In meinem heutigen Blogbeitrag möchte ich ein Mittelgebirge näher betrachten, welches regional eng mit dem Schwarzwald verbunden ist.

DER ODENWALD

i-4b61619347f238d87445d8b7768aefc3-odenwald,jpg-thumb-400x250.jpgDer Odenwald aus der Rheinebene gesehen

Aus Sicht seiner Entstehung kann man den Odenwald in zwei Landschaftszonen trennen: Der östliche, kristalline Teil und der westliche, aus Sedimenten bestehende. In ihrem geomorphologischen Zusammenspiel bilden diese unterschiedlichen Zonen allerdings ein eindrucksvolles Schauspiel. So erhebt sich die schroffe Westgrenze geradezu abrupt aus der Oberrheinischen Tiefebene, wohingegen man aus Norden kommend kaum Änderungen des hügeligen, bewaldeten Naturraumes bemerkt.
Im Osten ist es der Main, der eine klare Grenzziehung zum Spessart erlaubt, gefolgt von dem Flüsschen Erfa und (für Urlauber leichter nachzuvollziehen) der Verlauf der B27. Von einem Neckardampfer aus kann man anschließend bis nach Heidelberg zwei uferläufige Höhenzüge betrachten, die von dem Fluss zerschnitten wurden. Hier wird der Kleine von dem Großen Odenwald abgespalten und die Südgrenze gezogen.

Schaut man sich eine geologische Karte an, wird man feststellen, dass das Mittelgebirge recht kleinschuppig bunt dargestellt ist. Grund dafür ist die lange Geschichte, die in den Gesteinskörpern steckt.
Das kristalline Grundgebirge ist im Osten herausgehoben worden, so dass die leicht verwitterbaren Buntsandsteine abgetragen wurden, welche im Westen noch erhalten sind und dort stark zertalte Lanschaften mit “sargähnlichen” Tafelbergen bilden.

Um das Gefüge des Grundgebirges zu verstehen, sollte man sich erst einmal großräumig mit der Geologie Mitteldeutschlands beschäftigen. Dann wird man sehen, dass sich eine Bogenstruktur vom Odenwald bis zum Thüringer Wald und ins Erzgebirge zieht. Das ist die Mitteldeutsche Kristallinzone. Sie entstand als Subduktionszone im Paläozoikum, als verschiedene Mikrokontinente zusammengeschoben und unterschiedliche Gesteinskörper in- und übereinander geschoben wurden. Im Devon/Karbon wurde dann dieses “Konglomerat” (Ja, ein Konglomerat ist aus petrografischer Sicht etwas völlig anderes) herausgehoben – es entstanden die Varisziden (man liest auch “variskische” oder “herzynische” Gebirgsbildung, das ist aber das selbe). Dieses Grundmassiv sorgt auch für die wunderbaren skandinavischen Gebirgsansichten und die sanften schottischen Hügel- alles eine Frage der späteren Überformung.

Diese (wahrscheinlich) Inselgruppen wurden nun zusammengedrängt und teilweise in die Tiefe gezogen, wo sie im äußeren Mantel aufschmolzen, durch ihre Flüchtigkeit wieder als Plutone nach oben stiegen und intrusiv in die sich oberflächlich umgeprägenden Metamorphite eindrangen. Das Auskristallisieren dieser Magmatitkörper dauerte circa sechzig Millionen Jahre.

Heute kann man den kristallinen Teil in drei Bereiche teilen, die von deutlichen Störungszonen (“Strike-slip“) zerteilt werden.

1.) Der Böllsteiner Gneis: Dieser war einst ein oben beschriebener Granitoidkörper, der aus 15 Kilometer Tiefe in die Kruste aufstieg. Das konnte auf gut 410 Millionen Jahre datiert werden. Doch liegt heute das Material als Gneis und Schiefer vor – die metamorphe Umprägung geschah durch das erneute Verschleppen und Dehnen des Materials im Bereich der Erdkruste.

2.) Der Frankenstein-Komplex: Gruseliger Name, das muss man ihm schon lassen 🙂 Doch beängstigend ist hier bei nur das Alter: Vor grob 362 Millionen Jahren, also im Oberdevon, kristallisierten die Magmatite (Gabbro, Diorit) aus, ohne erneut überprägt zu werden.

