Die Muschelkalkklippen von Jena sind ein Beispiel für eine Landschaft, die von widerstandsfähigen Gesteinspaketen geprägt werden. Unterhalb des Steilabfalls dieser Gesteine bilden sich charakteristische Bereiche, nämlich kegelförmige Schutthänge.
Diese Schuttkegel folgen den Massiven, sie überdecken die sanfteren Formen der Buntsandsteinplatten. Nach und nach werden sie, wie in den hiesigen Lagen, von Vegetation überdeckt. Der Bundsandstein hat der Erosion nicht so viel entgegenzusetzen, wie der nur begrenzt lösliche Muschelkalk aus Calciumkarbonat. Letzterer kann vom Regen nur sehr schlecht aufgelöst werden – reines Calciumkarbonat gilt als „praktisch unlöslich in Wasser: 14 mg·l−1 (20 °C)”
Bewaldete Taluszone des Muschelkalks von Jena. Urheber: Stefan Taube
Nun ist der Muschelkalk natürlich nicht rein und die Natur ist kein Chemielabor, so kommt es an den Sedimentationsgrenzen durchaus zur Bildung von Wasseradern, die dann nicht chemisch, sondern über Frostsprengung zu einer Zersetzung des Gesteins führen. Dazu kommt eine Erhöhung des Lösungspotentials im Regenwasser durch Ansäuern. Nicht nur „saurer Regen” ist in der Lage, Veränderungen im karbonatischen Mineralbestand auszulösen. Schon eine geringe Bodenbedeckung mit Flechten und anderen Pflanzen, spätestens aber eine Humusschicht, kann den Untergrund durchlässiger und porös machen. Durch physikalische Verwitterung abgesprengte, chemisch widerstandsfähige Gesteinsbrocken stürzen nach und nach in die Tallagen. Der Geologe spricht hierbei von einer Taluszone, nach Talus, dem Begriff für die Schutthalde.
Definiert wird der Talus als fächerförmiger Körper am Fuß von Steilhängen. Nun kommt Mathematik ins Spiel: Die Art und Weise, wie die Bruchstücke letztlich aufgetürmt werden, ist, wie eigentlich alles in der Natur, nämlich nicht willkürlich. Je nach Korngröße, Platzangebot, Beschaffenheit des Ausgangsmaterials und Reinheitsgrad werden Hangneigungen von 26- 42° gebildet. Jedes Gestein/Mineral hat eine spezifische Hangneigung. So kann man, wenn man das Wissen und eine ausreichende Beobachtungsgabe hat, vielmals von Klippenstruktur, Farbe, Verwitterungsform und Talus auf die grobe Zusammensetzung des landschaftsbildenden Massivs schließen.
Taluskegel an der Nordküste der zu Svalbard („Spitzbergen”) gehörenden Insel Ifjorden. Quelle: wikipedia
Man kann das auch ganz leicht selbst ausprobieren. Nimmt man einen feinen, trockenen Sand und lässt ihn gleichmäßig auf den Untergrund rieseln, wird sich ein recht flacher Kegel bilden, der sehr gleichmäßig ansteigt. Aber mit zunehmender Höhe wird auch die Grundfläche größer. Die Hangneigung, also der Winkel zwischen Hypotenuse und Ankathete des Kegelquerschnitts, wird jedoch immer gleich bleiben, egal wie hoch der Sandberg bei gleichbleibender Materialzusammensetzung wird.
Hier zeigt sich, wie genial einfach die Geologie sein kann. Dieses Experiment kann man nämlich hervorragend im Urlaub am Sandstrand nachmachen.
Schüttwinkel von grobem Sand. Quelle: Anton via wikipedia
Wenn man nun dem Sand eine weitere Korngröße beimischt, zum Beispiel Kies oder Ton, dann wird man in der Lage sein, einen steileren Kegel aufzurichten. Der Grund für die unterschiedlichen Böschungswinkel liegt unter anderem in der Gestalt der einzelnen Körner und der Abweichung vom Idealfall der Kugel. Die Hangneigung des Schuttkegels entspricht dem Reibungswinkel, also dem Winkel, bis zu dem eine Ebene gerade noch geneigt werden kann, ohne dass das Material abrutscht. Er lässt Rückschlüsse über die Rauheit der Elemente zu.
Beim Experimentieren mit Sand am Meer wird man eines feststellen: Eine wirkliche Spitze kann man nicht errichten (geht man von trockenem Material aus). Das liegt daran, dass Sand mikroskopisch einer dichtesten Kugelpackung sehr nah kommt. Auch eine Hangneigung von über 40° wird man mit Sand nicht erreichen können.
Um den Bogen zu den Muschelkalkhängen wieder zu schließen: In der Natur hat man natürlich weder gleiche Körnungen noch homogene Substanzen. Je verschiedener die Körnung, die Verdichtung, der Wassergehalt (und die damit verbundenen Kohäsionskräfte) und die mineralische Zusammensetzung, umso steiler sind die Tali und je nach Landschaftsbild natürlich auch die Taluszone. Aber innerhalb einer Landschaft können die Kegel sehr gleichmäßig ausfallen.
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