Danke für das Verfolgen der ersten Teile meiner Serie. Zuerst schrieb ich ja über das Silur, vornehmlich im Hinblick auf Plattentektonik. Danach ging es um die Faunenzusammensetzung rezenter Riffe im Vergleich zu den paläozoischen Pendants.

Hier nun möchte ich den vielleicht interessantesten Teil der Serie bringen, nämlich den, wo ich zeige, wie man aus gesammelten, grauen (verkieselten) Fossilien ein buntes, anschauliches Modell herstellt.

Das Ganze ist eine Praktikumsarbeit, die ich während meines Geologiestudiums angefertigt habe. Das Diorama selbst ist in den Sammlungsbestand der Staatlichen Naturhistorischen Sammlungen Dresden übergegangen.

Zuerst musste erarbeitet werden, welche Gattungen mit je wie vielen Individuen exemplarisch als Beispiel des Lebensraum dienen sollen. Hierfür diente die statistische Auswertung aller gesammelter und bestimmter Stücke je Fundort als Grundlage.

% Gattungen gesamt % Individuen gesamt
Anthozoa 42,3 64,3
Articulata 23,1 17,0
Gastropoda 15,4 8,7
Cephalopoda 11,5 4,1
Porifera 3,8 5,4
Trilobita 3,8 0,4

Die Tabelle zeigt, wie die Klassen und die dazugehörigen Individuen verteilt sind. Entsprechend dieser Verteilung wurden Gattungen für die Rekonstruktion ausgewählt.

So sind die Vertreter der Anthozoa: Heliolites, Favosites, Halysites und Cystiphyllum. Für die Brachiopoden stehen Atrypa und Ferganella. Oriostoma und Euomphalopterus repräsentieren die Gastropoden, Stromatopora wurde für die Schwämme erwählt und Orthoceras vertritt die Cephalopoden. (Und wem das zu viel lateinische Namen sind, der nimmt das einfach mal so hin. Hier geht es nur um die Spezifizierung der häufigsten Vertreter der damaligen Zeit und das Heraussuchen der passenden zu rekonstruierenden Fossilien.Was das alles im Einzelnen ist, darüber schrieb ich Teil 2.)

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Zu Beginn des Baus stand die mechanische Bearbeitung der zum Abformen ausgewählten Stücke an. Vor allem der Druckluftmeißel war hier das gängige Werkzeug. Die verkieselten Fossilien mussten möglichst großflächig von ihrer Kalksteinauflage befreit werden, damit eine gute Grundlage für die Abformung vorhanden war. Teilweise wurden die Stücke über Nacht hierfür in eine verdünnte Salzsäurelösung gelegt, da HCl den Kalk, aber nicht das SiO2 (Kieselgel- verkieselte Fossilien)

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Nachdem die Stücke in ihrer letztendlichen Form vorlagen, konnte mit dem Abformen begonnen werden.

Die rugosen Korallen und die Brachiopoden wurden mittels einer zweiteiligen Silikonkautschukform und anschließendem Ausgießen mit Kunstharz abgeformt. Das Arbeiten mit Zweikomponenten- Werkstoffen hat Vor- und Nachteile. Die Vorteile sind eine hohe Detailgenauigkeit und ihre Wasserresistenz. Die Nachteile sind hohe Kosten und die hohe Anfälligkeit auf Verarbeitungsfehler. So kam es vor, dass eine Silikonkautschukform nach dem Aushärten einige weiche Stellen hatte, die nicht mehr nachträglich zu Härten gingen, denn an diesen Stellen war der Härter nicht gleichmäßig in die Silikonmasse eingerührt worden. Ein zu heftiges Rühren allerdings verursacht eine starke Luftuntermischung, welche zu Blasen führt, die die Form unbrauchbar macht, wenn man sie nicht sorgfältig mit dem Pinsel entfernt. Beide Probleme, die schlechte Vermischung und die Detailzerstörung durch Bläschen, sind auch beim Ausgießen mit Kunstharz aufgetreten.

Deswegen wurde für die tabulaten und die zweite Abformreihe der rugosen Korallen Latex als Abformmittel eingesetzt. Dies ist durch das lagenförmige Auftragen zeitaufwendig und sollte wegen der Geruchsentwicklung möglichst im Freien oder unter einem Abzug geschehen. Allerdings wurden hiermit die besten Ergebnisse erzielt. Latex ist durch die flüssige Konsistenz sehr genau im Abformen der Oberflächenstrukturen, nicht so kostenintensiv wie die Zweikomponenten- Werkstoffe und lässt sich einfach mit einem Pinsel auftragen. Da keine Härter zugesetzt werden müssen, schließen sich die unregelmäßige Endkonsistenz und eingerührte Bläschen aus.

Es wurde auch mit Latex- Verdicker gearbeitet, um am Ende die nötige Schichtdicke von mindestens 2mm zu erreichen. Die so entstandenen Formen waren sehr flexibel und ließen sich ohne Probleme vom teilweise stark und fein unterschnittenen Stein ablösen.

