Als Biologe gibt es wahrscheinlich nichts Schlimmeres als sich für alles Mögliche zu interessieren. An irgendeinem Punkt muss man sich doch irgendeine konkrete Richtung suchen, in die man forschen möchte; eine Frage, der man die nächsten zehn oder zwanzig Jahre nachgehen möchte; eine Methode, die man so interessant findet, dass man sie auf Hund und Katze und Koboldmaki anwenden möchte. Normalerweise verläuft die wissenschaftliche Karriere beunruhigend linear, wie in dieser wunderbaren Illustration zu erkennen ist:
Wenn dann aber jemand kommt, der sich weigert, in diese Schublade gesteckt zu werden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er sein Studium nicht mit einer Professur abschließen wird. Oder: er wird ein Genie.
Ein kleiner Artikel zum Todestag von J. B. S. Haldane
(weil sein Geburtstag schon letzten Monat war)
Ich weiß nicht ob jeder einen Lieblingsbiologen braucht. In vielerlei Hinsicht kann ich aber sagen, dass John Burdon Sanderson Haldane nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen anderen Wissenschaftlern, Philosophen und sogar Science Fiction-Autoren einer der beliebtesten Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts war. Eventuell lag es an seinen unzähligen, bekannten Zitaten, auf die man immer wieder stößt (wenn jemand welche kennt, möge er sie gerne in den Kommentaren ergänzen); oder daran, dass man sich irgendwie in ihm selbst wieder finden kann. Zu seinem 100sten Geburtstag schrieb der Genetiker James F. Crowe über Mr. Haldane: “Er machte zu viele Sachen, hatte zu viel Zerstreuung, er war zu vielseitig, er interessierte sich zu sehr für die Arbeiten anderer, und er war zu aufgeschlossen, als dass er spezifische Ideen verfolgte.”
J. B. S Haldane war einer der bekanntesten Genetiker des letzten Jahrhunderts. Nach ihm benannt ist die Briggs-Haldane Gleichung, eine Abwandlung der Michaelis-Menten-Gleichung; und die Haldane-Regel: In Säugetieren, Vögeln und verschiedenen Insekten ist es demnach immer das heterogamete Geschlecht (das mit zwei verschiedenen Geschlechtschromosomen, bei uns also die Männer), welches bei der Kreuzung unterschiedlicher Arten steril oder einfach seltener ist.
Aber solch Kleinigkeiten sind genauso wenig der Grund für seine Bekanntheit wie die ganzen Publikationen, die er über sein Leben verteilt produziert hat. Haldane liebte es, die Wissenschaft populär zu machen. Auf die verschiedensten Arten. Der Historiker (und “singende Darwin”) Richard Milner bezeichnete ihn als “einen der großen Lausebengel in der Wissenschaft” (im Englischen: one of the great rascals of science). Er bezog sich wahrscheinlich darauf, dass Haldane nie ein Blatt vor den Mund nahm, wenn es darum ging, etwas auf den Punkt zu bringen. In einer neuen Einleitung zu einem seiner bekanntesten Texte – Daedalus, or Science and the Future (1924), einem fiktiven Aufsatz über die revolutionäre Rolle der Biologie, in dem er das “Retortenbaby” vorhersagte – schreibt er:
Haldane war bei Weitem kein vorbildlicher Biologe. Er lernte Mendelsche Genetik durch Experimente mit den Mäusen seiner Schwester, trank Salzsäure um den Effekt auf seine Muskeln zu untersuchen und nachdem er gelernt hatte, während des Redens ein und aus zu atmen, irritierte er seine Kollegen mit Vorträgen ohne Atempausen. Bei einem Versuch in einer Dekompressionskammer durchlöcherte er aus Versehen sein Trommelfell, was ihn zu der Aussage bewegte: “Das Trommelfell heilt wieder. Und wenn ein Loch zurückbleiben sollte, ist man zwar etwas taub, aber man kann Tabakrauch durch das entsprechende Ohr ausblasen – was eine ziemlich unterhaltsame Leistung darstellt.” Sein Biograph bezeichnete Haldane als “cuddly cactus”, ein anschmiegsamer Kaktus, und es ist nicht schwer zu verstehen, was er damit meinte.
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