Doch der Frauenanteil innerhalb dieser Berufsgruppe stagniert seit Jahren bei ca. 10%. Und auch die Universitäten tun sich schwer, mehr Studentinnen für die einschlägigen Fächer zu begeistern. Möglicherweise findet aber allmählich ein Umdenken statt: das Diversity-Konzept wird immer populärer. Prof. Dr. Susanne Ihsen und Sabrina Gebauer von der TU München erläutern die Hintergründe.
Derzeit herrscht in Deutschland immer noch ein Mangel an Ingenieurinnen und Ingenieuren, und so werden immer neue Möglichkeiten gesucht um diesen Bedarf gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang hat sich Diversity Management als neuer Trendbegriff etabliert.
Gerade in der Technik- und Produktentwicklung spielt der Diversity-Ansatz eine tragende Rolle. Hier gilt es durch sogenannte „mixed teams” unterschiedlichste Produkte zu entwickeln, um den vielfältigen Bedürfnissen gerecht werden. Diversity Management umfasst aber auch eine Vielzahl an Maßnahmen, deren Schwerpunktsetzung sich je nach Unternehmen unterscheidet. Diversity Managment umfasst die verstärkte Integration ausländischer Mitarbeiter, die Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Arbeitsalltag, und den Abbau von Vorurteilen gegenüber Behinderungen.
In Deutschland haben wir nach wie vor nur eine sehr geringe Zahl an Frauen in ingenieurwissenschaftlichen Fächern.
Die Diskussion über den zu erwartenden demografischen Wandel und den Fachkräftemangel in Deutschland ebbt nicht ab. Ingenieure und Ingenieurinnen sind in Deutschland wie in der Welt begehrt, die Berufsaussichten hervorragend. Dem gegenüber steht in Deutschland eine nach wie vor sehr geringe Zahl an Frauen in ingenieurwissenschaftlichen Fächern. Insbesondere in der Elektrotechnik und im Maschinenwesen gibt es bundesweit wenig weibliche Studierende, wodurch sich das Problem des fehlenden ingenieurwissenschaftlichen Nachwuchses verfestigt.
Zudem steht Deutschland dem großen Problem gegenüber, dass Frauen in den wissenschaftlichen Karrieren „verloren gehen”. Dieses Phänomen wird als „leaky pipeline” bezeichnet (European Commission 2001). Es beschreibt das Problem, dass Frauen auf den höheren Stufen der wissenschaftlichen Karriereleiter unterpräsentiert sind und dies betrifft nicht nur technische Fachbereiche, tritt in diesen aber natürlich gravierender auf. Die Zahl der Frauen in Führungspositionen, sei es Wirtschaft oder Wissenschaft, wird geringer, je höher die Position dotiert ist.
Unternehmen haben erkannt, dass künftig Fachfrauen fehlen und zu wenig Ingenieure und Ingenieurinnen zur Verfügung stehen.
Mehr Vielfalt: Der Mix macht’s
„Diversity” (Vielfalt) heißt das neue Zauberwort. Entstanden ist die betriebliche Berücksichtigung verschiedener Personengruppen übrigens nicht bei der Klärung der Geschlechterfrage. Vielmehr sahen weltweit operierende Unternehmen sich vor dem Managementproblem, globale Strategien und lokale Märkte zusammen zu bringen.
Der Spagat lohnt sich: Die Vielfalt wird nun bei den Ansprüchen von Kundinnen und Kunden sowie bei Märkten in unterschiedlichen Kulturen und Regionen nutzbar gemacht. Gemeinsam mit der Erkenntnis in Unternehmen, dass künftig nicht nur Fachfrauen fehlen, sondern insgesamt zu wenige Ingenieurinnen und Ingenieure zur Verfügung stehen, führt das dazu, eine Vielzahl von Programmen und Maßnahmen aufzulegen, um bis in einzelne Entwicklungsteams hinein diese unterschiedlichen Kundengruppen zu „spiegeln”.
In einem zweiten Schritt führt dieser neue Forschungs- und Entwicklungsansatz zu personalpolitischen Konsequenzen, zu maßgeschneiderten Arbeitszeitmodellen, zu Programmen rund um „Work-Life-Balance”. Laut einer aktuellen Prognos-Studie sind Unternehmen mit entsprechenden Programmen wirtschaftlich außerordentlich erfolgreich. Dabei wird es wohl gar nicht an den Programmen liegen, sondern an den passgenaueren Produkten, die sie nun vertreiben.
