Immer wieder einmal geistert es durch die Medien, egal ob wissenschaftlich oder allgemein:
Ein neues Erdzeitalter ist angebrochen!
Der Mensch mit seinen Treibhausgasen, den Flussbegradigungen, Waldrodungen und Trockenlegungen vollzieht eine derartigen Einschnitt in die Oberflächengestalt unseres Planeten, dass es nicht mehr reicht, das Holozän als “neue”, aktuelle Epoche anzusehen. Das Anthropozän soll begonnen haben, wahrscheinlich mit Beginn der Industrialisierung um 1800.
Ich nehme mal an, meine Leser werden nicht im Detail damit bewandert sein, wie das (noch) aktuelle Erdzeitalter des Holozäns gegliedert ist, sowie die botanischen und klimatischen Entwicklungen kennen, die sich vollzogen haben. Deswegen gebe ich euch einen kurzen Abriss, damit sich jeder eine eigene Meinung darüber machen kann:
Das Holozän begann mit einem dramatischen Temperaturanstieg, der das Ende der letzten Eiszeit markierte. Im sogenannten Präboreal, dem ältesten Stück Holozän, stieg die globale Temperatur innerhalb weniger Jahrzehnte um 6°C an. Die baumlosen Tundren der Nordhemisphäre wurden von Pflanzen und Tieren erobert, denn die Sommer glichen den heutigen, nur die Winter waren noch sehr kalt. Zusammen mit der Hasel breitete sich auch der Mensch in Mitteleuropa aus. Archäologen sprechen vom Mesolithikum.
Das darauf folgende Boreal war eine Epoche des Wandels. Die skandinavischen Gletscher schmolzen, der Meeresspiegel stieg an, zu Beginn war England noch mit Europa über eine Landbrücke verbunden, wurde allerdings nun zur Insel, genau wie Irland, denn die Irische See füllte sich. Das Klima in Europa war kontinental und trocken. Wärmeliebendere Pflanzen mischten sich von Süden her unter die Haselwälder, mehr und mehr nahmen verschiedene Eichen den vorherrschenden Platz ein. Jäger und Sammler der Mittelsteinzeit nutzten Pfleile, Bögen und Speere zum Jagen, aber auch Paddel und Körbe fand man, die mit Tieren wie Schlangen, aber auch Menschen verziert waren.
Doch die Temperatur stieg weiter an, für die Menschen, Tiere und Pflanzen war das Vermehren einfacher geworden, natürlich sind auch die Belege des Atlantikums reichhaltiger, ist es doch mit 7300-3700J.v.Ch. nicht wirklich lange vergangen.
Man geht von etwa 2,5°C MEHR in Mitteleuropa aus als heute die Durchschnittswerte sind. Aber es war auch deutlich feuchter. Das Abschmelzen der Nordamerikanischen Gletscher und das rasante Ansteigen des Meeresspiegels führte möglicherweise zum Überlaufen des Mittelmeeres und so zur Füllung des Schwarzen Meeres.
Die Sahara war von heftigen Monsunregen gezeichnet und ein Füllhorn an Biodiversität.
Im Allgemeinen wird diese Periode als “Klimaoptimum” bezeichnet.
Gegen Ende dieser Epoche sanken die Temperaturen jedoch wieder. Ab 4700v.Ch. konnte man in den Alpen ein deutlichers Gletscherwachstum feststellen.
Demnach wurde für die darauffolgenden Jahre, bis ca. 450v.Ch. das Subboreal festgelegt. Es war trockener und kühler als im Atlantikum, aber dennoch wärmer als heute. Die Abkühlung wird insbesondere in Skandinavien durch den Rückgang der Ulmen deutlich, in Westeuropa ist dieTrennung nicht ganz so scharf. Heidepflanzen breiteten sich stark aus.
Das heute (noch?) vorherrschende Zeitalter nennt sich Subatlantikum. Temperaturschwankungen sind vorherrschend, wobei man hierbei auch die deutlich feinere Messtechnik und bessere geologische Dokumentation berücksichtigen sollte.
Klimatisch beginnt es mit dem sogenannten “Optimum der Römerzeit”, der klassischen Antike. ie darauffolgene Kälteperiode fällt zusammen mit der großen Völkerwanderung, was sicherlich auch einer der treibenden Gründe hierfür war.
Von 800-1200 kam es zu einer erneuten Erwärmung, die fast das Römer-Optimum erreichte. Von der mittelalterlichen Warmzeit hört man ja doch immer wieder einmal. Nicht umsonst konnten die Wikinger ja auch Grönland (“Grünland”!) und Island besiedeln. Das Ende der Warmzeit und die Verschlechterungen des Klimas hatten auch kulturelle Folgen. Die Pestepidemie und Hungersnöte führten zu einem fast 50%igen Bevölkerungsverlust. Den negativen Höhepunkt hatte dieses Pessimum zur “Kleinen Eiszeit” (1550-1860). Bekannte Gemälde von zugefrorenen Seen und Flüssen entstanden, es kam zum Dreisßigjährigen Krieg und zur Französischen Revolution.
Und ziemlich genau dann, ab 1800, zum Beginn der Industriualisierung und dem neuen Wandel zu einem Optimum, wollen Wissenschaftler wie Paul Crutzen eine neue Epoche ansiedeln: Das Anthropozän. Die globale Erwärmung aufgrund von Treibhauseffekt, menschgemachtem Klimawandel, menschlicher Überbevölkerung.
Und jetzt meine Frage:
Doch macht das wirklich Sinn? Ich bin nicht in der Position, dies zu bestimmen, aber man kann ja darüber nachdenken.
Geologie und damit tief verwurzelt, die geologische Zeittafel, beschreibt Vergangenes. Markante Zeiger müssen gefunden werden, und das global, die im Untergrund nachweisbare Spuren der Menschheit für die nächsten Jahrmillionen sichern werden. Hierbei spielen Luftbläschen im Eis eine große Rolle, die Treibhausgase einschließen. Auch möglich sind radioaktive Spuren von atomaren Sprengsätzen.
Nicht immer lassen sich die einzelnen Stufen und Systeme einheitlich voneinander trennen. Bei den weit zurückliegenden, Millionen Jahre umfassenden Ären ist das einfacher. So ist zum Beispiel die KT (Kreide/Tertiär) Grenze mit ihrer Iridium- Anomalie fast überall auf dem Planeten bei guten Aufschlussverhältnissen nachgewiesen werden. Die holozänen (Klima-)Stufen im Gegenzug wurden größtenteils über die Pollenanalyse erschaffen und sind somit mehr oder weniger stark regional beschränkt. Trotzdem sind sie in wissenschaftlichen Publikationen Usus.
Zurückkommend zum Anthropozän wird man mit Sicherheit deutliche Daten erheben können, die einen industriellen Wandel begleiten. Doch ist die Zeitspanne von 200, 300 Jahren ist in meinen Augen zu gering, eine historische Marke legen zu können. Sich auf Zukunftsprsopektion zu verlassen, ist beruhigend, aber ist es auch geologisch?
Nun, für mich ist das Zeitalter der Industrialisierung durchaus ein Wendepunkt der Menschheitsgeschichte- aber nicht geologisch. Kulturell? Ja. Wirtschaftlich? Ja. Ethisch? Noch viel mehr. Aber geologisch? Ich sehe mich dann doch eher subatlantisch als anthropozän. Erdgeschichte wird nicht von uns gemacht!
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