Gleichstellungsorientiertes Berufungsmanagement und Quotierung

Berufungsverfahren bleiben auch bei starker Formalisierung komplexe Kommunikations- und Entscheidungsprozesse, in denen viele Möglichkeiten liegen, Bewerberinnen positiv einzubeziehen oder negativ auszugrenzen. Die Richtung, in die der Kommunikationsprozess ausgerichtet ist, zeigt in der Praxis deutscher Hochschulen zu selten auf die Bewerberinnen und ist entlang von Männernetzwerken strukturiert. Viele Berufungskommissionen bemühen sich um Neutralität und sind sich nicht bewusst, wie Geschlechterrollen und Geschlechterbilder in ihre vermeintlich neutralen Beurteilungen eingehen.

Es reicht nicht aus, dass sich Berufungskommissionen um “Neutralität” bemühen. Denn oft ist ihnen nicht bewusst, wie Geschlechtsstereotype in die vermeintlich “neutralen” Urteile einfliessen.

Schlüsselpersonen, den Prozess beeinflussen können, sind die Kommissionsvorsitzenden, die neu einzurichtenden Berufungsbeauftragten, die Hochschulleitungen, die Dekaninnen und Dekane, die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten sowie landespolitische Akteurinnen und Akteure. Alle berufungsbezogenen Steuerungsinstrumente müssen aktiv auf die Berufung von Frauen ausgerichtet und der notwendige Kulturwandel durch Quoten für die Berufung von Frauen unterstützt werden.

Handlungsempfehlungen für Bund, Länder und Hochschulen

Bund, Länder und Hochschulen sollten durch Rechtsetzung, gezielte Gleichstellungsmaßnahmen und ein systematisches gleichstellungsorientiertes Qualitätsmanagement die Berufung von Frauen gezielt fördern.

Der Bund kann u. a.

  • mit einem deutlich wahrnehmbaren Signal die Berufung von Frauen und Dual Career fördern,
  • Wissenschaftlerinnen bei der Qualifizierung unterstützen, ihnen Beratung bieten und eine Ombudsstelle einrichten,
  • Datenbanken über Wissenschaftlerinnen und freie Stellen fördern,
  • Bundesmittel zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und zur Forschungsförderung gleichstellungsbezogen vergeben,
  • Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte unterstützen,
  • Vergleichende Daten aufbereiten sowie Forschung und Vernetzung zum Thema fördern.

Die Länder können sich solche Maßnahmen ebenfalls zu Eigen machen und darüber hinaus u. a.

  • Gleichstellung in Berufungsverfahren rechtlich substantiiert verankern,
  • Gleichstellung durchgängig und prioritär über Empfehlungen in Leitfäden für Berufungsverfahren integrieren,
  • die Professionalisierung und bessere materielle Ausstattung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten sicherstellen,
  • gleichstellungsorientierte Personalentwicklung für Auswählende, insbesondere Berufungsbeauftragte und Kommissionsvorsitzende, fördern,
  • Berufungsergebnisse kontrollieren,
  • Personalentwicklungsmaßnahmen für Bewerberinnen finanzieren,
  • flexible Mittel für Dual Career vorhalten,
  • finanzielle Anreize zur Berufung von Frauen einführen,
  • quantitative und qualitative Vorgaben zur Berücksichtigung von Wissenschaftlerinnen im Verfahren insbesondere bei der Aufforderung zur Bewerbung, der Einladung zum Vortrag, der Begutachtung und bei der Zusammensetzung der Berufungskommission machen,
  • Ergebnisquoten für die Berufung von Frauen festlegen, insbesondere bei Berufungsverfahren ohne Ausschreibung, Hausberufungen und Tenure Track.

Die Hochschulen können diese Maßnahmen ebenfalls ergreifen und darüber hinaus u. a.

  • das Bewerbungsmanagement wertschätzend gestalten,
  • Berufungskommissionsvorsitzende professionell unterstützen und von Routineaufgaben in Berufungsverfahren entlasten,
  • bei der Auswahl von Berufungsbeauftragten, Berufungskommissionsvorsitzenden und Kommissionsmitgliedern auf deren Beitrag zur Gleichstellung achten,
  • Kommissionen mit mindestens 40% Frauen besetzen,
  • Gutachten von Frauen erstellen lassen,
  • Auswahlkriterien gleichstellungsorientiert gestalten,
  • Frauen gezielt ansprechen und personenbezogen Gelegenheiten nutzen, wenn gute Frauen auf dem Markt sind,
  • Frauen im Verfahren besonders berücksichtigen,
  • Übersichtliche Leitfäden entwickeln, die insbesondere auch gleichstellungsorientierte Regelungen integrieren und gute Praxis breit kommunizieren,
  • sich auf das Gleichstellungsergebnis als Strukturkategorie konzentrieren und
  • Frauen berufen.
Zum Weiterlesen:

Färber, Christine; Spangenberg, Ulrike (2007) Wie werden Professuren besetzt? Frankfurt/ New York: Campus.

National Research Council (2006) National Research Council of the National Academies (2006) To Recruit and Advance Women Students and Faculty in U.S. Science and Engineering. Washington.

Wissenschaftsrat (2005) Empfehlungen zur Ausgestaltung von Berufungsverfahren, Köln.

Prof. Dr. Christine Färber lehrt an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg

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Kommentare (1)

  1. #1 Thilo
    September 24, 2008

    Es gab vor einigen Wochen einen längeren NYT-Artikel zum Thema: http://www.nytimes.com/2008/07/15/science/15tier.html?_r=1&oref=slogin
    Es ging natürlich um die USA, aber vieles wird sicher auch auf Deutschland zutreffen.