Ich schreibe diese Worte auf dem Rückweg von der Uni. Soeben hat Professor Nick Davies von der Universität Bielefeld einen Ehrendoktor erhalten. Grund dafür ist einerseits seine langjährige Kollaboration mit Kollegen aus der Verhaltensökologie hier, aber ganz ehrlich gesagt: Man braucht keine speziellen Gründe, um Nick Davies irgendeinen Titel zu geben. Dieser Mann liefert die Gründe ganz alleine. Es war das berühmte Verhaltensökologiebuch, das er mit seinem Kollegen John Krebs schrieb, welches mich zu einem Biologen gemacht hat. Seine Forschung zum Paarungs- und Brutverhalten von Vögeln ist wegweisend. Und wie heute Abend deutlich betont wurde: Nick Davies hat einen bleibenden Eindruck im Feld der Verhaltensökologie hinterlassen. Nicht zuletzt durch die unzähligen Doktoranden, Postdocs und auch Schüler, die er inspirierte.
In seinem Vortrag heute Abend fasste Prof. Davies die gesamte Geschichte der Verhaltensökologie zusammen, begonnen bei Aristoteles. An einem Punkt kam er zwangsläufig zu Charles Darwin. Dieser hatte Vermutungen aufgestellt warum Vögel Kuckuckseier in ihren Nestern duldeten. Bis dahin war eine populäre Annahme, dass es eine Ehre sei, wenn ein Vogel vom Kuckuck ausgewählt wurde. Die Adoption und Aufzucht seiner Jungen sei demnach eine Selbstverständlichkeit. Darwin vermutete jedoch, dass es ein fehlgeleiteter Instinkt war, der Vögel zu unfreiwilligen Zieheltern machte.
Nicht zum ersten Mal waren sich Charles Darwin und Alfred Russell Wallace, die beiden Entdecker des Prozesses der natürlichen Selektion, nicht einig. Wallace behauptete nämlich, dass die Farbe der Kuckuckseier dem Schutz vor Räubern galt. Darwin hingegen meinte, die Farbe sei eine Anpassung an die Eier der Zieheltern und half, dass diese das fremde Ei als eines der ihren akzeptieren würden. Nick Davies und seine Arbeitsgruppe wollten diese Diskussion ein für alle mal klären und machten ein einfaches Experiment: Sie färbten die Kuckuckseier in einem Teil der Nester braun an, in den anderen ließen sie die Farbe so wie sie war. Nach ein paar Tagen waren über zwei Drittel der braunen Eier von den Zieheltern aus dem Nest geworfen worden, während 97% der Eier in Originalfarben noch im Nest waren. Der Anteil von Räubern gefressener Eier war hingegen in beiden Fällen gleich. Die Färbung der Kuckuckseier galt also eindeutig der Mimikry. Darwin hatte Recht.
Dieses Jahr wurde diese Entdeckung noch um Einiges getoppt. Mit neuen Methoden der Farbanalyse wurden die Kuckuckseier einer genauen Prüfung unterzogen und mit den anderen Eiern im jeweiligen Nest verglichen. Bislang hatten Wissenschaftler sich darauf konzentriert, selbst zu beurteilen wie ähnlich sich die Eier waren. Doch dabei wurde das Farbspektrum, welches Vögeln zur Verfügung steht, außer Acht gelassen. Wir Menschen haben im Auge ja Stäbchenzellen (zum Dämmerungs- oder Nachtsehen) und Zapfen (zum Erkennen der Farben blau, grün und rot). Bei Vögeln ist das ganz ähnlich, nur haben diese eine zusätzliche Zapfenart für ultraviolettes Licht und besondere doppelte Zapfen, von denen angenommen wird, dass sie zum Unterscheiden von Mustern genutzt werden.
Unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten haben die Wissenschaftler in einer im Juli veröffentlichten Studie untersucht, wie stark die Farben der Kuckuckseier mit denen der Zieheltern überein stimmten. Sie verglichen die Eier von 11 Vogelarten. Das Ergebnis war nicht nur, wie erwartet, dass die Kuckucke ihre Eierfarben denen der Zieheltern anpassten. Die eigentliche Überraschung bestand darin, dass die Komplexität der Eifarben daran angepasst wurde, wie wahrscheinlich es war, dass die Eltern das fremde Ei aus dem Nest warfen. Die meisten Vögel schmeißen fremde Eier nämlich erstaunlich selten aus dem Nest, da die Chance, das eigene Ei als fremdes zu entlarven, zu groß ist. Die Vogelarten, bei denen die Fähigkeit zur Diskrimination besonders ausgebildet ist, und die deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit auch das Kuckucksei aus dem Nest schmeißen würden, waren hier nun diejenigen, bei denen die Kuckucke besondere Sorgfalt in der Färbung der eigenen Eier angewandt haben.
Es findet also ein ganz besonderes Wettrüsten statt, in dem der Kuckuck die Oberhand zu behalten scheint: Die Kuckucke passen ihre Eier immer mehr an die der Zieheltern an, allerdings nur, wenn sich der Aufwand auch lohnt. Denn nur wenn die fremden Eltern sich die Mühe machen ihre Eier zu unterscheiden, macht sich der Kuckuck die Mühe, die Mimikry zu verstärken. So gibt es Kuckucksarten, die besonders stark an die Vogelarten angepasst sind, die sie parasitieren, und solche, bei denen die Ähnlichkeiten eher gering – und doch völlig ausreichend – sind. Ein wunderbares Beispiel von Ko-Evolution.
Zwar noch recht gering erforscht ist die Anpassung der Kuckuck-Jungen and ihre “Geschwister,” aber auch hier haben Forscher herausgefunden, dass es eine Form der Mimikry gibt. Australische und britische Wissenschaftler haben die Jungtiere bei Artenpaaren verglichen, und tatsächlich sind die jungen Bronzekuckucke genauso goldgelb wie die vom Gelbbürzel-Dornschnabel. Dies ist wesentlich weniger weit verbreitet als die Eifärbung, aber wahrscheinlich auch nicht weiter verwunderlich, da die Pigmentierung der jungen Vögel wesentlich kostenintesiver ist als die der Eierschale.
Jungvögel von verschiedenen Brpnzekuckuckarten (links) und den Vogelarten, die er parasitiert (rechts): a) Sumpfgerygone, b) Gelbbürzel-Dornschnabel, c) Prachstaffelschwanz (Quelle: Langmore, Stevens et al. (2011), Evolution 65 (7))
Welch ein Aufwand, diese ganze Anpassung! Warum zieht der Kuckuck seine Kinder nicht selbst auf? Na ja, von 136 Kuckuckarten tun dies sogar 83. Die Übrigen aber legen ihre Eier in fremde Nester. Weil, so war man früher überzeugt, der Bauch des Kuckucks zu groß ist, um die Eier selbst zu inkubieren. Tatsächlich ist es aber die klassische Frage von Kosten und Nutzen. Und die Taktik des Kuckucks, der seine Eier anderen Eltern unterjubelt, bringt ihm einfach mehr Nachkommen, als wenn er sich selbst um seine Kinder kümmern würde.
Stoddard, M., & Stevens, M. (2011). AVIAN VISION AND THE EVOLUTION OF EGG COLOR MIMICRY IN THE COMMON CUCKOO Evolution, 65 (7), 2004-2013 DOI: 10.1111/j.1558-5646.2011.01262.x
Langmore, N., Stevens, M., Maurer, G., Heinsohn, R., Hall, M., Peters, A., & Kilner, R. (2011). Visual mimicry of host nestlings by cuckoos Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 278 (1717), 2455-2463 DOI: 10.1098/rspb.2010.2391
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