Die letzten paar Jahre habe ich mich ja damit auseinander gesetzt, wodurch die kritischen Schwankungen von Hummelpopulationen in den USA zu Stande kommen. Das ist zwar wichtig und wir haben auch ein paar ziemlich interessante Ergebnisse gefunden, aber spannend wird sowas eigentlich erst wenn man sich dazu ein Experiment ausdenkt. In der aktuellen Ausgabe von Evolution findet sich ein Artikel, in dem die Wissenschaftler genau das gemacht haben: Sie haben beobachtet, wie eine Pflanze evolviert, wenn die Hummeln plötzlich entfernt werden.

bumble_bee_in_flight.jpg

Mimulus guttatus, die gelbe Gauklerblume (und nicht zu verwechseln mit der Mimbulus aus Harry Potter) ist eine perfekte Pflanze für so ein Experiment. Zum einen ist es immer nett wenn man das Genom des Organismus kennt, bei dem man evolutionäre Veränderung untersuchen möchte. Zum anderen gibt es in dieser Gattung verschiedene Formen der Fortpflanzung: Manche Arten betreiben Inzucht, da sie so klein sind, dass Staubblätter (umgangssprachlich das “männliche” Organ) und Fruchtblätter (der Pollen empfangende, “weibliche” Teil der Pflanze) ganz dicht beeinander stehen und der Pollen zwangsläufig von Staub- zu Fruchtblättern übertragen wird. Andere Arten benötigen Insekten (oder Wind) zur Pollenübertragung, was man “Outcrossing” (Auskreuzung) nennt.

Bei Mimulus guttatus handelt es sich um eine auskreuzende, von Hummeln bestäubte Art, die vornehmlich in Nordamerika vorkommt, aber auch vereinzelt nach Europa eingeschleppt wurde.

So, zum eigentlichen Experiment. Es ist eigentlich unheimlich simpel, quasi ein klassisches wissenschaftliches Experiment, wie man es fast im eigenen Garten durchführen könnte. Alles was die Forscher machen mussten, war zwei Mimulus-Populationen von in freier Natur gesammelten Samen groß zu ziehen. Die eine Gruppe wurde in einem Gewächshaus gehalten, in dem Hummeln frei herum flogen und Pollen sammelten (die Kontrollgruppe). Im anderen Gewächshaus gab es keine Hummeln. Die produzierten Samen wurden von allen Pflanzen eingesammelt und für die nächste Generation neu ausgesäät.

Welche Veränderungen konnte man nach mehreren Generationen bei den Pflanzen erkennen?

Es ist einfach, schnell eine Hypothese dazu aufzustellen, was passieren wird, wenn wir einen kleinen Blick zurück auf die schon von Darwin aufgestellten Voraussetzungen für natürliche Selektion werfen:

1) REPRODUKTION: Wie oben erklärt – ja, die Pflanzen “pflanzen” sich fort.

mimmulus1.jpg2) ERBLICHKEIT: Die Nachkommen erben gewisse Eigenschaften der Eltern. Auch das ist gegeben, denn sonst wären wir nicht in der Lage Mimulus guttatus von Mimulus nasutus (rechts) zu unterscheiden.

3) VARIATION IN MERKMALEN: Wenngleich bei der untersuchten Art alle Staubgefäße recht weit vom Fruchtblatt entfernt sind, gibt es doch ein gewisses Maß an Variation. Der Abstand schwankt um beinahe 2 mm.

Im Experiment wurden keine Bestäuber zugelassen. Die Pflanzen mussten sich also selbst helfen. Die einzige Lösung in diesem Fall war Inzucht. Die Pflanzen, deren Staubgefäße näher am Fruchtblatt waren, sollten den anderen gegenüber einen Vorteil haben. Und da alle Pflanzen unter einem größtmöglichen Selektionsdruck standen – können die Pollen das Fruchtblatt nicht erreichen, gäbe es kein Fortbestehen – würden wir erwarten, dass diejenigen einen Vorteil haben, deren Abstand etwas kleiner ist.

