Mal wieder wurde Colony Collapse Disorder (CCD) aufgeklärt. Ich habe mittlerweile den Eindruck dass nach jeder Veröffentlichung einer größeren Studie dazu eine neue Antwort präsentiert wird. Es reicht nicht mehr, miteinander Stücke des Puzzles zu finden und gemeinsam ein ökonomisches wie rätselhaftes Problem zu lösen; nein, wenn man nicht die ultimative Antwort zu Colony Collapse, Bienenkrankheiten und dem ganzen Rest hat, braucht man sich gar nicht um ein Paper bemühen.
Einstein wird gerne zitiert, wenn es darum geht dass der Mensch, sobald Honigbienen ausgestorben sind, nur noch wenige Jahre zu leben hat. Aber abgesehen davon dass Einstein nicht gerade für sein entomologisches Fachwissen bekannt ist, gibt es auch keinen Hinweis darauf dass er so etwas jemals gesagt hat. Es ist nichts weiter als eine moderne Sage. Außerdem sind wir nicht so sehr auf Honigbienen angewiesen, dass wir ohne sie völlig aussterben würden. Zur Bestäubung gibt es viele Alternativen, und der Honig würde dann einfach ein bisschen teurer als sonst. Angeblich schmeckt der Honig von stachellosen Bienen der Gattung Melipona eh viel besser.
Es stimmt aber, dass Honigbienen eine wichtige Rolle im Netzwerk der Natur spielen. Sie bestäuben Blütenpflanzen von großer Vielfalt, und in besonders großer Menge. Würde CCD die Honigbienen komplett dahinraffen, wäre dieses große Loch erst einmal nicht leicht zu füllen.
Aber: CCD wird Honigbienen nicht “dahinraffen”. (So, jetzt ist’s gesagt.) CCD ist nicht einmal eine richtige Krankheit. Anders als bei einer Erkältung, bei der Symptome direkt auf den viralen Erreger zurück zu führen sind, handelt es sich bei CCD um mysteriöse Merkmale, die in einigen Jahren (besonders in den USA im Winter 2006/07) gehäuft in Kolonien auftraten. In anderen Kolonien waren die Merkmale wiederum ganz andere, und in verschiedenen Ländern waren es wieder andere. Manche Länder hatten sich nie über diese Probleme beklagt, für andere erschien es als der Weltuntergang. Trotzdem redet die ganze Welt von CCD. Spanische Wissenschaftler haben in den letzten Jahren mehrfach erklärt, sie hätten des Rätsels Lösung gefunden. Dabei vergaßen sie zu erwähnen, dass es sich bei ihren Forschungen um Honigbienen von spanischen Imkern handelte. Na ja, natürlich haben sie das erwähnt, aber sie behaupteten CCD weltweit erklären zu können. Alleine betrachtet wären die Ergebnisse gar nicht schlecht gewesen, wenn sie sich darauf beschränkt hätten, ihre Ergebnisse vernünftig zu präsentieren. Nach denen sind CCD-ähnliche Symptome in den von ihnen untersuchten Kolonien nicht aufgetreten, wenn man sie mit Fumagillin behandelte. Das war ein interessantes Ergebnis und hätte dazu führen können, dass der Pilz Nosema ceranae, den Fumagillin unterdrücken sollte, als Krankheitserreger in kommerziellen Kolonien genauer untersucht würde. Stattdessen verloren die Autoren dadurch, dass sie Bienensterben weltweit in einen Topf warfen und eine Lösung für alle Bienenvölker vorstellten, in den Bienenkreisen viel Respekt.
Es ist einfach viel zu verlockend, aus seinen Ergebnissen etwas zu machen, dass die Medienwelt aufhorchen lässt. Aber eine übertriebene Interpretation der eigenen Daten ist in meinen Augen auch nichts anderes als falsche Daten zu präsentieren. In einer Welt, in der man meist nur noch den Abstrakt liest, gehen die interessanten Aspekte einer Studie meist verloren.
Ist CCD jetzt tatsächlich geklärt?
Wenn ich “CCD” schreibe, dann beziehe ich mich auf die US-amerikanische Situation. Mysteriöses Verschwinden von Bienen passierte in den letzten Jahren zwar weltweit, aber die Symptome sind überall unterschiedlich. Einfaches, wenn auch starkes, Bienensterben kann oft allein durch einen schweren Winter erklärt werden, und in Deutschland ist weiterhin die Milbe Varroa destructor ein Problem für die Imker.
