Angenommen ich schriebe ein Kinderbuch. Eines, in dem ich all die großen Fragen von Kindern beantworte, zum Beispiel: Was sind Erdbeben? Woraus besteht eine Regenbogen? Und warum sind wir eigentlich hier? Und um dabei auch gleich zu erklären woher wir die Antworten auf solche Fragen wissen, erzähle ich nebenbei Geschichten, Mythen, die wir Menschen uns lange Zeit erzählten, um eben diese Fragen zu beantworten. Ich illustriere dann das Buch mit informativen Abbildungen und schreibe es so, dass jeder 12-jährige einerseits von der Thematik gefesselt ist, andererseits sein Interesse geweckt wird, den Sachen weiter auf den Grund zu gehen.
Gar nicht schlecht, oder? Ich würde es wagen, zu behaupten, dass, solange ich die ganzen biochemischen, physikalischen und astronomischen Fakten korrekt hintereinander kriege, jeder dieses Projekt sehr zu schätzen wüsste.
Doch ist das anscheinend eine andere Sache, wenn nicht ich sondern ein gewisser Richard Dawkins dieses Buch schreibt. Richard Dawkins ist durch seinem Bestseller “Der Gotteswahn” zu sehr unter das Label der “Radikalen Atheisten” geraten (nicht dass ihn das groß stören würde), als dass man ihm glauben könnte, er schreibe ein Buch lediglich aus einer Faszination heraus. Nein, da muss doch eine Agenda hinter stecken, oder?
Tatsächlich liest sich sein neues Buch so, als wollte er die jugendlichen Leser von den wissenschaftlichen Kenntnissen überzeugen, wollte ihnen deutlich machen, welchen Unfug die australischen und griechischen Mythen, die alten europäischen Legenden und vor allem natürlich die christliche Entstehungsgeschichte der Welt doch darstellen. Man könnte fragen, ist das denn so schlimm? Im Grunde finde ich, nein, es ist völlig in Ordnung. Das neue Buch von ihm, “The Magic of Reality,” würde ich fraglos jedem Schüler der Sekundarstufe 1 weiter empfehlen. Es ist in vieler Hinsicht ein unterhaltsames, sehr persönliches Buch, aus dem Kinder und viele, viele Erwachsene jede Menge lernen können.
Wäre es nicht von Richard Dawkins geschrieben …
Dies ist ein Autor, der es öffentlich verurteilte, dass Kindern der Glaube und das “Wissen” der Eltern aufgezwungen wird. Dawkins kritisierte die Formulierungen “katholische Kinder,” “islamische Kinder” etc. weil die Kinder frei sein sollten, in ihrer Jugend sich selbst eine Meinung zu bilden und die Tatsachen ihrer unmittelbaren Natur selbst zu erkunden. Jetzt wird ihm vorgeworfen, dass er genauso wie die Religionen, die er kritisiert, die Kinder indoktrinieren will. Und da hilft als Verteidigung nicht, dass dies aber doch eine “gute” Form der Indoktrination sei. So etwas gibt es nicht.
Doch wenn man sich hinter diesen einfachen Vorwürfen versteckt, hat man das Buch selbst nicht gelesen. Natürlich erzählt Dawkins vom Garten Eden genauso schmunzelnd wie von der Geschichte des Gilgamesch oder wie vom niesenden Riesen, der die ganze Welt auf seinem Kopf trägt. Die Mythen sind kreativ, spannend, lehrreich und häufig einfach nur Unsinn. Und genau das macht sie so interessant. Es macht Spaß, zu lesen, wie die Menschen mit den Rätseln ihrer Zeiten umgingen. Die perfekt dazu passenden Illustrationen geben den Geschichten einen zusätzlichen Charme.
Kommt Dawkins dann zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen von heute, wird es richtig spannend. Allerdings werden kaum irgendwelche Theorien zur Entstehung des Universums oder zur Evolution des Menschen so gelehrt, dass die jungen Leser diese Fakten fraglos hinnehmen müssen. Vielmehr ist dieses Buch eine Erklärung dazu, wie wir Menschen (wohlgemerkt die gleichen Menschen, die bunte und faszinierende Sagen erschaffen haben) nun Methoden entwickelt haben, mit denen wir Hypothesen testen könnnen.
Stimmt es dass sich das Universum ausbreitet? Dawkins erklärt dazu, wie man diese Hypothese testen kann. Er erzählt, was ein Spektroskop ist, und dass man damit Licht in sein Spektrum zerlegen kann. Und dass je nachdem woraus ein Stern besteht, er unterschiedliche Wellenlängen absorbiert und emittiert. Und schließlich erklärt er, dass diese Wellenlängen von Elementen sich je nach Entfernung unterscheiden, und dass wir so wissen, dass Sterne sich von uns weg bewegen (oder anders gesagt, wir uns von ihnen weg bewegen – es ist alles eine Sache der Perspektive).
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