Tatsächlich lief es darauf hinaus, dass es den Hummellosen Pflanzen sehr schnell sehr schlecht ging. Sie produzierten nur noch 2 Samen statt den bis zu 10 der Kontrollpflanzen. Nach ein paar Generationen stieg die Anzahl Samen aber an, bis am Ende des Experiments (insgesamt lief es über 5 Generationen) einige Pflanzen genauso erfolgreich mit Inzucht zurecht kamen, wie vorher mit Auskreuzung. Spannend wird es wenn man sich jetzt morphologische Veränderungen der Pflanzen anschaut. Der mittlere Abstand von Staub- und Fruchtblättern verringerte sich um bis zu 0,36 mm. Das ist gar nicht wenig. Nicht verändert hat sich das generelle Aussehen der Pflanze (Blüte und Blätter).

mimmulus2.jpg

Die Forscher haben noch andere Ergebnisse zu Allelfrequenzveränderungen (leichte Reduktion der Vielfalt) und ein paar Hypothesen zur Evolution von Inzucht diskutiert. Alles nicht uninteressant, aber beeindruckend finde ich wie simpel so Evolution in Aktion gezeigt werden konnte. Die Folgen, die Studien wie diese für Ökosysteme der Erde aufzeigen, sind hingegen weitreichend. Denn die Hypothese, dass das Fehlen von Bestäubern Pflanzen zu Inzucht evolvieren lässt, zeigt gleichermaßen wie schwerwiegend ein Ungleichgewicht in den Insekten-Pflanzen-Interaktionen sich auf die Pflanzenvielfalt auswirken kann. In diesem Versuch hat Mimulus guttatus nach ein paar Generationen die Kurve gekriegt. Außerhalb der Gewächshäuser sollte man darauf nicht unbedingt wetten.

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Kommentare (29)

  1. #1 roel
    September 7, 2011

    @Nils Cordes Sehr interessanter Beitrag. Was mich zusätzlich interessiert: Was passiert, wenn die veränderten Pflanzen wieder durch Hummeln bestäubt werden können? Entwickeln die sich dann wieder zurück oder bleiben sie so?

  2. #2 Lars Fischer
    September 7, 2011

    @roel:
    Ich denke in dem Fall wird es etwas komplizierter, weil der Selektionsdruck hin zur Hummelbestäubung ja nicht mehr so drastisch ist. Es kommt dann darauf an, ob sexuelle Fortpflanzung gegen Selbstbestäubung selektiert wird, was in diesem Versuchsaufbau ja eben nicht der Fall ist.

    @Nils Cordes:
    Gibt es eigentlich äquivalente Erkenntnisse aus dem Freiland? Einige Hummelarten in Nordamerika sind ja in großen Regionen schon verschwunden.

  3. #3 roel
    September 7, 2011

    @Lars Fischer vielen Dank für die Antwort. Wäre interessant gewesen, wenn das auch uuntersucht worden wäre.

  4. #4 Stefan W.
    September 7, 2011

    Durch Inzucht sollte es dann aber weniger Variation geben, und daher ein größeres Risiko erwachsen, sich in eine Evolutionsnische hineinzuentwickeln, oder.

  5. #5 Geoman
    September 8, 2011

    Solche Experimente, wie das hier vorgestellte, werden immer wieder als Beweis für Darwins klassische Vorstellung von der natürlichen Selektion als Motor der Evolution angeführt. Doch auch hier stellt sich die Frage nach der Reichweite der Aussagekraft des Experimentes oder dieses Evolutionsfaktors.

    Tatsächlich bedarf es vermutlich nur geringfügigster genetischer Veränderungen damit Staub- und Fruchtblätter so nah zusammenwachsen, dass eine Inzuchtbefruchtung möglich ist oder die Pflanzen sind sogar vorangepasst, d. h. diese Variation ist bereits im Genpool vorhanden, kommt aber unter natürlichen oder normalen Bedingungen kaum zum tragen..

    Man sollte also bei der Interpretation dieses Experimentes die Kirche im Dorf lassen. Es sagt sehr wenig oder sogar nichts darüber aus, wie völlig Strukturen und Funktionen in der Natur entstehen und durchsetzen.

