Was verursacht eigentlich die Kälteschocks, die unseren Planeten regelmäßig befallen? Sind die Ursachen klar definiert, die zu solchen globalen Großereignissen führen?
Die Antwort ist ein klares Nein. Natürlich gibt es verschiedene Theorien, manche anerkannter als andere, die Teilbereiche plausibel erklären können, aber DIE URSACHE gibt es (noch) nicht.
Um die wichtigsten anerkannten Zusammenhänge zu erklären, werde ich meinen halbwegs befestigtigen geologischen Trampelpfad verlassen müssen und auf fremden, astronomischen Wegen wandern gehen. Hoffen wir mal, dass ich mich nicht verirre 😉
Keine Frage ist, dass es in der dokumentierten Erdgeschichte wiederholt große Vereisungsperioden gab: mehrfach im Präkambrium, danach im Ordovizium, gefolgt von der permokarbonischen Eiszeit und jüngst im Quartär. Dabei fällt eine gewisse Periodizität innerhalb dieser Zeitpunkte auf. Eine Periode von etwa 250 Millionen Jahren impliziert einen Effekt, der im Zusammenhang mit dem Umlauf des Sonnensystems um das Zentrum der Milchstraße stehen könnte – so gesehen von McCrea (1975). Ein Jahr später von Dennison & Mansfield widerlegt, ging dieser von einer Herabsetzung der kosmischen Strahlung aus, als Folge des “Durchwanderns” des Sonnensystems durch Staubwolken der Spiralarme unserer Galaxie.
Nicht uninteressant, sehr spektakulär, aber auch zu weitfassend, um es als triftigen Grund für globale Kaltzeiten ansehen zu können, fasse ich den Fokus lieber enger und bleibe in unserem Sonnensystem und genauer bei der Position unseres Planeten in Bezug auf die Sonne.
Nicht zwingend als Grund, aber als “”Schrittmacher” für Eiszeiten werden Klimazyklen angesehen (Hays et al. 1976). Es gibt drei verschiedene, die jeweils einen astronomischen Grund haben und im Zusammenspiel die Solarkonstante bestimmen:
1. Zyklus: Er ist mit 100.000 Jahren der längste. Begründet liegt er in der Änderung der Exzentrizität der Erdumlaufbahn. Die Exzentrizität ist ein Maß für die Abweichung der Erdumlaufbahn von einer perfekten Kreisform. Durch den gravitativen Einfluss der anderen Planeten ändert sich diese Exzentrizität periodisch.
2. Zyklus: Er dauert 41.000 Jahre. Seine Ursache liegt in der periodischen Änderung des Neigungswinkels der Erdachse: Betrachtet man die Bahnebene, in der die Erde die Sonne umkreist, ist unser Planet derzeit 23,4° gegen diese geneigt. Dieser Neigungswinkel schwankt zwischen 22,1° und 24,5° im genannten Zeitraum. Je geringer der Neigungswinkel, umso niedriger sind die Sommertemperaturen in Polnähe. Dies begünstigt einen dauerhaften Eisschild.
3. Zyklus: Mit nur 26.000 Jahren ist dieser recht kurz. Diese, Präzession genannte Periode, beschreibt die Ausrichtung der Erdachse gegenüber dem Sternenhimmel. Heute zeigt die Erdachse in Richtung des Sterns Polaris (Polarstern). In 12.000 Jahren jedoch wird sie auf die Wega im Sternbild Leier zeigen. Der Neigungswinkel der Erdachse bleibt dabei zwar unverändert, doch befindet sich die Erde nun zu verschiedenen Jahreszeiten an ihrem sonnennächsten Punkt (Perihel) auf der Umlaufbahn. Derzeit erreicht die Erde ihr Perihel während des Winters auf der nördlichen Hemisphäre. Kombiniert mit der ungleichmäßigen Verteilung der Landmassen auf der nördlichen und südlichen Hemisphäre ergibt sich so ein abkühlender Effekt: Auf der Nordhalbkugel konzentrieren sich die Kontinente in Polnähe, auf der Südhalbkugel liegt einzig die Antarktis selbst am Pol. Befindet sich die Erde nun im Nordhemisphärensommer in Sonnenferne und ist die Achsenneigung gering, so ist die Nordhalbkugel über eine lange Zeit schneebedeckt. Durch die deutlich höhere Albedo (Rückstrahlung) des weissen Schnees im Vergleich zum Erdboden kommt es letzlich zu einer verstärkten Abkühlung.
Milankovitch Zyklen. Quelle: Wikipedia via Robert A. Rohde
Neu ist dieser Zusammenhang nicht. Schon 1941 wurde er von Milankovitch dargelegt, wodurch sein Name für immer in den Annalen der Naturwissenschaft festgeschrieben wurde (“Milankovitch Zyklen“). Man kann sie heute nicht als “Allheilmittel” betrachten, jedoch sind die Zusammenhänge nicht von der Hand zu weisen.
Vor allem in Zeiten geringer CO2-Schwankungen können sie als deutliches Triebmittel der Klimaänderungen angesehen werden. Die alleinige Schwankung des Treibhausgases kann keinen Glazial-/Interglazialwechsel triggern.