3.) Der bis Heidelberg reichende Bergsträßer Odenwald besteht aus strukturell gut trennbaren, jüngeren Gesteinskomplexen, die entweder von Störungszonen oder Kontaktmetamorphosen unterteilt werden können. Das klingt kompliziert, ist es aber nicht. Solange man die Geschichte im Hinterkopf behält, welche massiven (platten-)tektonischen Prozesse zur Entstehung der Komplexe abliefen, erklären sich lokale Intrusionen wie der Weschnitz-Pluton oder die “Flasergranitoidzone” viel leichter. Letztere stellt eine Zone sehr aktiver dynamischer Über- und Umformung von Gesteinsmaterial dar, die in Scher- und Aufschmelzungsereignissen entstanden. Sehr kleinräumig kam es durch Spannung, Druck und Hitze zum Verflüssigen der Granitoide und fast zeitgleich zu einer Rekristallisation zu Magmatiten mit gleicher mineralogischer Zusammensetzung wie die zugrundeliegenden Gesteine. Nur eben in neuer Paralleltextur.
In einem nur zwei Kilometer langen Streifen bei Auerbach lässt sich so auch eines der wenigen deutschen Marmorvorkommen finden – der Auerbacher Marmorzug. Aus sehr sehr feinem Kalzit im schnöden Kalkstein entsteht durch Druck und Temperatur die metamorphe, grobe Kristallstruktur des Marmor, in dem die Einzelkristalle bereits mit bloßem Auge sichtbar sind.
Nun sind solche intrudierten Gesteinskörper sehr kompakt und starr, allerdings durch ihr grobes Kristallgefüge in klare Spaltrichtungen teilbar. So kam es, dass durch weitere Plattenbewegungen immer wieder große Spalten in die Kristallingesteine getrieben wurden, die von erzhaltigen Fluiden aufgefüllt wurden. Klassische Quarz-, Baryt- oder Aplitgänge sind vielerorts sichtbar. Auch der Trommgranit ist so ein Schweissmittel – er verfüllte die Otzbergspalte zwischen dem Böllsteiner Gneis und dem Bergsträßer Komplex.

Nachdem die Kristallisations- und Metamorphoseprozesse zum Erliegen kamen, hatte die Region des heutigen Odenwaldes ein paar Millionen Jahre Ruhe. Hebungsprozesse führten zu einer Exponierung und einer gemächlichen Abtragung der Varisziden, bis nicht viel mehr als ein Rumpf zurückblieb.

Im Rotliegenden dann aber, vor grob 260 Millionen Jahren, geriet das Gebiet erneut in tektonischen Stress. Alte Störungszonen rissen auf und Lavadecken breiteten sich kilometerweit auf dem Gebirgsrumpf aus. Auch Vulkane bildeten sich, heute bezeugen dies der noch vorhandene Wachenberg und Daumberg bei Weinheim. Lavadecken, die heute als Rhyolith und Quarzporphyr dankbare Baumaterialien sind, findet man bei Schriesheim, Dossenheim und Heidelberg. Ein dazugehöriger Vulkan wird heute als im Gebiet des eingesunkenen Oberrheingrabens vermutet.

i-e9913bc7661678635780071f12d4bbaf-800px-Dossenheim_von_Westen-thumb-400x220.jpgRhyolith-Steinbrüche von Schriesheim und Dossenheim

Danach deckte das Zechsteinmeer all die Feuersbrunst ab. Abbauwürdrdige Dolomite, aber auch Quarzlösungen mit metallischen Beimengungen zeugen noch heute davon. In linearer Abfolge folgten mesozoische, kontinentale Sedimente, wobei hier die bis zu 600 Meter hohen Buntsandsteinlagen heute ins Auge springen – zum Beispiel in Heidelberg als Baugrund und -material für das Schloss.

i-0447afc9df44822a8cb51c9283be312a-HD-thumb-400x266.jpgDas wäre dann ich vor dem Heidelberger Schloss 😉 Das Foro gehört dem Stefan.

Mesozoische Zeugen gibt es bis ins Jura, doch sind diese sehr lokal und eher unbedeutend.

Zumindest wenn man bedenkt, was im Tertiär passierte. Wer den Schwarzwaldartikel gelesen hat, weiß, dass vor circa 45 Millionen Jahren auf einer Riftzone Afrika-Skandinavien der Oberrheingraben eingebrochen ist. Man schätzt die maximale Senkung der Oberfläche auf vier Kilometer! Allerdings wurde der Graben durch nachrutschendes Material sofort verfüllt. Dies ist auch der Grund, warum im Grabeninneren leicht zersetzliche (mesozoische) Sedimente noch erhalten sind, wohingegen sie in exponierteren Lagen längst abgetragen wurden.
Um die Senkung auszugleichen, kam es zu Hebungen des umgebenden Landes. Wie der Schwarzwald, so wurde auch der Odenwald herausgehoben. Was zieht so ein Stress mit sich? Logisch, Risse und Spalten im Gestein. Diese Schwächezonen nutzten erneut aktive Magmakammern, an die Oberfläche zu kommen und Vulkane zu bilden. Der Katzenbuckel erlebte einen Wiederausbruch, nachdem er bereits kreidezeitlich gebildet wurde, “neu” entstanden hingegen Otzberg und Roßberg.

