In den nächten Tagen habe ich vor, euch eine sehr spannende Geschichte zu präsentieren. Die entstand während eines Praktikums in den Staatlichen Naturhistorischen Sammlungen Dresden und beinhaltete die Aufgabe, aus vorhandenem Sammlungsmaterial Gotlands letztlich ein Modell zu bauen, was die Faunengemeinschaft der damaligen Riffe repräsentiert.
Im ersten Teil möchte ich grundsätzliche geologische/plattentektonische Dinge klären, damit ihr euch vorstellen könnt, was im Silur global und lokal passiert ist.
Der zweite Teil wird sich mit rezenten und silurischen Riffen beschäftigen, damit auch biologisch alle nötigen Vorkenntnisse geebnet sind.
Der dritte und letzte Teil wird für viele sicher der spannendste sein, denn er wird im Detail beschreiben, was ich wie, mit welchen Materialien und aus welchen Gründen gestaltet habe. Nur soviel als Teaser: von Gips- und Acrylabgüssen geht es am Ende hin zu gefriergetrockneten Tintenfisch. 🙂 Also, jede Menge Action für so kleine graue Steinchen!
Und los gehts mit dem theoretischen Teil:
Das Silur zählt zusammen mit dem Devon zum mittleren Paläozoikum. Es begann vor 438Millionen Jahren und endete vor 410Millionen Jahren. Gondwana lag noch immer im Süden, die anderen Kontinente, bis auf die Sibirische Plattform nördlich von Baltica, reihten sich in Äquatornähe aneinander. Das wichtigste plattentektonische Ereignis im mittleren Paläozoikum war die Schließung des Iapetus – Ozeans mit der Auffaltung der Kaledoniden im heutigen Europa und des Akadischen Gebirges im Gebiet der heutigen Appalachen.
Die Erde im Silur. (wikipedia via 36ophiuchi)
Die oberordovizischen Vereisungen, die durch die Südpollage Gondwanas bedingt waren, schmolzen langsam ab und es kam in Folge dessen im Unter -Silur zu einem allgemeinen Meeresspiegelanstieg. Ab dem Wenlock ist ein erneutes, stetiges Fallen des Meeresspiegels dokumentiert worden. Das Klima wird als trocken beschrieben, und die Erwärmung der Erde führte in den Flachwassergebieten zu Karbonatablagerungen bis hin zu Evaporiten.
Durch die reduzierte Artenvielfalt nach dem Massenaussterben am Ende des Ordoviziums konnten viele Lebensräume neu besiedelt werden.
Die meisten ordovizischen Taxa erholten sich im Silur wieder und bevölkerten weite Teile des Planeten.
So beherrschten benthonische Brachiopoden und pelagische Graptolithen das Bild. Die Trilobiten erreichen die im älteren Paläozoikum erlangte Artenvielfalt nicht mehr und gingen langsam zurück. In bestimmten, kleinen Bereichen waren Korallen, Mollusken, Bryozoen, Ostracoden und Crinoiden häufig und schlossen sich zu Faunengemeinschaften zusammen. Als aktive Räuber waren nicht allein die Riesenformen der Gehäusecephalopoden dominant. Eurypteriden übernahmen in bestimmten Regionen der Brackwasserzone ihre Rolle.
Als Bereicherung, weniger als ubiquitäre Erscheinungen, gediehen Riffe in den flachwarmen Schelfgebieten sehr gut. Sie erreichten größere Ausmaße als die bisher in der Erdgeschichte aufgetretenen Bryozoenriffe. Die sogenannten Tabulaten- Stromatoporen- Riffe diversifizierten im Unter- Silur und bestanden erfolgreich bis ins Ober- Devon, wo ein Massenaussterben dieser Entwicklung ein Ende setzte.
Geologisch kann man Gotland dem Kontinent Baltica zuordnen. Dieser stellte zu Beginn des Kambriums eine weite, tiefgründig verwitterte Flachlandschaft dar, die nun von einem Meer überflutet wurde. So änderten sich die Festlandsgrenzen beziehungsweise die Wassertiefen, so dass sich unterschiedliche Sedimente ablagern konnten.
Die ältesten kambrischen Ablagerungen sind reine, homogene Sandsteine. Sie sind die Reste der ebenen Fläche, die nach der präkambrischen Verwitterung den Kontinent bedeckten und nun durch die Wasserbewegungen gradiert abgelagert wurden. Dass es Leben gab, bezeugen Spuren grabender Organismen. Die organischen Bestandteile wurden ausgewaschen und gelöst. Kalkschaler wird es nur wenige gegeben haben, da sich im kalten Wasser nur bedingt Kalk abscheiden kann, denn das Lösungsvermögen ist dort im Gegensatz zu warmen Wasser deutlich erhöht. Das kalte Wasser deutet man aus der Lage des Kontinents bei 60-70°s.B. Hier ist es kalt und windig. Die darauf folgenden dunklen Schiefer zeigen eine ruhige Tiefwasserfazies an, die durch den steigenden Meeresspiegel im mittleren Kambrium bedingt ist. Durch die euxinischen Verhältnisse wurde organischer Kohlenstoff nicht komplett abgebaut und so lagerte er sich im Ton an. Auch zu Grunde gesunkene Lebewesen, zum Beispiel Trilobitenreste sind erhalten geblieben, da der Meeresboden unbewohnbar war und somit kein Benthos Zersetzungen vornehmen konnte. In dem sogenannten „Alaunschiefer” des Oberkambriums finden sich auch dunkle Kalkkonkretionen, die linsenartig eingeschaltet sind.
