Steine sind hart und kalt. Meist. Das impliziert Ausnahmen. Von der Sonne erwärmte dunkle Brocken können warm sein. Oder noch nicht abgekühlte Lava.
Oder eben, und darum soll es heute gehen, Bernstein.
Bernstein. (wikipedia via Hannes Grobe)
Bernstein ist schlicht Harz. Fossiles Harz, welches über einen langen Zeitraum so getrocknet ist, dass man es heute als “Stein” ansprechen kann. Mit einer Mohs’schen Härte von 2–2,5 kann man es leicht schneiden. Da es kein wirklicher Stein ist, gehört es keiner Kristallklasse an, man findet es nur amorph.
Sein Name leitet sich vom mittelniederdeutschen “börnen” für “brennen” ab, was die spannendste Eigenschaft des Steins widerspiegelt: Man kann ihn anzünden. Was nicht verwunderlich ist, denkt man daran, dass es sich hierbei um Harz handelt. Es verbrennt mit einer hellen, stark rußenden Flamme, die stark harzig riecht.
Ein weiters Merkmal der Substanz machte man sich in vornehmen antiken Haushalten zunutze: Hier verwendete man größere Stücke als Kleiderbürste, denn auf Wolle, Seide oder anderen Fasern kommt es schnell zu einer elektrostatischen Aufladung, wenn man darüberstreicht. Auch Fusseln und Schmutzpartikel bleiben somit am Material “kleben”. Da es damals “élektron” genannt wurde, was “hell, strahlend” bedeutete, galt dieser Wortstamm als Begründer für das elektrisch negativ geladene Elektron und der Elektrizität.
Aufgrund seiner geringen Dichte geht Bernstein in Süßwasser zwar unter, in stark salzigem Wasser aber schwimmt er auf. So kann man größere Mengen kleinerer Steine relativ einfach von Sand und Geröll abtrennen, wenn man am Strand fündig geworden ist.
Chemisch betrachtet ist Bernstein ein Kohlenwasserstoff, der zu 67-81% aus Kohlenstoff, zudem natürlich aus Wasserstoff und Sauerstoff besteht. Oft ist bis zu 1% Schwefel beigemengt. Die amorphe Substanz besteht aus Fadenmolekülen unterschiedlicher Säuren. Das Ester Succinin bildet den unlöslichen Teil der Mischung.
Roher Bernstein, der nicht auf dem Meeresboden abgeschliffen oder mit Öl klargekocht wurde, besitzt eine braune Verwitterungskruste, die aufgrund der Reaktivität mit Sauerstoff nach und nach entsteht.
Einen festen Zeitpunkt, wo Harz nicht mehr nur Harz, sondern auch polymerisiert und somit “versteinert” ist, gibt es nicht. Es gibt Jungbernstein, der zwar erhärtet, aber nicht umgewandelt ist. Diese “Kopale” werden in der Hand schnell klebrig, haben aber eine sehr besondere, zitronengelbe Farbe und sind meist reich an Inklusen (Einschlüssen), die dann noch ihre originalen Farben haben können. Manche Kopale haben erst ein Alter von 200 Jahren, andere werden mehrere hunderttausend Jahre alt, ohne zu “Stein” zu werden.
In Bernstein eingeschlossene Trauermücke (Sciaridae), Taillendurchmesser etwa 1,5mm. (wikipedia via Mirella Liszka)
Wenn man Bernstein einordnen will, kann man grob zwischen internen und externen Flussformen unterscheiden. In Harzkanälen im Bauminneren verbliebenes, in Taschen unter der Rinde erhärtetes Material zum Beispiel wird man als “intern” eingliedern. Hierin wird man auch vergebens nach Fossilien suchen. Der Großteil des gefundenen Bernsteinaufkommens fällt in diese Kategorie.
Eingeschlossene Insekten oder andere organische Reste findet man in externen Flussformen, wobei hier die “Schlauben” die häufigste Form darstellen. Schubweise über erstarrte Harzlagen breiteten sich hier an Wunden der Rinde immer wieder neue Schichten aus und boten so Lebewesen die beste Möglicheit, erhalten zu werden.
Weitere Formen sind Tropfen oder, wenn diese akkumulieren, Zapfen.
