Manchmal passiert es einfach. Man sitzt zum x-ten Mal in seinem Labor und beobachtet, wie der zu untersuchende Grashüpfer langsam, fast mühsam, auf das Salatblatt zuläuft. Er wird es genauso langsam auffressen. Das war der 27. Durchgang aus der Reihe von 100. Es muss doch möglich sein, das Experiment irgendwie spannender zu gestalten. Der Wissenschaftler holt seine Digitalkamera aus der Schublade und startet ein zweites Experiment, ganz unabhängig vom ersten, um aus dem Trott der Wiederholungen auszubrechen. Statt einem Salatblatt präsentiert er eine andere Heuschrecke. Wird der Hüpfer diese auch fressen?

So beginnt eines von vielen Videos, die Entomologen manchmal produzieren, wenn die Arbeit einfach nicht herausfordernd genug war. Matthew Richardson und Rob Mitchell von der University of Illinois haben neben der eigentlichen Forschung so ein gruseliges Video gedreht, und nebenbei ein recht interessantes Experiment gestartet: dem riesengroßen amerikanischen Grashüpfer Romalea guttata wurde die Wahl gelassen zwischen einem saftigen Salatblatt und einem toten Schmetterling. Was würde er wählen, das Blatt oder das Tier?

Aus diesem Experiment entstand ein drei-minütiges Video über die Ernährung dieser Tiere. Doch statt Wissenschaft wurde es ein Gruselfilm.

Manchmal passiert es einfach. Entomologen werden zu Regisseuren und die Doktorarbeit wird zum Horrorfilm.

In den New York Times war letztens ein Artikel über dieses anscheinend häufige Phänomen. Woran mag es liegen, dass Entomologen ihre dunkle Seite so ausleben müssen? Bei mir war es zum Einen die Aufforderung zum Filmwettbewerb. Das gibt es an fast jeder Uni und während meiner Master-Arbeit bekam ich auch so eine Aufforderung, die mich kurzerhand motivierte, meine Forschung in Film fest zu halten. Warum auch nicht? Zum Anderen lag es bei meiner Forschung auf der Hand, sich in auf dieses abschreckende Projekt einzulassen. Gibt es etwas Spannenderes als Hummelfressende Parasiten?

Passend zum Zeitungsartikel ist in der Onlineausgabe der Times eine Auswahl an neun Gruselvideos erschienen. Manche (wie das Zeckenvideo) sind auf eine ganz andere Art gruselig als man erwartet. Andere zeigen Tausende von Ameisen auf ihrem Feldzug gegen die Termiten. Eines ist das der oben erwähnten halbkannibalistischen Grashüpfer. Und ein letztes (Mitte unten) ist zu meiner großen Überraschung das von mir. Gedreht wurde es im pathologischen Labor des Illinois Natural History Surveys – vor etwa drei Jahren. Für alle mit starken Nerven ist hier der nicht ganz preisverdächtige (ich wurde von einem 5-jährigen Mädchen geschlagen, das in ihrem Video mit Schmetterlingen spielt) Gruselfilm “Die Fliege:”

Kommentare (6)

  1. #1 knackbock
    https://knackbock.wordpress.com
    Dezember 2, 2012

    Ich hatte mal parasitoide Wespen im meiner Bohnenkäferzucht, glücklicherweise sind die von alleine wieder verschwunden…

    Dein Film gefällt mir sehr gut, deutlich besser als der mit den amerikanischen Riesenhüpfern. Btw, sind die eigentlich leicht zu züchten?

  2. #2 Nils
    Dezember 2, 2012

    @knackbock:
    Bei der Zucht gibt es meines Wissens die üblichen Probleme wenn die Tiere klein sind, z.B. Temperatur, Feuchtigkeit nicht zu sehr zu variieren. Aber wenn man es erst mal durch die Metamorphose geschafft hat, sind die sehr angenehme (und hübsche) Zeitgenossen …

  3. #3 dema
    Dezember 3, 2012

    Sehr interessant. Wie man sieht sind also auch so manche Insekten Vertreter einer “ausgewogenen” Ernährung. Von wegen immer nur Salat……
    Der Film ist gut, hat schon Eisenstein’sche Züge 🙂
    Mich würde ja mal interressieren, ob das Versuchsobjekt gestorben ist weil sich die Larve entwickelt hat, oder ob die Fliege den toten Körper mit ihren Eiern beschickt hat?
    Meine rudimentären Restbestände an biologischem Grundwissen lassen mich auf die zweite Möglichkeit tippen. Oder ?

  4. #4 Nils
    Dezember 4, 2012

    @dema:
    Die Hummeln sind an den Parasiten gestorben. Es handelt sich dabei um Fliegen der Familie Conopidae. Hier haben pro Hummel maximal zwei Larven Platz, um sich zu entwickeln. Aber wenn die Fliege soweit ist, dass sie aus dem Wirt raus krabbelt, ist die Hummel in aller Regel tot.

  5. #5 Schemenkabinett
    https://www.schemenkabinett.de/
    Oktober 12, 2013

    Schönes Video, erinnert an die Stummfilmklassiker der 20er Jahre. 🙂 Sterben die Hummeln einfach dadurch, dass die Parasitoide ihre inneren Organe nach und nach zerstören, oder töten die Fliegenlarven ihre Wirte gezielt? Zeigen die Hummeln vor ihrem Tod irgendwelche ungewöhnlichen Verhaltensweisen, etwa dass sie sich an einen geschützten Ort zurückziehen?

  6. #6 Nils
    Oktober 13, 2013

    @Schemenkabinett:
    Die Hummel stirbt in diesem Fall, weil sie von innen aufgefressen wird. Die Hummel dient der Fliegenlarve als Nahrung. Spannend ist, dass bis kurz vor dem Tod wenige Symptome zu sehen sind. Erst ein paar Stunden vorher fängt die Hummel an, diese absurden Bewegungen durchzuführen. Sie stirbt dann da, wo sie gerade liegt.