Die Symptome in den USA sind ganz spezifische: die adulten Arbeiterinnen sind fort, aber gesunde Larven und genügend Futter sind im Nest zurückgelassen. Bisher gab es mehrere Verdächtige, meist Pathogene, von denen bekannt war, dass sie bei Bienen Krankheiten verursachen. IAPV (Israeli Acute Paralysis Virus) war einer der ersten Viren, für den ein Zusammenhang zu CCD hergestellt wurde. Mittlerweile hat man jedoch bestätigt, dass er schon lange vor CCD-Ausbrüchen in US-Populationen vorhanden war und auch die ausgelösten Symptome nicht mit denen von CCD ohne weiteres überein stimmten. Andere RNA-Viren wurden vermutet, da viele RNA-Fragmente in Bienen aus CCD-Völkern gefunden wurden. Das Mikrosporidium (das ist ein ganz bestimmter einzelliger Pilz) namens Nosema ceranae wurde häufig gefunden, und (siehe oben) mehrfach als Lösung angeführt. Allerdings ist Nosema auch in Bienenvölkern zu finden, die keinerlei gesundheitliche Probleme zeigten (und auch nicht plötzlich unerklärlich verschwanden).
Im aktuellen Paper wurde nun ein neuer Virus präsentiert: IIV (Invertebrate Iridescent Virus). Im Gegensatz zu den oben erwähnten Viren handelt es sich hier um einen DNA-Virus. Mit einem proteomischen Verfahren namens MSP (eine Untersuchung einer großen Reihe von Peptiden aus kranken und gesunden Völkern) fanden die Forscher, dass der Virus in fast allen CCD-Kolonien, nicht aber in Kontrollen aus Australien und Montana auftauchte. Ein ähnliches Bild ergab sich für Mikrosporidien der Gattung Nosema. In verschiedenen CCD-Kolonien fanden sie diese Korrelation zwischen Nosema und IIV.
Ein interessantes Ergebnis. Während viele Studien einzelne Übeltäter verantwortlich machen wollten, könnten es jetzt zwei sein. Das würde auch Diskrepanzen zwischen bisherigen Untersuchungen erklären, und könnte eine Erklärung dafür sein, warum CCD so ein spezieller Fall ist und eigentlich nur im Winter 2006/07 überraschend stark gewütet hat. Seitdem hat sich die Situation fast wieder normalisiert und die Fälle von Bienensterben über den Winter sind in mehr oder weniger alte Verhältnisse zurück gekehrt.
Das Problem ist aber, dass wir hier bislang nur eine Korrelation haben. Es wäre eine elegante Erklärung, aber eine direkte Bestätigung dafür, dass diese beiden Pathogene für CCD verantwortlich sind, gibt es bislang nicht. Die Wissenschaftler haben außerdem Bienen infiziert und eine leicht erhöhte Sterblichkeit ausgemacht, wenn sie Virus und Mikrosporidium gemeinsam verfütterten. Leider war aber dadurch auch die Dosis erhöht, was das Ergebnis doch stark fragwürdig erscheinen lässt. Und die einzige Korrelation zwischen Pathogendichte und Sterberate kommt von einer einzelnen Kolonie, die über den Verlauf der “Collapse” beobachtet wurde. Die in der Pathologie typische Methode um experimentell eine Ursache-und-Wirkungs-Beziehung nachzuweisen – das geben die Autoren offen zu – haben sie bislang nicht durchgeführt. Das sind nicht zu ignorierende Schwächen der Studie.
Die Foscher geben dem Leser aber den Eindruck, dass mit dieser Studie das Geheimnis um CCD gelüftet wurde. Die nächsten Schritte wären demnach Maßnahmen zur Bekämpfung:
We next need to … develop management practices to reduce honey bee losses.
Leider ignoriert die Presse die Probleme bei so einer Veröffentlichung meist zu Gunsten der spannenderen Überschrift – die New York Times verkünden derweil schon mal “Honey Bee Killer Found by Army and Entomologists: Scientists and Soldiers Solve a Bee Mystery”. Wenn wir Korrelationen zu Ursachen machen, dann laufen wir Gefahr, mit Scheuklappen bestückt in die falsche Richtung zu laufen.
Schade eigentlich, denn die Ergebnisse können sich sehen lassen. Es scheint mir nur immer schwieriger zu werden, Daten als das zu publizieren was sie sind: Teile eines Puzzles.
Bromenshenk, J., Henderson, C., Wick, C., Stanford, M., Zulich, A., Jabbour, R., Deshpande, S., McCubbin, P., Seccomb, R., Welch, P., Williams, T., Firth, D., Skowronski, E., Lehmann, M., Bilimoria, S., Gress, J., Wanner, K., & Cramer, R. (2010). Iridovirus and Microsporidian Linked to Honey Bee Colony Decline PLoS ONE, 5 (10) DOI: 10.1371/journal.pone.0013181
Kommentare (10)