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Heute wird der erste der insgesamt sechs Nobelpreise verliehen – und da ScienceBlogs nach wie vor ein besonderes Augenmerk auf Wissenschaftlerinnen im Rahmen des For Women in Science Blogs legt, heißt es ab sofort: Damenwahl! Zu jedem Nobelpreis werden wir daher eine prominente Preisträgerin vorstellen. Den Anfang macht Rita Levi-Montalcini, die 1986 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie erhielt.

Geboren wurde die Italienerin sefardischer Herkunft am 22. April 1909 in Turin gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Paola. Ihr Vater Adamo Levi arbeitete als Elektroingenieur während ihre Mutter Adele Montalcini die Zwillinge und zwei weitere Kinder – Gino und Nina – großzog. Während von Paola bekannt ist, dass sie ein sehr lebhaftes Kind gewesen sein soll, war Rita sehr ängstlich und schüchtern und scheute andere Kinder, aus Angst vor antisemitischen Anfeindungen.

Nachdem Rita und ihre Schwestern die Grundschule besucht hatten und theoretisch die Mittelschule hätten besuchen können, entschied ihr Vater, sie nur auf eine Höhere Töchterschule zu schicken. Dort konnten sie keinen Abschluss erwerben, der ihnen den Zugang zur Universität ermöglicht hätte.

Als Rita 19 Jahre alt war, erkrankte ihr früheres Kindermädchen an Krebs. Getrieben vom Wunsch, ihr Leben zu retten, erkämpfte Rita sich vom Vater die Erlaubnis, eine weitere Schule besuchen zu dürfen um anschließend Medizin studieren zu können. Innerhalb von acht Monaten eignete Rita sich bei privaten Lehrern die für ein Universitätsstudium damals nötigen Kenntnisse in Latein, Altgriechisch, Mathematik und Geographie an.

Bei der Aufnahmeprüfung für externe Kandidatinnen der Universität Turin fiel Rita zwar in Geographie durch – sie wusste nicht, wo der Golfstrom lag – dennoch wurde sie jedoch zum Medizinstudium zugelassen. Von 1930 bis 1936 studierte Rita Levi-Montalcini Medizin – um im Anschluss mit der Realität konfrontiert zu werden, dass unter den Faschisten „nichtarischen” Frauen der Zugang zu akadamischen Positionen nicht gestattet war. Darum zog die junge Ärztin nach Belgien, wo sie bis zur Invasion der Deutschen arbeitete.

Als die Situation für Rita auch in Belgien zu gefährlich wurde, kehrte sie nach Turin zurück und lebte mit ihrer Familie versteckt in einer Wohnung. Während Freunde die Familie mit Lebensmitteln versorgten, erforschte Rita die Extremitätenausbildung von Hühnerembryonen in einem improvisierten Labor in ihrem Schlafzimmer. Da die Familie Gefahr lief, entdeckt zu werden, zogen sie in dieser Zeit mehrfach um. Im August 1944 lebten sie in Florenz, als britische und amerikanische Truppen die Deutschen verdrängten.

Anschließend bekämpft Rita Seuchen und Epidemien in einem Flüchtlingslager als Krankenschwester und Ärztin. Wenige Monate später kehrt die Familie nach Turin zurück, wo Rita eine Assistenzstelle am Anatomischen Institut annimmt und zugleich ein Biologiestudium beginnt. Drei Jahre später geht sie in die USA, wo sie in der zoologischen Abteilung der Washington University in St. Louis die Funktion des Nervensystems erforscht.

1969 kehrt Rita Levi-Montalcini nach Italien zurück und leitet in Rom das Laboratorium für Zellbiologie des Nationalen Forschungsrates. Dabei erforscht sie vor allem die zelluläre Nachrichtenübertragung und entdeckt den Nervenwachstumsfaktor, ein Polypeptid – eine Leistung für die sie Jahre später den Nobelpreis erhält.

Weshalb Nerven zu wachsen beginnen, entdeckte Rita Levi-Montalcini anhand von Hühnerembryonen: Ihnen pflanzte sie Krebszellen von Mäusen ein und beobachtete anschließend, dass die Nervenzellen der Embryonen übermäßig wuchsen – verantwortlich dafür war das vom Tumor abgesonderte Polypeptid.

Stanley Cohen, mit dem sie sich den Nobelpreis 1986 teilt, war bereits 1953 zu ihrem Labor gestoßen. Die Wissenschaftlerin beschloss, ihren Anteil des hochdotierten Preises dem wissenschaftlichen Nachwuchs in ihrem Spezialgebiet zu spenden – ihr Leben werde der Nobelpreis nicht mehr verändern, erklärte die damals bereits 77-jährige. Sie werde weiterarbeiten wie bisher.

Obwohl sie mittlerweile auch die US-amerikanische Staatsangehörigkeit besitzt, lebt und arbeitet Rita Levi-Montalcini in Italien, wo sie bis heute diverse Positionen inne hat: So ist die Wissenschaftlerin beispielsweise Präsidentin der italienischen Multiple-Sklerose-Gesellschaft und sowohl Mitglied der Accademia Nazionale die Lincei als auch der International Academy of Science. Außerdem wurde sie im Jahr 2001 vom damaligen Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi zur Senatorin auf Lebenszeit ernannt.

Momentan ist Rita Levi-Montalcini die älteste, lebende Nobelpreisträgerin. Bis zu ihrem 85. Lebensjahr ging sie täglich ins Institut für Neurobiologie.