There is grandeur in this view of life
Where one becomes many through struggle and strife
But the mother of mysteries is another man’s call
Why is there something instead of nothing at all.
— Diplomatisches Zitat aus Mother of Mysteries, Darwin Song Project

Ich weiß es wird langsam etwas spät, um Weihnachtsgeschenke zu kaufen, aber ich denke eh: Die besten Geschenke macht man selbst, sei es mit Mehl und Nüssen, Schere und Kleber oder Videokamera und Haustier. Für all diejenigen, die aber lieber doch etwas kaufen wollen, oder sich selbst einfach auch nach Weihnachten noch etwas gönnen möchten, habe ich hier ein paar Ideen rund um die Themen Naturwissenschaften, Evolutionsbiologie und, ohne besonderen Grund, Charles Darwin.

The reluctant Mr. Darwin: An intimate portrait of Charles Darwin and the making of his Theory of Evolution von David Quammen
Auf deutsch: Charles Darwin: Der große Naturforscher und seine Theorie der Evolution

reluctant mr darwin.jpgIch weiß ja nicht wie Andere das sehen, aber für mich gehört dieser Mann einfach zu den ganz Großen in seinem Feld. Die wenigsten kennen seinen Namen, aber fast jeder hatte schon einmal seine Worte gelesen. Ich rede natürlich nicht von Mr. Darwin selbst, sondern von David Quammen. Ein großartiger Autor, der anfing Kolumnen über die Biologie zu schreiben, weil es ihn einfach interessierte und das Journal, für das er arbeitete, gerade Platz für einen Naturkolumnisten hatte. Seine Begeisterung für das Fach ist ansteckend, und seit er sich intensiver mit Naturhistorie auseinander setzt, sind seine Artikel (vielen aus National Geographic bekannt) ein Muss für jeden, der an Evolution und Zoologie seinen Spaß hat.

Das Buch hier ist eine Auftragsarbeit für eine Reihe von Biographien naturwissenschaftlicher Größen, bei der ein ganzes Leben in bitte nicht viel mehr als 300 Seiten gepackt werden sollte. Da es von Charles Darwin schon mehrbändige Erzählungen über sein Leben gab, war das schon eine gewisse Herausforderung, die Mr. Quammen allerdings mit Bravour erledigte. Man sollte wirklich keine detaillierte Biographie erwarten, sondern eine Art Abenteuerbuch eines Wissenschaftlers.

Das Buch beginnt mit Darwins Rückkehr von der Beagle und behandelt zum größten Teil seine Experimente an Rankenfußkrebsen daheim. Ich kann mir ja nicht vorstellen, dass es etwas weniger aufregendes gäbe als eine Umsegelung Südamerikas, aber nach dem Lesen dieses Buches ist man überzeugt, dass Rankenfußkrebse die spannendesten Tiere der Welt sind, und sie zu studieren das größte zu erreichende Glück. Der Grund dafür liegt in der lebendigen Schreibweise und der Geschichte über einen Mann, der zuallererst Philosoph war, und erst dann Zoologe.

emc2.jpgDas Buch ist keine Biographie von Charles Darwin, auch wenn es so angepriesen wird. Es ist die zum Teil kritische Biographie der Evolutionstheorie. Ähnlich wie bei “Bis Einstein kam” von David Bodanis (oder im Original: e=mc2 – a Biography of the World’s Most Famous Equation, ein Buch übrigens, welches es schafft, Wissenschaft als eine Art politischen Thriller aufzuziehen) fließt hier alles ein, was relevant war bei der Entstehung der Evolutionstheorie. Dazu gehört genauso ein umfangreiches Kapitel über Alfred Russell Wallace wie Geschichten über Thomas Malthus, Sir Charles Lyell etc. Und natürlich kommt auch Darwins Familienleben nicht zu kurz, denn diese hatte großen Einfluss auf seine Forschung.

