Vor Jahren hatte ich eine Verletzung am Auge. Genauer gesagt, bei einem Forschungsprojekt mit Hummeln und Silberlinden rieb ich mir durch den Kontakt mit Pollen solange am linken Auge, bis es ziemlich matschig war. Wie genau es passiert ist, weiß ich gar nicht mehr, aber anscheinend ist das Auge z.T. ausgetrocknet, der Innenaugendruck hat sich leicht gesenkt und es sah zum Erschrecken meiner Kollegen so aus, als würde es in sich zusammen fallen. Die Sicht wurde nur geringfügig beeinträchtigt, aber alles wurde ein wenig unschärfer. Durch einen zügigen Besuch beim Augenarzt und die verschriebenen Augentropfen war nach ein paar Tagen alles wieder in Ordnung.
Der Anblick des Auges war damals schrecklich und ich muss zugeben dass ich mir nicht wenig Sorgen um mein Auge gemacht habe. Man sollte meinen, ich hätte daraus gelernt und reibe im Sommer nicht mehr an den Augen …
Nun ja, ich habe auf jeden Fall den Wert meiner Augen schätzen gelernt. Einen ganz anderen Fall von Augenproblem hatte der berühmte Neurologe Dr. Oliver Sacks. Wenige Neurologen (von denen ich weiß) haben ein Talent mit Worten wie Dr. Sacks. Seine Bücher sind eine Mischung aus medizinischem Wahnsinn und humorvollen, menschlichen Geschichten, die deutlich machen, wie beeindruckend und zugleich fehlbar unser Körper doch ist. Wenn ich etwas von Oliver Sacks lese denke ich automatisch an eine Folge von „Pinky and the Brain” – die, in der das Brain versucht, einen riesigen Roboterkörper zu steuern, dabei aber das Mobiliar im Büro seines Vorstellungsgespräches vernichtet. So ungefähr steuert unser Gehirn unseren Körper. Meistens funktioniert es gut, doch manchmal steht man neben sich und fragt sich: „Warum habe ich das gerade eigentlich gemacht?!”
Unser Gehirn steckt nicht nur hinter der einfachen Motorik und der Verarbeitung externer Reize, es ist auch verantwortlich für optische Täuschungen, Geräusche und Gerüche, die gar nicht da sind, sowie für die Erklärung warum riesige, rosa Kaninchen in unserem Garten leben nachdem wir eine viel zu intensive Petersiliensuppe gegessen haben.
Jetzt hat Dr. Sacks eine neues Buch vorgestellt, The Mind’s Eye, in dem er das Verhältnis unserer Augen zu unserem Gehirn genauer untersucht. Denn als er 2005 im Kino plötzlich einen Teil seiner Sicht verlor, lag das an einem Krebstumor im Auge. In seinem Buch beschreibt er die Monate der Behandlung und der Angst, die er bei verlierendem Augenlicht hatte. Aber er erzählt auch davon wie spannend es zugleich war, sein Gehirn auszutricksen und ihm Sachen vor zu gaukeln, die nicht da waren.
Das Zitat ist aus einem neuen Interview mit Dr. Sacks, geführt von Steve Silberman. Steve ist ein Autor der New York Times und Wired, der nun einen neuen Blog, NeuroTribes, auf der neu errichteten Plattform der Public Library of Science, kurz: PLoS, betreibt. PLoS Blogs ist ein kürzlich von dem bekannten open-access Journal PLoS gegründetes Foyer für Wissenschaftler, ganz ähnlich unseren ScienceBlogs.
Das Interview mit Dr. Sacks ist sehr zu empfehlen. Leider nur auf Englisch, erzählt er unter anderem von seinen Gefühlen bei der Diagnose, seinem Umgang mit nur einem Auge, aber auch von Blinden, die Unglaubliches zu Stande bringen, Braille „sehen” und ihr Haus reparieren – mitten in der Nacht. Aber er erzählt auch in anschaulicher und meiner Meinung nach wunderbarer Weise, was es heißt Wissenschaftler zu sein und warum es so wichtig ist, seine Umwelt bewusst zu beobachten und zu hinterfragen:
Kommentare (2)