Es ist gar nicht verwunderlich, dass Darwin die Tiere, die er verschiedenen Familien zuordnete, nicht so faszinierend fand wie wir es heute tun. Denn erst als er lernte, dass es Vögel der gleichen Gattung waren, wurde ihm klar, dass hier etwas Sonderbares im Gange war. Richtig interessant wird es, wenn man diese Erkenntnis in den historischen Kontext einordnet: Vier Monate nachdem Gould ihm von den Finken erzählte, begann in Darwins Notizbüchern die Rede von “Transmutationen.” Im gleichen Notizbuch zeichnete Darwin dann auch den berühmten ersten Stammbaum. Die Theorie der natürlichen Selektion nahm konkrete Formen an.

Für die zweite Auflage des Voyage of the Beagle im Jahr 1845 ergänzte er einige wichtige Passagen zu Vögeln, u.a.:

Seeing this gradation and diversity of structure in one small, intimately related group of birds, one might really fancy that from an original paucity of birds in this archipelago, one species had been taken and modified for different ends

Aber auch hier erwähnt er die Finken nicht beim Namen. Und an keiner Stelle erklärt er, dass Schnäbel sich in Populationen mit der Zeit veränderten. Der einzige Text, in dem er im Detail auf diese neue Erkenntnis einging, sollte nie veröffentlicht werden. In seinem Manuskript Natural Selection vermutete er, dass Selektion auf Schnabelform den Finken die Eroberung von Nischen erlaubte, die anderswo von Papageien oder Zaunkönigen eingenommen wurden. Doch nachdem Darwin in der Post einen Brief von einem gewissen Alfred Russel Wallace fand, der ihm von einer “neuen” Idee erzählte, nach der Tierarten sich mit der Zeit an Umweltbedingungen anpassen, wurde Darwin nervös und kürzte sein Manuskript lediglich zu einem Abstrakt. Diese Kurzfassung kennen wir heute als On the Origin of Species.

Wenn Sam Beckwith im Jahr 1865 also von einem Buch über Finken gehört oder gelesen hat, dann kann er höchstens mit etwas Verspätung von Band 3 des The zoology of the voyage H.M.S. Beagle (1841) von John Gould erfahren haben. Denn dort werden die Finkenarten und die Schnäbel ausführlich erwähnt. Wenn er aber von so etwas wie der Evolution von Finken-Schnäbeln gehört hat, in einem Buch, über das sich 1865 berühmte Wissenschaftler aufregten, dann muss man das wahrscheinlich als klassischen Fehler des Hollywood-Kinos abtun. Da Charles Darwin und Abraham Lincoln am gleichen Tag geboren wurden, bot es sich vielleicht an, Darwin irgendwie mit in die Handlung zu schmuggeln. Aber auch wenn Finken eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Darwins Evolutionstheorie gespielt haben mögen, sie waren nie der Schwerpunkt seiner publizierten Arbeiten.

Wer weiß? Vielleicht hat dies Mr. Spielberg den Oscar gekostet.

Geospiza strenua (aus: Zoology of the Beagle 3 - Birds)
Geospiza strenua, aus: Zoology of the H.M.S. Beagle, Illustration von Elizabeth Gould. (Reproduced with permission from John van Wyhe ed. The Complete Work of Charles Darwin Online; https://darwin-online.org.uk)

Weiterführende Literatur:
Wer mehr über die Relevanz der Darwin-Finken und angebliche Auseinandersetzungen darüber zwischen Darwin und Captain FitzRoy lesen möchte, dem empfehle ich diesen Artikel zur Entstehung der Legende um die Darwin-Finken von Frank Sulloway: Darwin and his finches: The evolution of a legend.

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Kommentare (4)

  1. #1 rolak
    Februar 28, 2013

    Schön beschrieben, dieses dem nur am Rande Aufgeschnappten hinterher recherchieren. Kommt mir bekannt vor…

  2. #2 Carsten Kemper
    Lippstadt
    Februar 28, 2013

    Aus “The Voyage of the Beagle by Charles Darwin” zweite Auflage von1845:
    zitiert nach https://www.gutenberg.org/ebooks/944
    The remaining land-birds form a most singular group of finches, related to each other in the structure of their beaks, short tails, form of body and plumage: there are thirteen species, which Mr. Gould has divided into four sub-groups. All these species are peculiar to this archipelago; and so is the whole group, with the exception of one species of the sub-group Cactornis, lately brought from Bow Island, in the Low Archipelago. Of Cactornis, the two species may be often seen climbing about the flowers of the great cactus- trees; but all the other species of this group of finches, mingled together in flocks, feed on the dry and sterile ground of the lower districts. The males of all, or certainly of the greater number, are jet black; and the females (with perhaps one or two exceptions) are brown. The most curious fact is the perfect gradation in the size of the beaks in the different species of Geospiza, from one as large as that of a hawfinch to that of a chaffinch, and (if Mr. Gould is right in including his sub-group, Certhidea, in the main group) even to that of a warbler. The largest beak in the genus Geospiza is shown in Fig. 1, and the smallest in Fig. 3; but instead of there being only one intermediate species, with a beak of the size shown in Fig. 2, there are no less than six species with insensibly graduated beaks. The beak of the sub-group Certhidea, is shown in Fig. 4. The beak of Cactornis is

    [picture]

    1. Geospiza magnirostris. 2. Geospiza fortis. 3. Geospiza parvula. 4. Certhidea olivasea.

    somewhat like that of a starling, and that of the fourth sub-group, Camarhynchus, is slightly parrot-shaped. Seeing this gradation and diversity of structure in one small, intimately related group of birds, one might really fancy that from an original paucity of birds in this archipelago, one species had been taken and modified for different ends. In a like manner it might be fancied that a bird originally a buzzard, had been induced here to undertake the office of the carrion-feeding Polybori of the American continent.

  3. #3 Nils
    März 1, 2013

    @Carsten:
    Danke für den gesamten Wortlaut des Zitats aus The Voyage of the Beagle. Dass Darwin die Finken dort nicht zumindest genannt hatte, war Quatsch. Ich hab den Satz aus dem Text gestrichen.

  4. #4 Marcus Anhäuser
    Januar 15, 2014

    Kein Hinweis auf das Buch, aber zumindest ein Hinweis auf den famous Scientist, gibt es hier:
    https://ncse.com/blog/2014/01/darwin-lincoln-0015285