[Darwin] drew up another orderly page of marital pros and cons, and this time “Marry” headed the longer column on the left, “Not Marry” the shorter one on the right. Marriage would give him a constant companion and a friend in old age, who would be “better than a dog anyhow.” It was intolerable to think of spending one’s whole life on nothing but work. “Only picture to yourself a nice soft wife on a sofa with good fire, & books & music perhaps.” … Turning the sheet over, he wrote: “It being proved necessary to Marry…When? Soon or Late.” The other question he might have added was: Whom?

Das Buch endet dann auch nicht mit dem Tod von Darwin, und widmet sich auch nicht wirklich den späteren Werken wie “The Descent of Man,” sondern schließt mit der Veröffentlichung seines ersten, so mühsam zusammengetragenen Meisterwerkes. Wer dieses dann doch lieber im Original lesen möchte (und wem eine Kurzfassung dieses Buches als Vorwort genügt), dem sei On the Origin of Species: The Illustrated Edition empfohlen. Editiert von David Quammen und versehen mit Bildern, Tagebucheinträgen und Illustrationen aus Darwins Reisen, ist es ein Nachdruck der Erstausgabe von “On The Origin of Species.” Dabei sollte erwähnt werden, dass es eher eine Kombination aus zwei parallel zu lesenden Büchern (Reisetagebuch und Evolutionsbuch) ist als eine annotierte, erklärende, eventuell auf den neusten Stand gebrachte Ausgabe.

Wer eine Neuauflage von “On the Origin of Species” wünscht, die aktuelle Forschungsergebnisse mit einbezieht, der ist bei folgendem Buch genau richtig:

almost like a whale.jpgAlmost like a whale: The ‘Origin of Species’ Updated von Steve Jones
Auf deutsch: Wie der Wal zur Flosse kam: Ein neuer Blick auf den Ursprung der Arten

Steve Jones ist Genetiker, und wenn man seinem Schreibstil trauen kann, Humorist. Er schreibt flüssig und unterhaltsam, bleibt aber dennoch beim Thema und führt in seinem Buch eine riesige Anzahl an Beispielen auf, bei der selbst Darwin blass werden würde. Schön ist es wie er versucht sich an die Form des Vorbildes zu halten. Das Buch beginnt wie bei Darwin mit Variation bei domestizierten Tieren. Doch während zu Darwins Zeiten das ultimative Haustier die Taube war, entscheidet sich Steve Jones (vernünftigerweise, denke ich) dafür, den Schwerpunkt auf ein anderes zu legen. Es geht um die Domestizierung des Hundes. Dabei erklärt er die faszinierenden Versuche von Dmitri Belyaev an Füchsen, in denen wilde Füchse gezähmt wurden und zu seiner Überraschung hängende Ohren und farblose Schwanzspitzen bekamen.

In der wunderbaren “Interlude,” dem einzigen Abstecher von Darwins Original, geht er auf einen Satz ein, der von Kritikern immer wieder gerne erwähnt wird.

In North America the black bear was seen by Hearne swimming for hours with widely open mouth, thus catching, like a whale, insects in the water.

Dieses “like a whale” änderte Darwin später zu “almost like a whale,” doch Jones argumentiert, dass dies gar nicht nötig war. Ich sehe das genauso, denn genau diese bildliche Sprache machte “On the Origin of Species” so interessant für sein Publikum, und die Funktion des Buches war zuallererst ein unheimlich langes nicht zu schlagendes Argument, eine damals kühne Behauptung. Selbstverständlich dauerte es so lange um all die Beweise anzusammeln, denn Darwin hatte nicht vor, an die Öffentlichkeit zu gehen, bevor er nicht jeden möglichen Kritikpunkt an seiner These selbst kontrolliert hatte. Dieser kurze Kommentar von Darwin verlieh dem Buch von Steve Jones schließlich auch seinen Titel (zumindest in Deutschland und Großbritannien, in den USA heißt das Buch “Darwin’s Ghost”). “Almost like a whale” ist natürlich ein bisschen wie ein 500-Seiten langes Kompliment und endet deshalb in der wahrscheinlich einzig möglichen Form, mit einem Zitat von Darwin. Jones zitiert das letzte Kapitel wortwörtlich, komplett und hält sich dabei dezent im Hintergrund.

darwin song project.jpgKann es tatsächlich sein, dass man sich als Wissenschaftler nur Bücher schenkt?! Zum Abschluss habe ich noch eine kurze musikalische Empfehlung, die bei mir seit etwa letztem Weihnachten im CD-Player schlummert. Zum Darwin-Jahr 2009 wurde ein Album mit dem hochkreativen Namen “The Darwin Song Project” aufgenommen. Streng genommen ist es ein bisschen eine musikalische Version von David Quammens Biographie, aber verpackt in den Mantel von Folk Music. Und Folk Music mag doch wohl jeder, oder?!