Ausgegossen wurden sie mit stark verflüssigtem Gips. So wurden auch feine Strukturen deutlich abgeformt und selbst große Stücke wir die Tabulatenstöcke konnten massiv hergestellt werden und blieben in einem kostengünstigen Rahmen.

Nachdem die Gipsblöcke und Kunstharzelemente durchgetrocknet waren, was bei ersteren wenige und beim Harz ca. 24h dauert, konnten sie koloriert und rekonstruiert werden.

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Für die Korallen wurden aus ofenhärtender Knetmasse der Firma „Fimo” Weichkörper modelliert, die anschließend einzeln bemalt und aufgeklebt wurden. Die Knetmasse eignet sich gut zum Verarbeiten, denn die feinen Tentakeln mussten einzeln geformt und gerichtet werden, um einen realistischen, lebhaften Eindruck zu vermitteln. Die Polypen von

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Halysites wurden kleiner als die von Heliolites, und diese wiederum wurden kleiner als die von Favosites nachgebildet. Der Grund liegt in der durch das Gestein vorgegebenen Größe des Skelettquerschnittes. Die Farben wurden willkürlich gewählt, lehnen sich aber an die Leuchtkraft rezenter Riffe an.
Cystiphyllum als Rugose erhielt 16 Tentakeln als Vielfaches von 4, was in der zugrundeliegenden Symmetrie begründet ist. Sicher waren es in Wirklichkeit mehr, allerdings waren unter dem zeitlichen Rahmen derartige Details nicht möglich.

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Die Brachiopoden bekamen dezente Farben, da die Individuen klein und unscheinbar waren.
Atrypa wurde ohne Stiel rekonstruiert, da anzunehmen ist, dass adulte Tiere ohne dieses Hilfsmittel auf dem weichen Untergründen auflagen.
Ferganella wurde an eine erhobene Stelle gesetzt, da sie als freie Filtrierer an exponierten Stellen eine bessere Nahrungszufuhr erhält als an versteckten Nischen.

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Die beiden Schnecken waren als Originalfossil nicht vollständig erhalten, so dass ein Teil der Schale, vor allem bei Euomphalopterus, aus Knetmasse nachgebildet werden musste. Der Weichkörper ist durch nicht erhaltene Substanz, frei erfunden worden. Der Grundgedanke bei der Gestaltung war eine optimale Anpassung an den Lebensraum. Da Oriostoma ein kleines, kompaktes Gehäuse hat, wurde sie als Felsbewohner gestaltet, mit einem kleinen, schlanken Körper. Die Farben dienen der symbolischen Anpassung an eine Heliolites- Kolonie.

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Euomphalopterus hat einen verbreiterten Rand an der letzten Gehäusewindung, das könnte zum Schutz gegen das Einsinken im weiche Sediment dienen, so wurde der Weichkörper mit einer Vergrößerung des Fußes durch einen lamellenartigen Rand geformt.
Die Farben dienen der Tarnung auf dem Sediment in Nähe der Korallen.

Orthoceras dient als Vertreter der Kopffüßer.

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Nachdem eine komplette Weichkörperrekonstruktion aus Modellier- und Knetmasse nicht das gewünschte Ergebnis erzielt hatte und die Zoologieabteilung tatkräftige Unterstützung versprach, wurde ein spannendes Experiment gestartet. Die Arme sollten aus echten Oktopus- Teilen hergestellt werden. Hierfür ging ich in eine Feinkostabteilung und kaufte eine Packung Tintenfische. Nach dem Auftauen und dem Sortieren nach Größe und Erhaltung, wurde das zum Gehäuse passendste Exemplar ausgewählt. Der Armteil wurde abgetrennt und mit feinen Drähten konnte eine lebensnahe Haltung nachgebildet werden. Das Metall bis in die feinen Armspitzen zu schieben ohne das zarte Gewebe zu stark zu zerstören, war eine herausfordernde Aufgabe.

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Nachdem jedoch eine ansprechende Position gefunden worden war, kam es zum nächsten Schritt. Das Stück wurde eingefrohren und danach 4 Tage lang im Gefriertrockner des zoologischen Präparatoriums konserviert. Hierbei kam es zu einer Schrumpfung und Auffaltung des Fleisches, was optisch nicht gerade toll ist, aber die Tatsache eines gefriergetrockneten Tintenfischteils an einer Orthocerasnachbildung ist cool genug, um das wettzumachen.

Das harte Molluskengehäuse wurde mit Silikonkautschuk abgeformt.

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Die verwendeten Farben dienen der Anpassung an die Umwelt und entsprechen dem heutigen Möglichkeiten der Kopffüßer. Da sie im Unter- Silur die vorherrschenden Räuber waren und durch ihre Größe kaum natürliche Feinde hatten, ist nicht sicher, ob sie derartige Tarnmuster bereits entwickelt hatten. Die Jungtiere allerdings waren sicher nicht völlig schutzlos der Umgebung ausgeliefert.

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Wichtige Riffbildner waren die Stromatoporen, die mit zwei Individuen nachgebildet wurden. Die Lagenstruktur soll durch die Farbgebung deutlich gemacht werden. Da in den Kalk die Trübstoffe der Umgebung mit eingelagert werden, sind die, wie die Umgebung, in grün-braunen Tönen gehalten.

