Manche Forschungsvorhaben sind so komplex, dass man selbst nach mehreren Erfolgen immer noch nicht genau weiß was man da eigentlich hat. Momentan wird von Wissenschaftlern und Medien viel über das Menschliche Genom gestritten. Hat es jetzt, 10 Jahre später, etwas gebracht, dass wir all unsere Basenpaare in der richtigen Reihenfolge kennen? Können wir deshalb jetzt Krankheiten schon bei der Geburt bekämpfen und GATTACA-Kinder schaffen? Nein – also warum dann der ganze Aufwand?! Wenn man die Tageszeitungen zu diesem Thema liest, meint man, es gäbe nur schwarz und weiß. Erst wenn ein großes Ziel erreicht ist, hat sich die Forschung gelohnt. Wenn man Craig Venter, dem Leiter des privat finanzierten Humangenomprojektes, welches mit dem staatlichen damals konkurrierte, so zuhört, könnte man denken, dass wir am Ende nur “ein paar wissenschaftliche Analysen” mit dem milliardenschweren Datensatz machen können. Tatsächlich war das Genomprojekt jedoch in erster Linie ein technischer Durchbruch, der uns helfen wird, den Weg vom Genotyp (unserem Erbgut) zum Phänotyp (wer wir sind) zu verstehen. Etwa wie ein Puzzleteil auf dem Weg zum besseren Verständnis der lebenden Welt.

Solche Puzzleteile sind es, die uns Wissenschaftler tagtäglich beschäftigen. Das Spannende dabei ist, dass wir weder wissen wie das fertige Bild aussieht, noch wie viele Teile weiterhin fehlen. Wissenschaft ist ein andauernder Prozess – meist mit einem klaren Anfang (der Frage „Häh?”) aber häufig ohne definitives Ende. Es kommt darauf an was wir aus den Puzzleteilen lernen.

Und dann kommt ab und zu ein Teil, das wir schon ganz lange gesucht haben. Wir wussten, es musste doch irgendwo sein, dort bei den braun-beigen Stapeln, wo wir schon x-mal geschaut hatten.

So ein Teil ist AL 333-160.

Ein entscheidender Moment in der Evolution des Menschen, war der, als wir den aufrechten Gang entwickelten. Denn der erlaubte schließlich die Veränderung der Zehen, des Beckens, der Wirbelsäule und letztendlich des Schädels, die uns alle zu dem Menschen machen, der wir heute sind. Angefangen hat das mit der Gattung Ardipithecus. Bei dem berühmten Australopithecus afarensis war der große Zeh bereits nach vorne direkt neben die anderen vier Zehen “gerutscht”.

Was man aber bisher nicht wusste, war, ob Australopithecus auch schon aufrecht ging, oder noch in einer leicht gebückten Haltung, wie sie bei vielen heutigen Affen erhalten geblieben ist. Der entscheidende Fußknochen dafür fehlte nämlich bei allen Australopithecus-Skeletten, die man bisher gefunden hat.

lucy.jpgLucy, der Vorzeige-Australopithecine (benannt, über Umwege, nach einer Klassenkameradin von John Lennons Sohn Julian), lebte vor ca. 3,2 Millionen Jahren. Überreste des Skeletts fand man in den 70er Jahren in Äthiopien. Fast die Hälfte aller Knochen waren erhalten, aber um genaueres über die Gangart sagen zu können, braucht man den vierten Mittelfußknochen. Diesen fand man jetzt ganz in der Nähe von Lucys Skelett. Der Knochen wurde AL 333-160 genannt – jedes Skelett bekommt seinen eigenen Namen, selbst wenn es nur ein paar Knochen sind (Lucy heißt übrigens AL 288-1). Laut Carol Ward, William Kimbel und Donald Johanson, die über diesen Fund gerade in Science berichteten, ist dieser Knochen entscheidend bei der Unterscheidung eines Affen- und Menschenfußes, wenn man ihn im Längsschnitt betrachtet. Diese Knochen wirken als Stoßdämpfer und erlauben es, den Fuß beim Gehen abzurollen. Der Mensch hat dadurch im Vergleich zum Schimpansen (Pan troglodytes in der Abbildung) eine gebogene Fußform. Sehen kann man das an der mit dem blauen Pfeil gekennzeichneten Kurve. Der Ansatz des Knochens am Zeh (in diesem Fall: der “Ringzeh” des linken Fußes) ist beim Menschen wesentlich weiter oben als beim Schimpansen. Zwangsläufig ergibt sich so ein Gewölbe am Fußrücken.