Und wieder folgte auf Chaos Stille. Das warmfeuchte Klima sorgte für eine schnelle, tiefe Kaolinisierung der Feldspate und somit eine heftige fluviatile Abtragung. (Auf deutsch: In Graniten enthaltene Minerale wurden zu Ton und konnten durch Wasser ausgewaschen und von Flüssen abtransportiert werden.)
Die im östlichen Odenwald typischen tiefen Täler sind das heute sichtbare Ergebnis dieses Prozesses. Wo die kontinentalen Sedimente nicht mehr erhalten sind, liegt heute der variszische Gebirgsrumpf vor. Hier suchen sich die Flüsse alte Störungszonen als Bett und bilderbuchartige Wollsackverwitterungen bestimmen das Bild.

Anders als der Schwarzwald war der Odenwald nicht im direkten Vergletscherungsbereich der quartären Eiszeiten eingebunden. Lediglich Permafrost gestaltete Teile der Landschaften um – Block und Felsenmeere entstanden.

Diese und andere Schönheiten kann man bewundern, wenn man hier unterwegs ist. Nicht nur interessante geologische Aufschlüsse, sondern auch archäologische Highlights wie den Fundort des Homo heidelbergensis sollte man sich nicht entgehen lassen. Und den Wein, den vor allem nicht.


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Kommentare (13)

  1. #1 hansi
    Oktober 13, 2011

    Eins sehr schöner Artikel – beim klick auf das Bild “Der Odenwald aus der Rheinebene gesehen” sehe ich im pop-up nur den himmel 🙂 – kleiner Schönheitsfehler oder liegt es doch an meinem browser?

  2. #2 Anke Bebber
    Oktober 13, 2011

    @hansi, Hm, das Bild ist zu groß. :/ Also der Browser wird dir nur einen Ausschnitt entsprechend deiner Bildschirmauflösung anzeigen. Hätte ich einstellen müsen, sorry.

  3. #3 michaelg
    Oktober 13, 2011

    @hansi: Falls dein Browser der Firefox ist, müsstest du aber mit den Pfeiltasten im Bild herumscrollen können.

  4. #4 roel
    Oktober 13, 2011

    @Anke Bebber und noch ein super Artikel! Das verspricht, eine schöne Serie zu werden.

    @Hansi Unten rechts im Browser-Fenster (jedenfalls im Internet explorer) ist eine kleine Prozentangabe, da mal hinklicken und du kannst das Bild verkleinern und vergrößern.

  5. #5 Roland
    Oktober 13, 2011

    Alternativ mit cmd-minus das Bild im Browserfenster verkleinern.

  6. #6 Anke Bebber
    Oktober 13, 2011

    Hey, danke für die Tipps!
    Ich widme mich dann mal dem Spessart. Da war ich allerdings noch nie (glaub ich).

  7. #7 BastiSito
    Oktober 13, 2011

    In der Detailfülle kannte ich das nicht – nur das mit dem Baumaterial fürs Heidelberger Schloss. Hinter der B27 gibts auch landschaftlich traumhafte Radstrecken. 😉

  8. #8 Boron
    Oktober 13, 2011

    Im Bezug auf den Odenwald erwähnenswert ist der Sprendlinger Horst direkt westlich von Darmstadt, der strukturell noch mit zum Westodenwald gehört, nur dass dort das Kristallin von Rotliegend-Sedimenten überlagert ist. Besonders erwähnenswert ist der Sprendlinger Horst deswegen, weil dort im Zuge des paläogenen Vulkanismus jenes Loch in Kristallin und Rotliegend gesprengt wurde (Maar-Vulkan) in welchem sich jener Ölschiefer ablagerte, aus dem die weltberühmten Fossilien der Grube Messel geborgen wurden.

  9. #9 Anke Bebber
    Oktober 13, 2011

    @Boron Ja, Lieben Dank für diese super wichtige Ergänzung!

  10. #10 Boron
    Oktober 13, 2011

    Sorry, besagte Horststruktur liegt natürlich direkt östlich von Darmstadt.

  11. #11 Dolores.Haze
    Oktober 13, 2011

    Da ich in Mannheim aufgewachsen bin, verbinde ich den Odenwald in erster Linie mit “Schlittenfahren im Winter” – die hatten da einfach mehr Schnee als wir in unserer Industriestadt… 😉
    Schön, mal zu erfahren, worauf wir da genau rumgerodelt sind!

  12. #12 Ben
    Oktober 14, 2011

    Schöne serie. Du könntest anfangs immer noch ein bild mit einer dtlandkarte einfügen, auf der das jeweilige gebiet eingetragen ist – auf wikipedia gibts immer schöne zum ausborgen.

    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/12/Karte_Odenwald_in_Deutschland.png

    Grüße =)

  13. #13 Dietmar
    Juli 29, 2012

    Diese und andere Schönheiten kann man bewundern

    Käme auch als Unterschrift für das Bild vor dem Heidelberger Schloss in Frage. 🙂

    (Ich will nicht zu nahe treten; also bitte löschen, falls unangenehm. Ist aber wirklich ein sehr schönes Bild, finde ich.)