  6. #6 Nils
    September 8, 2011

    @Lars Fischer:
    Das mit dem Freiland ist so eine Sache. Es gibt viele Studien zum Einfluss von Urbanisierung, Pestiziden, Diversitätsverlust etc. auf die Hummeln, aber es ist fast unmöglich, den Effekt der Hummelschwankungen auf die Pflanzenvielfalt in der Natur zu bestimmen. Theoretisch hätten wir in unserer Studie gleichzeitig die Pflanzendiversität aufnehmen sollen, um zu schauen, ob es da Korrelationen mit gewissen Arten oder z.B. Hummeldichte gibt, aber ich denke unsere Studie war auch so schon kompliziert genug. Es gibt aber ein paar sehr schöne mathematische Modelle dazu, was passiert wenn manche Bestäuber aus einem Ökosystem verschwinden. Die Arbeiten von Jane Memmott sind da sehr zu empfehlen: u.a. Tolerance of pollination networks to species extinctions
    Übrigens hatte ich gar nicht gemerkt, dass du über unsere Publikation berichtet hattest. Ein sehr schöner Artikel. Es ist schon traurig wie viele Themen in den Medien tatsächlich B-Movie-Qualität bekommen. Erst wenn man selbst an so einem Problem arbeitet, sieht man, wie komplex solche Themen sein können …

    @Stefan W.:
    Ich bin zwar nicht ganz glücklich mit der Formulierung “in eine Evolutionsnische hineinentwickeln” (es ist eher so, dass Organismen, wenn die Möglichkeit besteht, eine Nische beanspruchen; bei dir hört es sich so an als wäre das ein Problem), aber du hast völlig Recht. In dieser Studie nahmen die “Keine Hummel”-Populationen an Heterozygotie ab, d.h. Allele gingen verloren. Sollten jetzt also wieder Hummeln mit ins Spiel kommen, kann es für die Pflanzen schwieriger sein, so davon zu profitieren, dass sich auf Dauer ein neuer Genotyp durchsetzt. (Allerdings war die Heterozygotie hier nicht auf die Staub-/Keimblatt-Distanz bezogen, sondern bezog sich auf andere Merkmale, die sich nicht offensichtlich verändert hatten.)

  7. #7 Lars Fischer
    September 8, 2011

    Die Studie war von euch? Das ist mir überhaupt nicht aufgefallen. *g* Muss wohl in Zukunft etwas genauer auf die Autoren gucken…

    Freut mich, dass dir der Beitrag gefällt.

  8. #8 Nils
    September 8, 2011

    @Lars Fischer:
    Na ja, ich war für den pathologischen Teil der Studie zuständig. Meinen Namen kann man da schon mal überlesen. 😉

    @Geoman: “Solche Experimente, wie das hier vorgestellte, werden immer wieder als Beweis für Darwins klassische Vorstellung von der natürlichen Selektion als Motor der Evolution angeführt.” — Äh, das mag ja sein, aber das hat wenig mit diesem Artikel zu tun. Hier wird nichts als Motor der Evolution bezeichnet. Natürliche Selektion ist eine Wissenschaftliche Theorie, die man testen kann. In diesem Experiment wurde sie getestet und die Theorie hält dem Test Stand (wie sie es seit über 150 Jahren tut). Mehr nicht. Es sind irgendwie immer die “Evolutionsgegner,” die Natürliche Selektion zu etwas schlicht semantisch Angreifbaren machen wollen, indem sie eigene Definitionen erfinden. Wenn du einfach nur deine Ideologie hier breit treten willst, dann beschränk dich doch auf Artikel, bei denen das passt … wenn du solche finden solltest.

  9. #9 Geoman
    September 8, 2011

    Wenn, die Studie nix mit Evolution zu tun hat, ziehe ich meine Bedenken zurück. Außerdem sollte man die Kritiker darwinistischer Evolutionstheorien nicht als ‘Evolutionsgegner’ abqualifizieren.