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Der Knochenfund fügt sich in eine Reihe anderer Funde, die alle zeigen, dass Lucy und ihre Verwandten dem heutigen Homo schon sehr ähnlich waren. Ihre Wirbelsäule hatte eine typische S-Form, perfekt um Schwingungen zu dämpfen. Ihre Hüfte ermöglichte eine balancierte Bewegung, was bei einem Gang mit nur zwei Extremitäten notwendig ist. Nun weisen auch die Füße darauf hin, dass sich Australopithecus afarensis dem heutigen Menschen ähnlich bewegt hat.

Heißt das, wir wissen jetzt genau wie Lucy sich bewegte? Natürlich nicht. Die Handknochen lassen eher darauf schließen, dass sie weiterhin eine geschickte Kletterin war. Außerdem sagen uns die Knochen nicht viel über die Ökologie der Hominiden zu der Zeit. Doch der Fund ist ein Puzzleteil, das uns hilft, das ganze Bild besser zu verstehen.

Das Puzzle geht weiter.

ResearchBlogging.org
Ward, C., Kimbel, W., & Johanson, D. (2011). Complete Fourth Metatarsal and Arches in the Foot of Australopithecus afarensis Science, 331 (6018), 750-753 DOI: 10.1126/science.1201463

Kommentare (21)

  1. #1 MartinB
    Februar 12, 2011

    Sehr interessant, danke.
    Und du hast “Ringzeh” gesagt – mich gucken immer alle schräg an, wenn ich das tue, aber nun kann ich mich ja auf einen Biologen berufen.

  2. #2 Nils
    Februar 12, 2011

    Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht wie man den Zeh besser beschreiben kann. Und bei “Ringzeh” weiß zumindest immer jeder Bescheid wovon ich rede. Na ja, zumindest können sie erahnen wovon ich rede. 😉

  3. #3 Knox
    Februar 13, 2011

    Wirklich gut erklärt.
    Dass man an Beckenform und Wirbelsäule einiges zum aufrechten Gang ablesen kann wusste ich ja schon, aber das mit dem Fußknochen war mir dann doch noch unbekannt.
    Habe wieder was dazu gelernt.
    Danke!

  4. #4 Heterodyne
    Februar 13, 2011

    Sehr spannend. Was für weitreichende Wirkungen so “dumme” Details haben können.

  5. #5 Eric
    Februar 13, 2011

    Was man vielleicht noch erwähnen könnte, ist das dieser Fund, so die ursprünglichen Interpretationen denn stimmen (in der Paläoanthropologie wird gerne mal leicht übers Ziel hinausgeschossen), auch die Schlussfolgerungen die man aus den Fußspuren von Laetoli (Tansania), die ebenfalls A. afarensis zugeordnet werden, bestätigen. Dort hat man nämlich auch schon festegestellt, dass ihre Verursacher über ein Fußgewölbe verfügt haben und zumindest in der Lage waren ihren großen Zeh “anzulegen”. So furchtbar neu sind diese Erkenntnisse daher nicht, aber es ist auf jeden Fall etwas besser einen tatsächlichen Knochen zu haben, als nur ein paar Spuren in versteinerter Vulkanasche.

    Aber du hast auf jeden Fall Recht mit deinem letzten Satz, die Knochen alleine helfen uns nicht weiter herauszufinden, wie und warum dieser Veränderungen stattgefunden haben. Aber sie helfen uns dabei den Zeitpunkt wann diese Veränderungen eingetreten sind besser bestimmen zu können und dadurch auch bessere Modelle für die Evolution dieser Merkmale aufstellen zu können.

  6. #6 Nils
    Februar 14, 2011

    @Eric:
    Danke für die Ergänzung. Übrigens habe ich mich gerade in deinem Blog verloren. Sehr spannende Themen. Wenn jemand Interesse daran hat, über ein paar Gedanken zum aufrechten Gang bei Affen zu lesen und dazu ein wirklich beeindruckendes Video von einem aufrecht gehenden Gorilla zu sehen, sowas gibt’s auf Erics Blog: Der aufrechte Gang bei Menschenaffen: Was man von Ambam lernen kann.

  7. #7 Basilius
    Februar 14, 2011

    Interessanter Artikel und schön geschrieben. Danke dafür.

    @MartinB
    Danke auch, für die Erwähnung der Problematik in der Bezeichnung des “Ringzehs”. Ich kann das nur zu gut verstehen, da ich auch den Begriff “Zeigezeh” benutze, um die Zehen eindeutig referenzieren zu können. Mir erscheint die Analogie zur Nomenklatur bei der Hand absolut sinnvoll und logisch. Aber ich ernte da auch immer schräge Blicke. Warum nur? Wie soll man die Dinger denn sonst nennen?

  8. #8 Ralf
    März 18, 2011

    Scöner Artikel.
    Beim durchlesen ist mir allerdings eine frage durch den Kopf gegangen.
    Ich bin bisher immer davon ausgegangen dass die Hände von Affen und Menschen ziemlich identisch sind. Was macht dann eine gute Kletterhand aus?