Der Kontinent schob sich immer weiter nordwärts, und das Klima wurde wärmer. Die lebensfeindlichen Bedingungen auf dem Meeresboden besserten sich, was in einer immer helleren Farbe der Tonsteine erkenntlich wird. In den Regionen, die damals küstennah waren, kann man anhand des Orthocerenkalks einen Einblick in die reiche Fauna bekommen, die von Trilobiten, Cephalopoden und Brachiopoden in großer Anzahl erhalten blieben.
Die immer weiter fortschreitende Schließung des Iapetus- Ozeans und die damit immer geringer werdende Ausdehnung eines Tiefwasserbereiches spiegelt sich auch in den Sedimenten wieder. Die Tonschiefer werden geringer, der Kalkanteil erhöht sich und die weiten Flachwasserbereiche dienen als Grundstock für die im Silur einsetzende Riffbildung.
Im Silur hatte Baltica den Äquator erreicht, im Westen näherte sich stetig Laurentia.
Wie bereits erwähnt, kollidierten die beiden Kontinente im weiteren Verlauf und falteten hohe Gebirge auf.
Vorher jedoch überdeckte das Gebiet des heutigen Gotlands ein weit ausgedehntes Flachmeer, in dem sich viele Organismen, die auf pelagische Larvenstadien angewiesen waren, sehr erfolgreich ausbreiten konnten. Festes Land gab es auf einem schmalen Streifen im Westen und großflächig im Norden. Noch gab es keine Landpflanzen, und das tropische Klima führte so zu einer intensiven Verwitterung. Die küstennahen Gebiete, die heute den Gesteinsuntergrund Gotlands darstellen, waren geprägt von lichtdurchfluteten, flachen Wasserbereichen, wo die starken Wellenbewegungen den hohen Detritusanteil im Wasser abtransportieren konnten. Diese Gegend war ideal für die Ansiedlung sessiler, kalkabscheidender Organismen wie Korallen. Diese stehen heute in enger Symbiose mit Zooxanthellen, die auf Licht angewiesen sind, um Photosynthese zu betreiben. Die Korallen nutzen die zusätzliche Kalziumkarbonatquelle zum Aufbau ihrer Kelche. Die starken Wasserbewegungen dienen auch einer Sättigung mit Sauerstoff, so ist für das Plankton eine gute Lebensgrundlage geschaffen. Dieses wird von Filtrierern als Nahrung genutzt.
Dieser Hintergrund lässt nachvollziehen, warum sich über einen so langen Zeitraum derart intensive Riffgemeinschaften gebildet haben.
In Zeiten, in denen die Wasserbewegungen nachließen, erhöhte sich der detritische Anteil in den Ablagerungen, und typische Kalkmergel entstanden.
Gegen Ende des Silurs hatte sich der Iapetus geschlossen und eine deutliche Veränderung der Sedimente wird sichtbar. Weitläufig bildeten sich Sandsteine- ein deutliches Indiz einer Küste oder kontinentalen Inlands. Durch die tropische Lage wurde das neu entstandene Gebirge gleich einer intensiven Verwitterung unterzogen und über große Gebiete streckten sich Sandsteinlagen aus, die den typischen „Old Red- Kontinent” bilden, denn das in den Feldspäten eingeschlossene Eisen verwittert zu Fe(III)2+- Ionen, die eine typisch rostbraune Farbe haben. Dies passierte im Devon.
Da es keine Ablagerungen aus der Zeit des Karbons und Perms gibt, nimmt man an, dass die kontinentale Lage erhalten blieb, die nun im Superkontinent Pangäa vereint war. Das Gebiet von Gotland lag immer auf einer Hochlage, im benachbarten Schonen aber findet man die mesozoischen Ablagerungen bis ins Quartär dokumentiert.
Während des Quartärs wurde Gotland mit beeinflusst. Beim Abschmelzen der Weichselgletscher füllte sich die Ostseesenke, die keine Verbindung mit Weltmeeren hatte, mit diesem Wasser. Der Baltische Eissee entstand, der in komplexen Wechseln von Meereszugang und Abgrenzung stand und durch isostatische Hebung schließlich sein heutiges Brackwasser in Form der Ostsee hält.
Gotland war zum Zeitpunkt des Abschmelzens völlig vom Wasser des Eismeeres bedeckt, so dass Strömungen und Wellen die Oberfläche des Landes wuschen und von den Lockersedimenten befreiten. Vor 11500 Jahren stiegen die ersten Kalkrippen aus dem Wasser, und Gotland wurde im Zuge der Eismeerentleerung herausgehoben.
Die Gerölle der Moränen, die trotz alledem noch vorhanden waren, wurden durch große Sturmereignisse in Form von Wällen auf die Strände aufgeworfen. Sie sind noch heute sichtbar, da sich die Küstenlinie noch immer seewärts verlagert. Teilweise sind so parallele Strandwälle entstanden.
Reste von Moränen haben sich auch in den Gebieten des Kalkmergels erhalten, da dieser weniger verwitterungsresistent ist und geomorphologisch in Mulden in Erscheinung tritt.
Andere glazigene Erscheinungen wie Oser, Gletscherbachtäler und Gletschermühlen sind im harten Kalkstein ersichtlich.
Man kann nicht bestreiten, dass die Eiszeiten und nacheiszeitliche Verwitterungen wie Raukar oder Strandhöhlen die Gestalt der Insel geprägt haben.
Durch Regenwasser ausgelaugte Karsthöhlen sind auch auf Gotland erhalten und ziehen als Tropfsteingrotten heutzutage Touristen an.
So, wer alles bis hier hier gelesen und verstanden hat. Hut ab! Nicht zu fad gewesen? Prima, als Teaser für den Aufhänger des Ganzen hier ein Ausschnitt aus dem finalen Diorama:
Es lohnt sich also, dranzubleiben!
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