  10. #10 Nils
    September 8, 2011

    Deswegen ja auch die Anführungsstriche. 😉

    Aber mal unter uns, wenn du darwinistische Evolutionstheorie (ich nenne es gerne Natürliche Selektion) tatsächlich kritisierst, dann ignorierst du den Großteil biologischer Forschung. Kritisierst du lediglich die Relevanz seiner Theorie bei der Enstehung der Vielfalt auf der Erde, dann wärst du natürlich kein “Evolutionsgegner” im engeren Sinne, aber deine Posts vermitteln da einen anderen Eindruck …

  11. #11 Geoman
    September 8, 2011

    Für die meisten Kommentatoren auf Scienceblogs ist das Thema Evolution völlig zweitrangig. Dabei verbirgt sich soviel Sprengstoff darin. Vielleicht sollte man den Darwinismus mal als Mainstream-Verschwörungstheorie darstellen, um die Diskussion hier anzuheizen.

  12. #12 Dr. Webbaer
    September 10, 2011

    @Geo
    Hat die “Diskussion” offensichtlich nicht “angeheizt”, Verschwörungstheorien benötigen eben Verschwörer und einen Verschwörungsimperativ. Wo soll der herkommen?

    Sie werden ja mit dem Kreationismus in Zusammenhang gebracht, Dummes gab’s aber bisher nicht zu lesen, haben Sie einen Webverweis zur Hand, der erlaubt Ihre Sichten zur Evolution direkt abzurufen?

    MFG
    Dr. Webbaer

  13. #13 Dr. Webbaer
    September 10, 2011

    Oder wird einfach nur bspw. die “natürliche Selektion”, die mit den Mitteln der Statistik ex post festgestellt wird, also an Hand einer Hypothese bestätigt wird, als zu einfach angesehen um wirklich zu erklären was passiert ist?

    Das wäre dann für Dr. W zustimmungsfähig, aber das obige wissenschaftliche Handeln ist doch alternativlos. Man nähert halt hier ein wenig, macht mal einen Fehler dort, aber grundsätzlich ist das der angewiesene Weg. Zudem macht Nils ja ganz ausgezeichnete Arbeit hier (anderswo sicherlich auch :).

  14. #14 jitpleecheep
    September 10, 2011

    “Darwinistische Evolutionstheorien”?

    Tschuldigung, hab ich was verpasst?
    Gibt’s da neuerdings mehrere?

  15. #15 Dr. Webbaer
    September 10, 2011

    Darwinismus geht gegen “Survival of the Fittest”, ein Konzept, das u.a. auch wg. seiner Einfachheit gesellschaftlich und zunehmend auch biologisch abgelehnt wird.
    Es gilt als sicher, dass hoch komplexe Systeme bestimmte Entwicklungen begünstigen, die nicht ohne weiteres als Merkmalsausprägung, gar als singuläre, einer Klasse verstanden werden dürfen.
    Darwin bzw. einige Nachfolger sind oder waren hier ein wenig “locker”, vermutlich meint das Geoman, wenn er “Extrem-Darwinismus” und Niveaulosigkeit anmängelt. Die Systeme sind erkennbar sehr komplex und nicht so leicht theoretisierbar.

    HTH
    Dr. Webbaer

  16. #16 jitpleecheep
    September 10, 2011

    Ach, der “Dr.” mal wieder, wie nett…

    Ich wollte nicht wissen (schon gar nicht von dir) was mit “Darwinismus” gemeint war, sondern mit “Darwinistischen Evolutionstheorien”. Spot the difference?

    “ein Konzept, das […] zunehmend auch biologisch abgelehnt wird.”

    Bwahaha! “Zunehmend auch”, wie süß. Da spricht der Fachmann!

  17. #17 Geoman
    September 11, 2011

    @ jetpleecheep schrieb:

    “‘Darwinistische Evolutionstheorien’?
    Tschuldigung, hab ich was verpasst?
    Gibt’s da neuerdings mehrere?”

    Wenn man sich, wie fast alle Kommentatoren hier, nicht für die diversen Evolutionstheorien, die schon längst nicht mehr unter ultimativen darwinistischen Gesamtsichten vereinbar sind, interessiert, kann man auch nichts verpassen.