  9. #9 Nils
    März 18, 2011

    @Ralf:
    Es gibt schon einige Unterschiede zwischen z.B. der Schimpansenhand und der des Menschen. Die Phalangen zum Beispiel (die äußeren 3 Knochen an jedem Finger) sind bei Schimpansen eher etwas gebogen als bei uns. Dadurch wird weniger Stress auf diese Knochen ausgeübt, wenn sie einen Ast umgreifen. Der Hauptunterschied jedoch besteht meines Wissens aus dem Längenverhältnis von Daumen und Fingern. Im Verhältnis ist unser Daumen sehr lang und wir gebrauchen ihn fast andauernd. Viele Affen benutzen aber ausschließlich die anderen vier Finger, um etwas zu halten. Der Daumen hat dabei eine untergeordnete (leicht stützende) Funktion. Dieses andere Verhältnis hilft Schimpansen aber, um sich an Äste zu “hängen”.

  10. #10 paule
    Mai 10, 2011

    Schon erstaunlich, daß man die evolutionäre Entwicklung des Menschen so gut anhand vieler Zwischenstufen nachweisen kann.

    Nur bei den anderen Millionen Arten findet man keine einzige Zwischenstufe.

  11. #11 paule
    Mai 10, 2011

    Ist Lucys Fuß nun wirklich interessant für uns?

    Ich denke, eine ganz andere evolutionäre Entwicklung in anscheinend allerjüngster Zeit sollte vordringstlich von der Forschung untersucht werden. Die Menschheit hat sich genetisch elementar gespalten! AIDS bekommen nur Nichtjuden:

    https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/5572

  12. #12 HaDi
    Mai 10, 2011

    Die Menschheit hat sich genetisch elementar gespalten! AIDS bekommen nur Nichtjuden: https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/5572

    Sach mal, kannst Du nicht lesen…? In den Artikel steht das genaue Gegenteil…
    Nur ist AIDS bei den Juden so ein großes Tabu, dass niemand darüber spricht.

  13. #13 jitpleecheep
    Mai 10, 2011

    paule, komm jetzt ja nicht auf die Idee, dass ich MIT dir reden täte, aber diesen Quatsch kann man wohl kaum stehen lassen:

    Worum es in paules Link geht, ist das Juden sich *schämen* zuzugeben, das sie AIDS-infiziert sind.

    Und damit gar keine Zweifel über die jüdische Allgemeine aufkommen, die ersten Sätze des Artikels sind “Die in Deutschland lebenden Juden haben kein Aids. Schön wäre es, doch die Aussage ist falsch. Statistisch gesehen sind auch Juden von der Immunschwäche betroffen, nur man kennt sie nicht.”

    Herrje, kann man diesen Spinner nicht einfach global auf scienceblogs sperren?

    (For the record, natürlich gibt es auch gut belegte Zwischenstufen andernorts, berühmte Beispiele sind das Pferd und der Wal.)

  14. #14 HaDi
    Mai 10, 2011

    Ne, das kann man nicht stehen lassen… das kommt imho von den Hamer-Freaks, die ja auch glauben, Juden bekämen kein Krebs (und das ganze begründete sich an einem Tippfehler in einem Artikel)

  15. #15 noch'n Flo
    Mai 10, 2011

    @ paule:

    Soso, ein Anhänger der NGM bist Du also auch noch?

    Deine bisherigen Kommentare hatten ja schon darauf hingedeutet – jetzt wissen wir also genau, dass Du nicht mehr und nicht weniger als ein tiefbrauner Furz bist. Von Scheisse kommt halt nur Scheisse!

    @ Nils und alle anderen SBlogger:

    Ich beantrage hiermit SB-Generalsperre für “paule”. Zu unserer aller Erleichterung.

  16. #16 Unwissend
    Mai 10, 2011

    “Ich beantrage hiermit SB-Generalsperre für “paule”. Zu unserer aller Erleichterung.”

    Bin mit dabei

  17. #17 jitpleecheep
    Mai 10, 2011

    Ich beantrage hiermit SB-Generalsperre für “paule”. Zu unserer aller Erleichterung.

    +1

  18. #18 Muddi & theBlowfish
    Mai 10, 2011

    Schmeisst ihn (paule) raus!

  19. #19 stl
    Mai 10, 2011

    Ich beantrage hiermit SB-Generalsperre für “paule”. Zu unserer aller Erleichterung.

    Ich auch.

  20. #20 Schmidts Katze
    Mai 11, 2011

    *PLONK* @paule

  21. #21 MisterX
    Mai 22, 2011

    “Ist Lucys Fuß nun wirklich interessant für uns?”

    Gegenfrage:

    Sind paules Kommentare nun wirklich interessant für uns?

    gruß