Ein recht exakter 100.000 Jahre Zyklus kann zurückblickend auf die letzten 600.000 Jahre modelliert werden (Berger & Loutre, 2004). Das mag für nicht jeden Leser interessant sein, aber wenn man dieses Phänomen auf die Zukunft modelliert und weiss, dass auf jedes Glazial ein kurzes, 10-15.000 Jahre dauerndes Interglazial folgt, von dem das Holozän nun schon 11.700 ± 99 Jahre andauert, dann könnte man auf die Idee kommen, die nächsten Inlandeismassen sollten so langsam auf den Vormarsch kommen. Hollywood hat es ja bewiesen (“The day after tomorrow” und andere) – das kann ganz schnell gehen. 🙂
Doch genug gescherzt. Wenn man aktuellen Modellrechnungen glauben mag, befinden wir uns auf dem Weg in ein neues Klimaoptimum, denn die Erde bewegt sich in den nächsten Jahrtausenden auf einer annähernden Kreisform um die Sonne. In Kombination mit dem steigenden CO2-Gehalt der Atmosphäre werden die letzten Gletscher in den nächsten 10.000 Jahren abschmelzen. Die damit verbundenen Veränderungen der Oberflächengestalt der Erde durch steigende Meeresspiegel, aber auch die Möglichkeiten einer steigenden Biodiversität durch Schaffung neuer ökologischer Nischen soll hier an dieser Stelle nicht ausgehandelt werden.
Genug der fremden Pfade, einen weiteren Grund für Klimaveränderungen und damit auch der globalen Vereisungen kann man anfassen, ausmessen und beklettern: Gebirge!
Große Reliefveränderungen können ebenfalls ein Auslöser für Glaziale darstellen. So stellte das Hochland von Tibet als massive Gletscherzone während des Pleistozäns (laut Kuhle 1985) einen nicht zu verachtenden Faktor der Abkühlung dar. Etwa 2,4 Millionen Quadratkilometer Eisfläche rekonstruierte er für das Gebirge.
Zeitgleich mit dem tibetischen hoben sich auch nordamerikanische Hochgebiete, was nicht ohne Einfluss auf die Zirkulation der Atmosphäre blieb. Das alleine reicht wohl aber nicht aus, um eine globale Vereisung auszulösen. Bedenkt man aber die Milankovitch Zyklen und denkt darüber nach, dass die massiv einsetzende chemische Verwitterung der neuen Hochgebirge zu einer Absenkung des CO2-Gehaltes geführt haben wird, ist es kaum noch verwunderlich, dass es zu einer so weitreichenden Klimaveränderung gekommen ist.
Ein Rückblick sei mir noch gestattet, nämlich auf die länger zurückliegenden Eiszeiten. Von ihnen sind natürlich deutlich weniger Daten verfügbar, doch kann man große Veränderungen geologisch gut zurückverfolgen. So zum Beispiel die Verteilung der Landmassen. Massive Vereisungen kann es nur geben, wenn große Landmassen in Polnähe vorhanden sind. Schon bei den präkambrischen Events ist dies bestätigt. Hier lag der Großkontinent in Südpolnähe. Ebenso Gondwana während der ordovizischen und permokarbonischen Vereisung. Die paläogeografische Situation des Devons wäre auch ideal gewesen, hier fehlten aber weitere auslösende Faktoren, so dass (nicht mathematisch, aber hinreichend naturwissenschaftlich) bewiesen ist, dass eine reine Verteilung der Landmassen als Kälteauslöser nicht ausreicht.
Auch die Dynamik der Platten zueinander sollte noch angesprochen werden. Sich öffnende oder schließende Meeresstraßen (Panama zum Beispiel schnitt die Äquatorialströmung ab und schuf durch den Nord-Süd-Austausch der Meeresströmungen ideale unterstützende Bedingungen zur Auskühlung der Nordkontinente).
Ihr seht, es müssen viele Faktoren zusammenkommen, um eine Eiszeit auszulösen. Manche sind nachvollziehbarer als andere. Aber eines ist klar: Eine einfache, wiederkehrende Ursache allein gab es nie, und es wird sie auch nie geben.
Mein Lesetipp für warme Sommertage dazu: Jürgen Ehlers: Das Eiszeitalter
Literaturangaben:
Berger, A. & Loutre, M.-F. (2004). Milankovitch Theory and Paleoclimate. In:
Elias, S.A. (Hrsg.): Encyclopedia of Quarternary Science 297, 1287-1288.
Dennison, B. & Mansfield, V. N. (1976). Glaciations and dense interstellar clouds. Nature 261, 32-34
Hays, J. D., Imbrie, J. & Shackleton, N. J. (1976). Variations in the earth’s orbit: pacemaker of the ice ages. Science 194, 1121-1132.
Kuhle, M. (1985). Ein subtropisches Inlandeis als Eiszeitauslöser. Südtibet- und Mt. Everest-Expedition 1984. Georgia Augusta, Nachrichten aus der Universität Göttingen 42, 35-51.
McCrea, W. H. (1975).Ice ages and the galaxy. Nature 255, 607-609.
Kommentare (26)