Ein Teil der Lieder ist schlicht biographisch. “Das Album started mit “Trust in the Rolling Ocean,” einer Erzählung Darwins Reise auf der Beagle. “Heavy in my hand” beschreibt Darwins Zwiespalt, als er einen Brief von Captain Robert FitzRoy bekam, der ihn zu einer Weltreise einlud. “The Earl of Darwin’s Farewell” ist aus Sicht seiner Frau Emma erzählt, die ihren Gatten bittet mehr Zeit der Familie zu widmen. Und “We’re All Leaving” ist ein wirklich trauriges aber gelungenes Lied, in dem Darwin versucht, mit dem Tod seiner Tochter umzugehen. All diese Lieder basieren auf Tagebüchern und vor allem den Erzählungen eines Nachkommen von Darwin, der zusammen mit den Musikern eine Woche lang an den 17 Liedern arbeitete.

Passend zur religiös-besinnlichen Weihnachtszeit geht es hier bei vielen Liedern aber auch um den Konflikt zwischen Darwins Überzeugung und dem im viktorianischen England weit verbreiteten christlichen Glauben. “The Merchant’s Question” und “From Miss Emma Brawley” sind verständnislose Beschwerden von Leuten, die nicht ganz sicher sind was Darwin da eigentlich behauptet bzw. sich nicht mit Affen verglichen sehen wollen. “We’ll Hunt Him Down,” das “folksigste” Stück auf der CD, hört sich tatsächlich an wie eine Jagd, und zwar nach dem Mann, “who stole my Lord away from me.”

Den dritten und kleinsten Teil der CD füllen dann endlich auch Lieder zu Zoologie und Evolutionsbiologie aus. Es spricht für die CD, dass sie wahrscheinlich die einzige ist, in der parasitoide Wespen vorkommen:

The wasp she lays an egg
‘Neath the caterpillars skin
It hatches and the larva grows
Feastin from within
It kills the host and off it goes
To sting another one
Seems to me there’s too much misery to believe in Kingdom Come

Na ja, es wird deutlich, dass der religiöse Aspekt immer wieder durch kommt. Dennoch finde ich das Album rundum gelungen, und da es sich um eine Live-Aufzeichnung handelt, wirkt es nie wie manch andere Konzeptalben, bei denen man den Eindruck haben kann, sie wären nur für den Kommerz produziert. Schön ist, dass es sich hier um Musiker handelt und nicht um Wissenschaftler, denn in den meisten Fällen ging es Here comes science.jpgbisher in die Hose, wenn Wissenschaftler Musik machten (ich konnte mit der Symphony of Science zumindest herzlich wenig anfangen). Apropos Wissenschaftsmusik, zu empfehlen ist auch “Here Comes Science” von They Might Be Giants. Neben einem Lied über Paläontologie und dem vorzeitigen Klassiker “Put it to the test” fällt das Album dadurch auf, dass es wahrscheinlich als einziges den eigenen Text korrigiert, weil er von neuen Erkenntnissen überholt wurde. Direkt nach dem Lied “Why does the sun shine?” folgt das Erratum “Why does the sun really shine?”

The sun is a quagmire,
it’s not made of fireForget what you’ve been told in the past

Kommentare (2)

  1. #1 Fliegenschubser
    Dezember 20, 2011

    Vielen Dank für diese Anregungen!!
    Damit hast Du einem Auf-den-letzten-Drücker-Geschenke-Besorger wie mir einen großen Dienst erwiesen. 🙂

  2. #2 BreitSide
    Dezember 20, 2011

    xxx