Aber Dawkins macht auch etwas ganz und gar Ungewöhnliches. Hier ist ein Beispiel aus dem Buch:
Er gibt häufig zu, dass er von etwas einfach keine Ahnung hat. Wenn er an einen Punkt kommt, bei dem er einfach der falsche Ansprechpartner ist, dann sagt er das. Dies hat zweierlei Effekt. Einerseits zeigt er, dass wir immer noch mehr lernen können, und sollen, dass wir andere Leute fragen sollten, die sich mit einer Thematik schon länger beschäftigt haben als man selbst. Andererseits motiviert er die Leser, sich selbst mit der Thematik zu beschäftigen. Beim Lesen dieses Buches habe ich ständig irgendwo im Internet nachgeschlagen, um noch ein wenig mehr zu erfahren.
Mein Lieblingskapitel war eindeutig “Was ist die Sonne in Wirklichkeit?” Der Grund dafür ist einfach. Hier habe ich am Meisten Neues gelernt. Es ging um Sterne, die 2000 Mal größer sind als die Sonne, und solche, die 100 Mal massiver sind. Es ging um Schwerkraft und die Rolle bei der Entstehung von Sternen. Um die Entstehung von Galaxien und Planeten. Um Supernovae und alte deutsche Astronomen. Letztendlich ging es um die Rolle des Sonnenlichts für alles Leben auf der Erde, und eine wunderbare Zeitreise endet bei uralten Sonnenstrahlen, die in der Erde gefangen sind und die wir heute suchen können, um die Energie immer noch zu nutzen: Kohle.
Glücklicherweise handelt ein großer Teil des Buches auch von Evolution – Dawkins hat seine Wurzeln also noch nicht ganz aufgegeben. Wer war der erste Mensch? Warum gibt es so viele verschiedene Tierarten? Neben farbenfrohen Mythen, die diese Fragen zu beantworten suchen, erklärt Dawkins hier was natürliche Selektion ist und dass wir, bei einer Zeitreise (diesmal in die Vergangenheit) unsere Ur-ur-ur-etc.-Großväter treffen könnten. Er schlägt dafür ein Gedankenexperiment vor, in dem man auf ein Foto von sich selbst das Foto des Vaters, und darauf das des Großvaters legt, und so weiter bis zu unserem (in diesem Fall männlichen) Verwandten vor vielen Millionen Jahren kämen. Schließlich erklärt er auch hier wieder wie wir so etwas wissen können und taucht erstaunlich weit in die Genetik ein.
Ich habe die ganze Zeit den Eindruck, dass er unheimliche Ansprüche an sein Publikum setzt. Die Themen werden so schnell so komplex, dass man einfach den Faden verlieren kann. So viele Themen erreichen ein Niveau, bei dem ich überzeugt bin, dass es mit Absicht nicht nur die Jungen und Mädchen erreichen soll, für die dieses Buch geschrieben ist, sondern auch deren Eltern. Aber gerade wenn man dieses Buch gemeinsam liest, kommen Gespräche auf, die man bei vielen anderen Büchern wohl nicht führen würde.
So kann ich diese Buch nur loben. Und doch … doch wird man das Gefühl nicht los, dass Dawkins sich selbt untreu wird, indem er sich jetzt an ein jüngeres Publikum wendet. Die letzten beiden Kapitel heißen “Warum passieren schlechte Sachen?” und “Was ist ein Wunder?” Dies sind seine Methoden um mit Sünden und Wundern aufzuräumen. Nein, niemand wird für etwas bestraft, indem er schrecklich krank wird. Und nur weil wir etwas nicht verstehen, heißt es nicht, dass wir paranormale Erklärungen vorziehen sollten. Stattdessen erklärt Dawkins hier, wieso “Murphys Gesetz” nicht stimmen kann, was Zufall ist, und zu meiner Überraschung gibt er eine kurze Einleitung in Statistik. Wenn er zu den Wundern kommt, erklärt er was selektive Wahrnehmung ist und geht noch stärker in die Statistik ein, um zu zeigen, dass vieles Verwunderliche statistisch gar nicht mehr überraschend ist. (Die Geschichte von dem Franzosen, der einst die Lottozahlen vorhergesagt hat, ist ein “wunderbares” Beispiel eines modernen Wunders.)
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