Wie so oft bei gesellschaftlichen Prozessen entwickelt sich eine unternehmerische Veränderung aber nicht sofort flächendeckend. Während die einen Unternehmen auch gemeinsam mit Forschungseinrichtungen neuen Zielgruppen längst auf der Spur sind, fühlen sich andere weiterhin sicherer bei der Einstellung möglichst gleichaltriger junger Männer einer Fachrichtung und vermeiden das „Risiko” von Veränderung. Dennoch: die Arbeitslosigkeit nimmt laut VDI in der gesamten Berufsgruppe weiter ab (insgesamt noch ca. 3,8%) und auch bei Ingenieurinnen sinkt die Quote auf 8,4% (vgl. hierzu: www.vdi.de/monitoring).
Ingenieurinnen bleiben häufiger als ihre männlichen Kollegen im mittleren Management hängen.
Und während die Zahl der Studentinnen in den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen erfreulicherweise stabil bleibt, hat sich der Anteil angestellter Ingenieurinnen in den letzten Jahrzehnten nicht nennenswert erhöht. Betrachtet man die einzelnen Jahre, kommt man auf eine langsame Steigerung von rund 1000 Ingenieurinnen pro Jahr seit Mitte der 70er Jahre. Da ist eine Schnecke schneller. Der überwältigende Teil der angestellten Ingenieurinnen hat volle Stellen, davon haben 75% keine Kinder. Häufiger als ihre männlichen Kollegen bleiben sie trotzdem im mittleren Management hängen. Es ist also doch noch nicht alles so rosig und der Vielfalt verpflichtet, wie man aktuell meinen könnte.
(Keine) Karriere um jeden Preis
Trotz mannigfaltiger Maßnahmen, Programme und entsprechender Öffentlichkeitsarbeit seitens der Hochschulen, der Berufsverbände, Ministerien und Unternehmen geht die quantitative Entwicklung nur mühsam voran. Die Studierendenzahlen in den Ingenieurwissenschaften sind, trotz generell guter Berufsaussichten, zu niedrig; der Anteil der Studentinnen stagniert. Seit Jahren kommen wir über einen 10%igen Frauenanteil in der Berufsgruppe nicht hinaus.
Es ist sicherlich davon auszugehen, dass der oben beschriebene Veränderungsprozess parallel zu den bisherigen Selektionsverfahren verläuft, d.h. es werden sich deutlich mehr Unternehmen weiterhin schwer tun, Ingenieurinnen einzustellen und personalpolitisch zu fördern, als bislang Unternehmen mit der erklärten Absicht in die Öffentlichkeit getreten sind, die Fähigkeiten der Fachfrauen konsequent zu nutzen.
Frauen lehnen eher als Männer eine eindimensionale Karriere ab.
Und diese selbst haben klare Vorstellungen, wie sie leben und arbeiten wollen. Frauen lehnen eher als Männer eine eindimensionale Karriere ab. Sie wollen nicht ausschließlich arbeiten, sondern gleichzeitig ein Privatleben haben – ein Ansatz, der auch vielen Männern mindestens gesundheitlich ebenfalls gut anstünde (vgl. dazu auch Kosuch 1994). Unternehmen, die es mit Gender und Diversity ernst nehmen, brauchen neue Arbeitszeitmodelle, neue Konzepte für Teilzeit-Karrieren, Angebote zur Unterstützung bei Betreuungsengpässen – sei es von einem Kind oder einem zu pflegenden Familienmitglied.
Der Mix macht’s – auch in der Technikentwicklung
Erwartungen und Anforderungen, die heute an technische Produkte, Verfahren und Dienstleistungen gestellt werden und die Frage, wie Ingenieurinnen und Ingenieure damit umgehen sollen, prägen die öffentliche Diskussion. Längst wird von dieser Berufsgruppe weit mehr erwartet, als die Entwicklung von funktionsfähiger Technik.
Längst wird von dieser Berufsgruppe weit mehr erwartet, als die Entwicklung von funktionsfähiger Technik.
Ob eine Technik akzeptiert wird oder sich durchsetzt, hängt nicht nur von ihrer Funktionsfähigkeit und ihrem Preis ab. Stets geht es darum, die Chancen neuer Technologien und ihre Konsequenzen abzuwägen, sich gleichzeitig mit der Technikentwicklung der öffentlichen Diskussion zu stellen und für neue Produkte und Dienstleistungen zu werben. Der Ingenieur, die Ingenieurin, wird sichtbar, nimmt Stellung.
Das Berufsbild von Ingenieurinnen und Ingenieuren hat sich somit entscheidend verändert und bietet nun auch den Personengruppen eine attraktive Berufstätigkeit, die sich vom „sprachlosen” und „grauen” Tüftler nicht angesprochen fühlen. Hier liegen gerade für junge Frauen viele Mitgestaltungschancen.
Dipl.-Päd. Sabrina Gebauer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Frau Prof. Ihsen.
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