfalt, die nach und nach vom Menschen genutzt wurde. Hilfreiche, zahme und starke Tiere wurden besonders gefüttert und in der Nähe menschlicher Behausungen geduldet. Die wilden Individuen wurden im wahrsten Sinne getreten und verschmäht.
Was ist daraus geworden? Das Landsäugetier mit der vielfältigsten Körpergröße und -form. Vom Bernhardiner zum Chihuahua, von der deutschen Dogge bis zum Beagle, vom Shar-Pei bis zum Cão de Água Português. Das Gewicht variiert von weniger als einem Kilo bis zu 95 kg. Große Knochen, kurze Beine, lange Schnauze – vom Kläffer zum Schoßhund, es gibt keine Eigenschaft und kein Merkmal, das bei Hunden nicht schon irgendwo aufgetaucht ist.
Diese Variation war es, die schon Charles Darwin dazu gebracht hat, über Selektion von Merkmalen nachzudenken. Und es scheint so offensichtlich, dass man sich fragt: “Warum ist da sonst keiner drauf gekommen?!”
Woher kommen die Unterschiede beim Hund?
Einer neuen Studie nach hat man aber mittlerweile herausgefunden welche genetischen Besonderheiten der Vielfalt beim Haushund zu Grunde liegen. Dank des 2005 veröffentlichten Hundegenoms waren Teams von Stanford University in Kalifornien und vom National Human Genome Research Institute aus Maryland in der Lage, 915 domestizierte Hunde aus 80 verschiedenen Rassen zu vergleichen. Ihre Forschung ergab dass sämtliche Variation in Größe und Gewicht sich auf 51 genetische Regionen oder Loci zurückführen ließ. Das gelang erneut mit einem der Lieblingswerkzeuge von Genetikern, den SNPs, einzelnen veränderten Basenpaaren im Genom. Die Wissenschaftler fanden heraus dass man die SNPs, die mit solchen Variationen assoziiert waren, in 2-6 größere Regionen aufteilen konnte. Diese nennen sich „Quantitative Trait Loci” und sind Regionen auf dem Chromosom, von denen man weiß dass sie eine ganz bestimmte Auswirkung auf den Phänotyp, also auf das Aussehen des Tieres, haben. Der Grund warum Hunde also so unterschiedlich aussehen liegt in einer dieser Regionen.
Zum Vergleich: Das ist beim Menschen ganz anders, denn bei uns sind phänotypische Variationen auf Tausende von Regionen verteilt. Der nahe liegende Grund, warum es beim Hund gerade mal sechs sind, ist höchstwahrscheinlich in unserem Verhältnis zu Haushunden zu finden. Durch selektive Zucht (zu Darwins Zeiten hieß „Natürliche Selektion” noch „Natürliche Zuchtwahl”) haben wir einen künstlichen Bottleneck verursacht. Wie eine große Menge Flüssigkeit, die durch einen engen Flaschenhals muss, wurde das Hunde-Genom durch eine vom Menschen erzeugte Engstelle „gequetscht”. Dabei ging die Vielfalt im Genom verloren. Denn indem der Mensch zuerst nur bestimmte Qualitäten (wie geringe Aggressivität, geringe Größe etc.) bevorzugte, reduzierte sich die gesamte Vielfalt im Genom auf bestimmte Bereiche. Der Rest wurde einfach ausselektiert. Die übrig gebliebene Vielfalt reichte aber für offensichtliche Veränderungen aus und seitdem wirkt die Zucht des Haushundes nur auf diese Bereiche.
Die Variation im Hundegenom beträgt ca. 0,15%. So zeigt die Studie wie sich Veränderung in nur wenigen Genen stark auf das Aussehen und Verhalten des ganzen Tieres auswirken kann. Da ist es interessant wenn man sich, mal wieder, daran erinnert dass der Unterschied zwischen unserem Genom und dem eines Schimpansen auch nur ein paar Prozent betragen.
Quelle: PLoS Biology 8 (8): e1000451.
Kommentare (24)