In Deutschlands Küstenregion findet man Baltischen Bernstein. (Buchtipp: Baltischer Bernstein. Enstehung – Lagerstätten – Einschlüsse)
Auch die Lagerstätten in den mitteldeutschen Braunkohletagebauen wie Bitterfeld begründen sich in dem selben eozänen “Bernsteinwald” der damals, vor 54-40 Mio Jahren, Nordeuropa bedeckte. Im Süden wurde es von einem Meer begrenzt, welches für die wunderbar weissen, homogenen, eozänen Sande in Mitteleuropa sorgte (Gut, ich bin durch meine Herkunft nicht mehr parteiisch. Aber die sind wirklich toll.) Die traditionelle Sichtweise besagt, dass hier in Monokultur Pinus succinifera wuchs, und dass andere Arten kaum eine Chance hatte. Dieser Gattungsname zeigt die Verwandschaft zur heutigen Kiefer auf. Moderne Untersuchungen (B. Kosmowska-Ceranowicz: Gegenüberstellung ausgewählter Bernsteinarten und deren Eigenschaften aus verschiedenen geographischen Regionen. – Exkurs f. und Veröfft. DGG, 236: S. 61-68, Hannover 2008.) legen aber nah, dass ein Vertreter der Sciadopityaceae (Schirmtannen) wahrscheinlicher ist. Ebenso zeigen neue Forschungen (A. Kohlmann-Adamska: A graphic reconstruction of an ‘amber forest’. In: The amber treasure trove. Museum of the Earth Documentary Studies 18. Warschau 2001), dass der eozäne Wald doch artenreich war und mehrere Harzlieferanten eine Rolle bei der Lagerstättenbildung spielten.
Für die Menschen hat Bernstein schon seit Anbeginn ihrer Zivilisationsgeschichte eine hohe Bedeutung. Schon in der Jungsteinzeit wurde er verziehrt und als Schmuck oder medizinisch verwendet. Im Mittelalter stellte man Brillengläser aus besonders reinen Stücken her. In der aktuellen Geschichte gibt es natürlich die vielen Mythen über das Bernsteinzimmer, ob es denn noch eingelagert ist oder vielleicht verbrannt ist (was ja nicht unwahrscheinlich ist, wenn man die gute Brennbarkeit berücksichtigt).
Wer Bernstein als klassisches Schmuckstück trägt, kommt dem Hauptnutzen des Steins nach. Klassischer Damenschmuck in warmen Farben, als Ring oder Kette, sind so beliebt wie eh und je. Techniker könnten mit ihm aufgrund seiner sehr hohen Isolationswirkung in Kontakt gekommen sein. Sein spezifischer Widerstand ist mit 1016 Ωm höher als der von Porzellan.
Aufgrund der so andersartigen Eigenschaften von Bernstein zu anderen Steinen wurde dem Material schon früh ein nicht geringer mystischer, magischer Charakter zugesprochen. Zur Dämonenabwehr am Körper getragen, entwickelten sich aus einfachen Amuletten schnell Schmuckstücke und somit die heutigen Kettenanhänger.
Aus Schriften des 12. Jh ist bekannt, dass Bernstein als “effektives” Heilmittel eingesetzt wurde, für Fieber, Magenbeschwerden oder gar die Pest. Robert Koch widmete sich diesen Mythen chemisch und fand heraus, dass Bernsteinsäure zumindest nicht schädlich für den Organismus ist. Eine möglicherweise immunitätssteigernde Wirkung konnte er auch nicht ausschließen. Dies hielt sich bis heute, so dass dieser Wirkstoff in den USA und Russland noch immer ein gängiges Arzneimittel ist.
Kurios sind (in meinen Augen) die abergläubischen Prozeduren, die dem Stein unterworfen werden. Zum Gestehen schlechter Taten soll man seiner Frau des nächtens zum Beispiel einen Bernstein auf die Brust legen. (Na welch ein Glück, dass ich ein Seitenschläfer bin)
Kaum eine Mutter kann sich heute noch dem Wunder “Bernsteinkette” entziehen, wenn es darum geht, Säuglingen das Zahnen zu erleichtern und Schmerzen zu nehmen. Hier muss ich ganz deutlich werden: Wenn die Schmerzen genommen, weil sich das Kind an der Perlenschnur stranguliert, wurde wohl etwas über das Ziel hinausgeschossen!
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