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Nachdem die einzelnen Individuen gestaltet wurden, konnte das Riff zusammengesetzt werden. Um es später in die Sammlung eingliedern zu können, wurde ein Standarttablett der Sammlungsschränke als Grundlage genommen.

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Die Tabulata und Stromatopora dienen als „Riffkern” im Hintergrund, sie wurden auf verschieden hohe Styroporplatten gesetzt, um eine natürliche Verteilung nachbilden zu können. Danach wurden die Platten und Abgüsse mit PU- Schaum verbunden. Nachdem dies ausgehärtet war, wurde die wulstige Oberfläche mechanisch geglättet und Bodenunregelmäßigkeiten modelliert. Anschließend wurden die noch vorhandenen Hohlräume zwischen den Korallen und Schwämmen mit einer lufttrocknenden Modelliermasse ausgeschmiert.

Zur großflächigen Oberflächengestaltung diente wieder verwässerter Gips. Nachdem dieser ausgehärtet war, wurde in Senken und Nischen eine Ponal (Holzkaltleim)- Feinsand- Mischung eingepinselt, diese symbolisiert die Zusetzung mit Substrat in Sedimentfallen. Durch den Leim verhärtet der Sand und erhält eine „Nass-Optik”.

Nach diesen Schritten wurde der Holzrand des Tabletts gereinigt und abgeschliffen, anschließend abgeklebt, denn nun konnte der aufgetragene Meeresboden koloriert werden. Wie für die Lebewesen wurden Feinsprühfarben verwendet, die mittels Airbrush- Technik aufgetragen wurden.

Um eine belebte Wirkung zu erzielen, wurde an einer Stelle nach der Farbgebung erneut Ponal- Holzleim aufgetragen und Sand aufgesiebt. Dieser Bereich imitiert einen frischen, noch nicht verunreinigten Sedimenteintrag.

Nach mehreren Wochen Detailarbeit, vielem Gefluche über Korallen, deren Tentakeln und Fimo, Gehänsel über viel zu bunte Farben und Begeisterung über die Fülle an Techniken, war das Diorama schließlich fertig, wurde beschriftet und sollte im Sammlungsschrank verschwinden.

Doch leider ging das nicht 🙂

Ich hatte bei meinem Bau nicht bedacht, dass das Maß des Standardtabletts INNEN für die Schränke relevant ist. Da ich meine Stromatoporen aber diesen habe überlappen lassen, ließ sich das Stück nicht mehr in den Schrank schieben.

Na, dann wurde eben kurzerhand eine Vitrine freigeräumt und es als temporäres Ausstellungsstück in den Paläo-gang gestellt. <3

Ich würde gern mal wissen, ob es noch immer da steht…

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Kommentare (6)

  1. #1 Theres
    April 29, 2011

    Wow! Ein gelungenes Modell, und hoffentlich steht es noch gut sichtbar im Gang. Ein Stück Silur 🙂
    Eine ebenso gelungene Artikelserie, nur vermisste ich auf einmal das Nachschlagen schon. Besonders gefiel mir deine Verlinkung auf weitere Geologie-Seiten im zweiten Teil, die ich dann glatt noch durchgelesen habe. Bitte, weiter so und nicht zu einfach schreiben.

  2. #2 Anke Bebber
    April 29, 2011

    Hallo Theres,
    danke für das Lob *blushing*. Ach ich liebe das Diorama auch. War ne wirklich schöne Arbeit.

  3. #3 tetrian
    Mai 1, 2011

    Cool!
    Das sieht mal echt eindrucksvoll aus. Hab letzte Woche meine Diplomprüfung im nebenfach Paläo gehabt (und bestanden). Da sind Dioramen wie deins schon echt was anderes als mit Buch oder Sammlungsstücken zu lernen.

  4. #4 Anke Bebber
    Mai 2, 2011

    Hallo Tetrian,

    Glückwunsch zum Diplom 🙂
    Ja, ich finde, man kann an guten Dioramen besser lernen als von Büchern, weil die Zusammenhänge so offensichtlich sind und wenn man die Eckdaten kann, kann man sich den Rest meist einfach erschließen. Das bleibt dann auch hängen. Ich habe auch ein “fotografisches Gedächtnis”, da fällts besonders “leicht”. 🙂
    Danke fürs Lob!

  5. #5 Conny
    Mai 2, 2011

    Wow, Anke, das ist ja echt genial. Die ganze Arbeit die da drin steckt und die Deteils, echt klasse. und ich mag die Farben. Soll Dir erstmal jemand beweisen, dass die nicht so gefaerbt waren :-).
    Ich glaube, waere es mein Werk, ich haette es nicht hergeben wollen.
    See you on FB :-),
    Conny

  6. #6 Anke Bebber
    Mai 3, 2011

    HEy Hübsche 🙂

    Danke für den Kommentar.
    Das Diorama war von Anbeginn Eigentum des Museums. Macht aber auch nichts, dort “nützt” es vielleicht mal jemandem 🙂

    Gruß Anke.