Prof. Dr. Christine Färber forscht in den Bereichen Gender Mainstreaming und Gender Budgeting – besonders engagiert ist sie dabei in Gleichstellungsfragen und der Hochschulforschung. Gemeinsam mit Ulrike Spangenberg veröffentlichte sie letztes Jahr die Studie “Wie werden Professuren besetzt? Chancengleichheit in Berufungsverfahren”. Exklusiv für ScienceBlogs fasst Christine Färber – selbst Mutter zweier Kinder – die wichtigsten Erkenntnisse ihrer Untersuchung zusammen.
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Frauenförderung und Gleichstellung sind gesetzliche Aufgaben der Hochschulen, doch bei den Professuren hat der Frauenanteil erst vor kurzem die 10%-Marke überwunden. Deutschland ist hier im Vergleich zum europäischen Ausland und Nordamerika besonders rückständig.

Ein Grund für die Unterrepräsentanz liegt in der verfahrensmäßigen Gestaltung von Berufungen, wie die hier zusammenfassend vorgestellte Studie zur Berufungspraxis an deutschen Hochschulen zeigt.


Berufungsverfahren an deutschen Hochschulen – eine komplexe Angelegenheit

Berufungsverfahren an deutschen Hochschulen sind komplizierte Auswahlprozesse für wissenschaftliche Führungskräfte. Durch Hochschulgesetze sowie Satzungen bzw. Ordnungen der Hochschulen wird für Berufungsverfahren ein rechtlich verbindlicher Rahmen gesetzt.

Das Projekt analysierte im Jahr 2006 den Stand der Verankerung von Gleichstellungsaspekten auf der gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungsebene. Grundlage war eine Vollerhebung der Berufungsordnungen und Leitfäden sowie der gleichstellungsbezogenen Regelungen der Hochschulen in Deutschland, der Hochschul- und Gleichstellungsgesetze sowie der Umsetzungsverordnungen und -empfehlungen der Länder. Überprüft wurden Vollständigkeit, Tiefe und Breite der Verankerung von Vorgaben zur Gleichstellung in den Steuerungsinstrumenten der Länder und der Hochschulen.

Für die Studie wurden Interviews mit Mitgliedern von Berufungskommissionen, Gleichstellungsbeauftragten und Bewerberinnen um Professuren geführt.

Die auswählenden Akteure in Berufungsverfahren, vor allem die Berufungskommission und die Hochschulorgane, haben sehr weit reichende Handlungsspielräume. Zur Praxis in Berufungsverfahren wurden daher 42 Frauen und Männer in einer qualitativen Interviewstudie befragt.

Für die Erschließung der Gleichstellungsperspektive der Auswählenden wurden 9 Berufungskommissionsvorsitzende sowie 13 Frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragte von Universitäten und Fachhochschulen in Deutschland interviewt. Interviews mit 15 Bewerberinnen und 5 Bewerbern, darunter 3 Wissenschafts-Karrierepaaren, auf Professuren erfassen geschlechterdifferenziert die Perspektive derjenigen, die in Berufungsverfahren auf ihre Eignung überprüft werden.

Im Ergebnis zeigte sich, dass Berufungsverfahren in Deutschland sowohl in Bezug auf die Verfahrensregelungen als auch durch das Verfahrensmanagement, also die konkrete Ausgestaltung der Verfahren, verbessert und gleichstellungsorientiert gestaltet werden müssen.

Umgang mit Bewerberinnen und Bewerbern wirkt geschlechterdifferenziert.

In Berufungsverfahren wird Ungleichbehandlung spürbar.

Viele Wissenschaftlerinnen fühlen sich in Berufungsverfahren unangemessen behandelt, für Wissenschaftler gilt dies zwar auch, aber nicht in der gleichen Schärfe. Oft treten Berufungskommissionen in Deutschland qualifizierten Wissenschaftlerinnen abwertend und desinteressiert entgegen. Vor allem der Ablauf und die Kommunikation im Verfahren erscheint Frauen teilweise „extrem verletzend” oder „empörend”, Männer greifen eher zu strukturellen oder sportlichen Erklärungen wie „ich war jung”, „da haben sie den Bogen ein bisschen überspannt”.

Teilweise treten Berufungskommissionen den Bewerberinnen mit Desinteresse entgegen.

Frauen trifft die schlechte Behandlung durch Berufungskommissionen anders und härter, auch weil sie diese stärker wahrnehmen. Sie beschreiben sich selbst als abhängiger von der Stimmung in der Kommission, wobei sie nicht „mit dem Wellnessfaktor der Bewerberinnen” (Bewerberin) argumentieren. Abwertender Umgang, aber auch unpersönliches Verhalten verunsichern die befragten Wissenschaftlerinnen stärker. Sie suchen das Problem anders als die befragten Bewerber auch bei sich selbst. Der Umgang mit Bewerberinnen und Bewerbern in Berufungsverfahren bewirkt damit, ohne direkt diskriminierend zu sein, Marginalität und Exklusion insbesondere von Frauen.

Bewerberinnen erhalten im Ausland größere Chancen

Die interviewten Bewerberinnen erhielten im Ausland früher in ihrer Karriere und insgesamt mehr Angebote für Professuren als in Deutschland. Im Ausland begegnen Berufungskommissionen ihnen als Frauen mit einer größeren Selbstverständlichkeit, ihnen werden für eine Karriere mit dem Partner bessere Bedingungen geboten. Wenn sie dennoch in Deutschland bleiben, sind die Familie, der Beruf des Partners sowie das lebenswertere soziale und kulturelle Umfeld die Gründe, nicht das Wissenschaftssystem.