    Aber hier auf Scienceblogs ist ja offenbar sowohl für Autoren als auch Kommentatoren befriedigender mit naiver Wissenschaft vor dem Hintergrund noch naiverer Verschwörungstheorien zu brillieren.

  18. #18 jitpleecheep
    September 11, 2011

    @Gooman (was ist eigtl so schwierig an copy&paste…?):

    Wenn man sich, wie fast alle Kommentatoren hier, nicht für die diversen Evolutionstheorien, die schon längst nicht mehr unter ultimativen darwinistischen Gesamtsichten vereinbar sind, interessiert, kann man auch nichts verpassen.

    Na, dann bitte ich drum erleuchtet zu werden.

    Was sind denn diese “diversen Evolutionstheorien”, und warum sind es jetzt nicht mehr “darwinistische Evolutionstheorien”? Geht’s ein bisschen konkreter, statt einfach nur unspezifisch “diverse” Theorien in den Raum zu werfen?

    Und was sind denn jetzt diese “ultimativen darwinistischen Gesamtsichten”? Ist das was anderes als “darwinistische Evolutionstheorien”?

    vor dem Hintergrund noch naiverer Verschwörungstheorien

    Aha? Evolutionstheorie ist also eine Verschwörungstheorie, oder wie soll man das verstehen?

    Und dann doch noch eine Frage an “Dr.” Webbär:
    Wo ist eigtl der konkrete Zusammenhang zwischen dem (angeblich) “zunehmend auch biologisch” abgelehnten Begriff ‘survival of the fittest’ mit einer “Merkmalsausprägung einer Klasse” (was immer auch mit letzterem gemeint sein soll — ich nehme an Gruppenselektion)?
    Bitte in verständlichem Hochdeutsch antworten.

  19. #19 Nils
    September 12, 2011

    @jitpleecheep:
    Ich halte von dem Begriff ‘darwinistisch’ nicht viel, aber im Grunde sind darwinistische Evolutionstheorien, diejenigen, die er während seines Lebens aufgestellt hat. Zeitgleich gab es da z.B. auch noch Lamarcks. Heute sind die darwinistischen Theorien (dazu zählt neben Natürlicher Selektion auch die Sexuelle Selektion) zentraler Bestandteil dessen, was wir als Evolution bezeichnen. Allerdings haben wir mit zunehmendem Wissen zu Genetik das Ganze wesentlich erweitert. “Evolution” ist deshalb nicht alles natürliche Selektion. Gendrift alleine ist auch Evolution.
    Darwin zu kritisieren ist einfach, da er in seinem Origin of Species auch Fehler machte und ein paar wirre Ideen hatte, die sich schnell als falsch herausgestellt haben (z.B. hat er Lamarck ziemlich missverstanden, außerdem hatte ja auch gar keine Ahnung von Genetik), aber das ändert nichts daran, dass das darwinistische Modell bis heute Bestand hat. Es ist sogar gewachsen. Aber was Geoman hier so gerne unterstellt (es sei denn wir missverstehen ihn völlig), ist dass wir denken dass alles mit darwinistischer Evolution zu erklären. Das ist aber biologisch wie epistemologisch totaler Unsinn. Natürliche Selektion ist zentral in der Entwicklung der Artenvielfalt, aber jeder Biologe wird dir bestätigen, dass es da noch vieles mehr gibt …

  20. #20 jitpleecheep
    September 12, 2011

    @Nils:
    Jaja, das weiss ich ja alles.
    Ich wollte nur mal von Gooman hören, was er denn so unter den “diversen” Theorien versteht, die er hier absichtlich unspezifisch in den Raum wirft. 😉

    Ich bin allerdings nicht so ganz einverstanden mit deiner Sicht auf Darwin.
    Sicherlich war so einiges falsch, andere Dinge wiederum aber waren schlicht zu früh für das viktorianische Weltbild, so dass sie (so wirklich) erst mit Mayr akzeptiert wurden, wie ja gerade eben die Natürliche Selektion.
    Dann gibt es auch schlicht Fehlinterpretationen, die wie urban stories, unausrottbar, durch die Geschichte geistern, wie z.B. jenes ominöse ‘survival of the fittest’…

  21. #21 Nils
    September 12, 2011

    Ja, ob es zu früh war oder nicht, ein paar Absätze in Origin of Species sind rückblickend schon sehr … sagen wir mal, amüsant. Aber das ändert ja nichts daran, dass er ein geniales Buch geschrieben hat, welches seitdem unsere Sicht der Welt geprägt hat. Ich halte es zumindest nicht für übertrieben, Darwin als Genie zu bezeichnen.

