Wenn es auch schon lange angekündigt war – die Entscheidung, dass unsere Regierung die Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängert, kam irgendwie überraschend. In den USA wird währenddessen der Bau neuer Atomkraftwerke zum Wahlthema gemacht. Dabei ist für mich nicht so sehr die Frage, wie sicher ein Atomkraftwerk ist. Mich schockiert viel mehr, dass wir in einer Zeit, in der umweltfreundliche Energien eine realistische Alternative werden, Müll produzieren, um den sich wirklich KEINER kümmern wird. Wenn man bedenkt wie unwahrscheinlich es ist, dass ein Politiker seine Versprechen, die er vor der Wahl machte, nach der Wahl noch hält – und wie einfach ein Regierungswechsel die Pläne der alten Regierung ohne „Umweg” durch den Bundesrat ändern kann – dann bezweifele ich wirklich, dass sich in (jetzt kommt’s …) 1 MILLION JAHREN noch jemand darum kümmern wird, dass Atommüll in einem Endlager sicher ist.
Ein Endlager muss die Anforderung erfüllen, seinen Müll von jeglichen Umwelteinflüssen fern zu halten; die Radioaktivität darf nicht in die unmittelbaren Kreisläufe gelangen. Bei vielen Feststoffen und Flüssigkeiten muss das mindestens 1000 Jahre gewährleistet sein. Bei Radionukliden wie Uran und Plutonium hingegen kann erst nach 1 Million Jahren (oder sogar mehr) sicher gestellt sein, dass sie nur noch eine geringfügige Belastung für die Umwelt darstellen.
Das ist eine lange Zeit.
Hier habe ich ein paar Vergleiche zusammengetragen, damit man mal einen Eindruck davon kriegt, wie lange:
- Die Weltbevölkerung des Homo sapiens ist in den letzten 1 Million Jahren 371 346-mal größer geworden (ungefähr).
- Vor 1 Million Jahren war die dominante Art der Gattung Homo noch Homo erectus. (Und von uns war die nächsten 800 000 weiteren Jahre nichts zu sehen.)
- Innerhalb von 1 Million Jahren entstanden und verschwanden zwei Menschenarten: Homo erectus und Homo ergaster.
- 1 Million Jahre sind mindestens viermal so lange wie die komplette Existenz der Art Homo neanderthalensis.
- Der Abstand zwischen unserem Most recent common ancestor(MRCA, Jüngster gemeinsamer Vorfahre) mit den Schimpansen lebte etwa 1 Million Jahre später als der MRCA mit den Gorillas.
- Die MRCAs von Meerschweinchen-und-Nacktmull und Meerschweinchen-Stachelschwein lebten auch nur ca. 1 Million Jahre voneinander getrennt (falls es jemanden interessiert).
- 1 Million Jahre sind ca. 40 000 Generationen von Elefanten, und etwa 26,28 Milliarden Generationen des Bakteriums Escherichia coli.
- Wenn man den Young Earth Creationistsglauben würde, wären 1 Million Jahre etwa 100-mal länger als das Alter unserer Erde.
- Und zurückblickend: in den letzten 1 Million Jahren haben wir uns von Sammlern und Jägern zu Farmern gewandelt; wir haben unsere Umwelt unseren Bedürfnissen angepasst und verändert; wir waren verantwortlich für das Aussterben von mindestens 17 Lemurenarten, mehreren Tausend Vögeln, dem Beutelwolf, dem Quagga, dem Moa, dem Tarpan (zumindest in Europa), mehreren Riesenschildkröten und dem Dodo; wir wurden Künstler, haben Höhlen bemalt und riesige Löwen-Frauen in die Wüste gebaut; wir haben Sklaverei eingeführt und wieder abgeschafft; wir haben gelernt zu fliegen, zu schwimmen, uns schneller als der Schall zu bewegen, unser Wissen schriftlich (permanent?) fest zu halten; wir sind auf dem Mond gelandet, haben Wechsel- und Gleichstrom entdeckt, haben Computer gebaut, das Internet entwickelt, zu viel Fernsehen geschaut, die Welt zubetoniert und … die Kernspaltung als Energielieferer entdeckt.
Und nicht zu vergessen, vor 1 Million Jahren kämpften wir noch mit furchterregenden Monstern, um das Herz von Raquel Welch zu gewinnen.
Wie sieht die Welt dann in 1 Million Jahren aus?
— Mark Twain
Ist es da nicht verantwortungslos von uns, Atommüll überhaupt zu produzieren? Eine Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken zu beschließen, ohne auch nur irgendeine Idee zu haben, was wir mit dem Müll dann eigentlich anstellen – wow, das ist für mich einfach nicht nachvollziehbar …
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