Je intransparenter die Verfahren, desto stärker profitieren Männer. Und: Frauen sind zu wenig vernetzt.

Intransparenz fördert informelle Netzwerke – und damit Männer

Für Bewerberinnen und Bewerber sind Berufungsverfahren in Deutschland intransparent, gute Beispiele gibt es im Ausland und nur in Ausnahmefällen aus Deutschland. Intransparenz wirkt geschlechterdifferenziert: Die meisten Bewerberinnen beschreiben sich selbst als nicht ausreichend vernetzt, um wichtige informelle Informationen über den Stand von Verfahren zu erhalten.

Doch nicht nur die Selbstwahrnehmung der Vernetzung ist anders: Frauen verfügen über weniger informelle Informationen als Männer, sie sind faktisch schlechter informiert. Frauen gegenüber werden informelle Informationen als Macht- und Ausgrenzungsinstrument genutzt. Intransparenz und ein Mangel an offener Information in Berufungsverfahren benachteiligen damit Frauen erheblich.

Die Kommissionsvorsitzenden müssen das Bewerbungsmanagement leisten. Mit dieser Aufgabe sind sie teilweise überlastet. Gute Information setzt eine professionelle Unterstützung der Vorsitzenden voraus.

An den Hochschulen ist ein Kulturwandel notwendig.

Vor allem aber ist ein Kulturwandel an den Hochschulen notwendig: Denn einige Berufungskommissionsvorsitzende und auch Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte werden oft in der Hochschule informell oder sogar offiziell aufgefordert, keine Informationen herauszugeben, teilweise mit der Begründung das Wichtigste sei, keine Konkurrentenklage hervorzurufen. Bewerberinnen und Bewerber werden so von den Hochschulen intentional und entgegen bestehender Informationsrechte nicht informiert.

Es ist notwendig, dass den Bewerberinnen und Bewerbern gegenüber Struktur und Ausstattung der Stelle, Auswahlkriterien, Zeitpläne, Auswählende, Mitbewerberinnen und Mitbewerber, Gutachten und Auswahlentscheidungen, über ihre Informationsrechte und Informationsmöglichkeiten in Berufungsverfahren, transparent gemacht werden.


Im nächsten Teil des Essays wird dargestellt, welche strukturellen Aspekte des Berufungsverfahrens die Chancenungleichheit zementieren. Und es werden verschiedene Verbesserungsvorschläge skizziert.

Prof. Dr. Christine Färber lehrt an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg

Kommentare (3)

  1. #1 Shin
    September 15, 2008

    Verstehe ich das richtig? Frauen sind also schlechter vernetzt und lassen sich von einer abweisenden Haltung der Berufungskommissionen leichter verunsichern, und haben deshalb schlechtere Chancen trotz Gleichbehandlung? Das ist schade, aber ist nicht gerade Gleichbehandlung das Ziel? Ungleichbehandlung fände ich nämlich tatsächlich ungerecht.

  2. #2 ScienceBlogs Redaktion
    September 15, 2008

    @Shin:

    Ja, natürlich ist Gleichbehandlung das Ziel. Zumindest ist es bei Berufungsverfahren, wenn es um die Neubesetzung von Professuren geht, die Vorgabe, daß der fachlich geeignetste Kandidat/die Kandidatin den Zuschlag bekommt.

    Allerdings lehrt die Erfahrung – und das hat Christine Färber in ihrer Studie in den Interviews festgestellt – , daß oftmals subtile Formen der Ungleichbehandlung greifen. Wie oben skizziert: Bewerberinnen werden von den Gremien z.T. sogar recht offen “abwertend” behandelt – zumindest wird das so erlebt. Und zudem sind die Verfahren meist sehr intransparent, so daß es notwendig ist, wenn man über gute Netzwerke und Infokanäle verfügt – und da sind meist Männer im Vorteil…

  3. #3 Thilo
    September 17, 2008

    Zum letzten Absatz:
    Struktur und Ausstattung einer Professur sind m.W. Gegenstand der Berufungsverhandlungen, die erst beginnen, nachdem die Berufungskommission einen Ruf ausgesprochen hat. Man kan den Bewerbern also keine Informationen hierzu geben, weil diese noch gar nicht vorliegen bzw. Gegenstand späterer Verhandlungen sind.
    Ähnlich ist es mit den Zeitplänen, die in der Regel nicht von vornherein feststehen werden und mit den Auswahlkriterien, die sich sicherlich nicht immer griffig in wenigen Sätze zusammenfassen lassen.

    Daß die Namen der “Auswählenden” (d.h. der Kommissionsmitglieder) nicht veröffentlicht werden, könnte möglicherweise damit zu tun haben, daß man Einflußnahmen von außen (durch Netzwerke etc.) vermeiden will.
    Und daß die Namen der MitbewerberInnen nicht transparent gemacht werden, hat einen recht offensichtlichen Grund: man will vermeiden, daß Bewerber sich dadurch empfehlen, daß sie direkt oder indirekt ihre Konkurrenten verunglimpfen lassen.