  22. #22 Stefan W.
    September 12, 2011

    @Nils: Ich würde es auch ‘Darwins Theorie’ oder ‘darwinsche Theorie’ nennen – darwinistisch klingt wie islamistisch.

  23. #23 jitpleecheep
    September 12, 2011

    Stefan W:

    darwinistisch klingt wie islamistisch.

    Das ist ja auch völlig beabsichtigt, vgl. “einsteinistisch“.

    Ich schlage vor, wir nennen es einfach so, wie es genannt wird: Synthetische Evolutionstheorie. Die beinhaltet Darwins Beitrag. 🙂

    @Nils: Ich hätte noch eine Frage zu dem Diagramm: Warum sind da pro Gruppe zwei Balken zu sehen? Hat das mit den angesprochen Allelfrequenzen zu tun?

  24. #24 Nils
    September 13, 2011

    @jitpleecheep:
    Die beiden Säulen sind für zwei Populationen. Pro Treatment gab es jeweils also zwei Replikate (mit je 200 individuellen Pflanzen).

  25. #25 jitpleecheep
    September 13, 2011

    @Nils:
    Ja, klar, aber wieso unterscheiden sich die beiden Populationen ohne Hummeln so drastisch?

  26. #26 Nils
    September 13, 2011

    Ach so. Ja, das ist tatsächlich etwas komplizierter – deshalb habe ich das hier eher rausgelassen. Die signifikanten Unterschiede zwischen den Balken sind aber nicht unerwartet. Schließlich sind es zwei Populationen, die unabhängig voneinander evolvieren. Genau wie bei Richard Lenskis bekanntem E. coli- Experiment erwartet man dabei z.T. erhebliche Unterschiede zwischen den Populationen.
    Das ist natürlich auch auf unterschiedliche Allelfrequenzen zurück zu führen. In dem Fall hier hatten die Populationen A1 und A2 auch deutliche Unterschiede in der ersten Nachkommen-Generation. Schwierig wird es jetzt aber, diese Allelfrequenzunterschiede mit diesem Ergebnis in Verbindung zu bringen. Laut den Autoren sind die Unterschiede eher für andere leicht signifikante Unterschiede verantwortlich (z.B. ist die Überlebensfähigkeit der Pollen von A1 höher gewesen). Du hast also Recht, Allelfrequenzen dafür verwantwortlich zu machen, nur meines Erachtens nicht ausschließlich die hier gefundenen.
    Hier ist der Originalwortlaut der Autoren dazu:

    Selection against C and D alleles appeared to explain a large fraction of pollen viability evolution, as well as an incremental contribution to differences in anther–stigma separation.

  27. #27 jitpleecheep
    September 13, 2011

    @Nils: Super, danke schön. 🙂

  28. #28 jitpleecheep
    September 13, 2011

    @Nils: Huch, was vergessen, also PS: Ja, das Lenski Experiment kenne ich, aber dass das _so_ schnell geht, das hat mich verwundert. Impressive.

  29. #29 Hummeln
    September 18, 2011

    “In diesem Versuch hat Mimulus guttatus nach ein paar Generationen die Kurve gekriegt. Außerhalb der Gewächshäuser sollte man darauf nicht unbedingt wetten.”

    Eine ähnliche Studie an Bienen unterstützt die These, dass es nicht zu einem Bestäubungsnotstand kommt, wenn man einzelne Bestäuber entfernt, wobei diese Studie im Gegensatz zu der obigen im Freiland durchgeführt wurde. Ein Rückgang der Bienenpopulation führte nicht zu Ernteausfällen (Samenproduktion):
    https://aktion-hummelschutz.de/bienensterben-kein-problem/