Nicht erst seit dem gestrigen Beben in der Westtürkei ist klar: Die Region um die Transformstörung im Norden der Anatolischen Lithosphärenplatte ist eine der aktivsten seismologischen Gegenden der Erde.
Die kleine Anatolische Platte, die den türkischen Staat fast komplett innehat, wird nach Westen geschoben, von der Arabischen, nach Norden driftenden Platte und der Eurasischen begrenzt, die selbst relativ stetig nach Westen “treibt”.
Im Norden der Anatolischen Platte findet man eine sehr prägnante Stresszone: Die nordanatolische Verwerfung. Es handelt sich hier um eine Transformstörung, Zwei kontinentale Platten schieben sich hier aneinander vorbei. Bekannter ist die San- Andreas- Störung in Nordamerika, wobei auch diese hier erhebliche Gefahren für die dort lebenden Menschen birgt.
Istanbul mit seinen über 13 Mio Menschen im Stadtgebiet liegt nur 20 km von der Störung entfernt. Zuletzt 1766 von einem starken Beben betroffen, gehen Experten von einem Starkbeben (ab Magnitude 7,0) bis 2025 aus. Das verheerende Erdbeben 1999 mit 17000 Toten bei Gölcük gilt als Vorbote dieses Ereignisses.
An einer Transformstörung entstehen sehr große Reibungsspannungen, die meist nur lokal und dann in sehr starken Verschiebungen (130km bei Izmit) der Erdkruste entladen. Dadurch wird die Gesamtspannung der Störungszone aber nicht komplett genommen. Im Gegenteil. Am Ende der Zone steigert sich die Energie nach einer lokalen Entlastung deutlich. Beben, die aus solchen Gründen resultieren, sind meist oberflächennah, was gerade in dicht besiedelten Regionen zur enormen Gefahr für den Menschen werden kann.
Im Falle der Nordanatolischen Verwerfung kann man eine deutliche Ost- West- Abfolge von Erdbeben feststellen, so dass die Spannungsspitze um Istanbul früher oder später gelöst werden wird. Rund um die Stadt gibt es ein Netzwerk von Messstationen und Notfallsystemen, die zwar weder das Unglück vermeiden noch die Bevölkerung warnen können, aber Gasleitungen schließen, Ampeln auf rot stellen und Züge anhalten können.
Türkische Geologen haben 20km südlich von Istanbul eine Spannungskonzentration gemessen, die im Marmarameer auf eine Länge von 120km eine Verschiebung auslösen würde und ein Erdbeben der Stärke 7,6 zur Folge hätte. Auch Tsunamis wären möglich. Was das für die Gebäude der Stadt zur Folge hätte, von denen 85% ohne Baugenehmigung und entsprechende Sicherung errichtet wurden, möchte man sich gar nicht vorstellen.
Nun erschütterte am 19.5. 2011 ein Erdbeben der Stärke 5,9 die Gegend um die Stadt Simav. 3 Menschen kamen ums Leben, 100 wurden verletzt. Die Stadt liegt in etwa auf dem selben Längengrad wie Istanbul, allerdings 450km weiter südlich.
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