… außer im Lichte der Evolution.
Dies ist wahrscheinlich eines der bekanntesten und am Häufigsten gebrauchten Zitate aus der Evolutionsbiologie. Man findet es irgendwann sicher in jedem Biologiestudium, am Anfang von Biologietextbüchern, zur Einleitung von Papern und letztendlich auf irgendwelchen … Blogs. Genau, mir gefällt das Zitat so gut, dass ich es für meine Blogbeschreibung schamlos ausgenutzt habe. Warum? Na, weil es sich doch toll anhört und super in einen Blog über Evolution passt, oder?
Aber steckt da eventuell nicht etwas mehr hinter? Vielleicht macht tatsächlich nichts Sinn ohne Berücksichtigung von den zu Grunde liegenden evolutionären Prozesse. Oder handelt es sich bei dem Zitat um eine übertrieben gebrauchte Floskel, die völlig aus seinem Zusammenhang gerissen wurde?
Der Mensch inmitten der Vielfalt von Säugetieren. Nach Olaf Bininda-Emonds et al. 2007. (PDF)
Molekular oder organismisch?
Es ist tatsächlich so, dass das Zitat ursprünglich eine ganz spezielle Bedeutung hatte. Es stammt vom ukrainischen Wissenschaftler Theodosius Dobzhansky, der es erstmals im Sommer 1964 bei einem Treffen der American Society of Zoologists benutzte. Als Präsident dieser Gesellschaft hielt er eine lange Rede darüber, welchen Platz organismische Biologie in einer zunehmend von der molekularen Forschung bestimmten Welt hat. Er widmete sich dabei den Kommentaren von Kollegen, die alles, das nicht Molekularbiologie ist, als “Vögel beobachten” oder “Schmetterlinge sammeln” bezeichneten. Es war Dobzhansky wichtig, den Organismus weiterhin im größeren Zusammenhang zu sehen:
Er plädierte für interdisziplinäre Forschung und unterschied zwischen zwei Fragestellungen: „Wie Dinge sind” und „wie Dinge so wurden wie sie sind”. Evolution, so meint er, könne Molekularbiologie und organismische Biologie verbinden wie sonst nichts in der Biologie.
Bekannt wurde das Zitat erst neun Jahre später, durch seinen berühmten Aufsatz mit gleichem Titel. Dort jedoch benutzt er es in einem ganz anderen Zusammenhang. Die Formulierung “im Lichte der Evolution” führt angeblich zurück zum Jesuiten, Geologen und Paläontologen Pierre Teilhard de Chardin. Dobzhansky und er hatten nämlich gemein, dass sie davon überzeugt waren, Religion und Wissenschaft verbinden zu können.
Dobzhansky glaubte, dass Gott die Welt geschaffen hatte und Evolution dessen Mechanismus für die Entstehung der Artenvielfalt war. In seinem Text kritisierte er anti-evolutionäre Kreationisten, und erklärte, dass die Artenvielfalt nicht durch eine Schöpfung erklärt werden könnte. Es seien einfach viel zu viele Lebewesen, die viel zu perfekt in ihre jeweiligen Nischen passten, als dass sie vor Tausenden von Jahren allesamt geschaffen worden sein könnten.
Es ist irgendwie interessant, dass Theodosius Dobzhansky nicht auch noch den letzten Schritt gemacht hat und die Existenz eines allmächtigen Schöpfers als ebenso absurd betrachtete.
Dobzhanskys Hammer
Es mag viele wissenschaftliche Untersuchungen geben, die den Begriff Evolution nicht erwähnen, Studien, die sich voll und ganz auf ihren physiologischen, medizinischen oder genetischen Kern konzentrieren. Im Schulunterricht wird Evolution (wenn überhaupt) als separates Thema behandelt, als ob man mit Mendelscher Genetik und der Entstehung des Menschen so das Thema zügig vom Tisch fegen könnte. Der Entomologe Ray Fisher von der Universität in Arkansas/Fayetteville möchte dies ändern. Sein Konzept heißt „Dobzhanskys Hammer” – statt irgendwann auf Evolution zurück zu kommen, möchte er Vorlesungen für Studenten mit Evolution beginnen. Ein phylogenetischer Stammbaum ist mehr als nur ein Wirrwarr von Beziehungen; es ist ein Leitfaden, an dem man sich orientieren kann, wenn man verstehen möchte wie Eigenschaften von Tieren und Pflanzen im Zusammenhang stehen. Die Käfervielfalt mag auf Anhieb einschüchternd wirken (immerhin machen diese krabbelnden Insekten ein Viertel aller bekannten Arten aus), aber sie wird übersichtlich, wenn man sieht, welche Anpassungen die einzelnen Gruppen gemein haben.
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