Ich möchte mich an dieser Stelle zuerst für das Interesse und die Resonanz auf die Mittelgebirgsreihe bedanken, die ich hier gestartet habe. Da im letzten Artikel vom Steinheimer Becken und dem Ries-Ereignis die Rede war, und dieses ein sehr spezieller und spannender Teil der Geologie Deutschlands darstellt, möchte ich heute meine Reihe unterbrechen und die Grundlagen dieses Events erklären, bevor es beim nächsten Mal mit einem weiteren Mittelgebirge weitergeht.
Und weil eben alles anders ist, starte ich mit einem Bild:
Oder mit einem schönen Radiobeitrag: WissensPfade: Das Nördlinger Ries
Man sieht auf dem Bild oben nichts Geringeres als die Einschlagkrater zweier Meteoriten. Der größere von beiden ist das Nördlinger Ries, der kleinere das Steinheimer Becken, welche sich im Grenzbereich der Fränkischen zur Schwäbischen Alb befinden.
Durch die Modellierung der Veränderung des umgebende Gesteins und Funde wie Moldavite (dazu komme ich später), kann man den Ablauf des Impaktes nachstellen.
Da ich einen überaus lieben Mann habe, der sich für mich bis tief in die Nacht mit einer GIF-Animation auseinandersetzt, kann ich euch an dieser Stelle etwas tolles bieten: Die Animation des Einschlages, basierend auf Wikipedia-Grafiken von Vesta. Wie das Ganze im Einzelnen vonstatten ging, könnt ihr nachfolgend lesen.
Also, was fiel da vom Himmel und wie?
Bei dem Impaktor (was für ein Wort…) handelte es sich um einen Planetoiden, der nach seinem feurigen Ritt durch die Erdatmosphäre als circa 1,5 Kilometer großer Steinmeteorit am Boden ankam. Mit einer Geschwindigkeit von 20 km/s durchdrangen er und mindestens ein kleiner Begleiter die Atmosphäre in nur wenigen Sekunden. Dabei strahlten sie heller als die Sonne. Der Planetoid und sein Mond schlugen also die beiden Krater Nördlinger Ries und Steinheimer Becken. Dass die beiden Krater durch das Auseinanderbrechen eines einzigen Impaktors verursacht wurden, wird mittlerweile ausgeschlossen, da die Distanz der Einschlagpunkte dafür zu groß ist.
Der Einschlag erfolgte im mittleren Miozän, vor 14,6 ± 0,2 Millionen Jahren.
Einige der schönsten Beweisstücke des Impakts entstanden Sekundenbruchteile vor dem eigentlichen Einschlag, als nämlich die Luft zwischen Meteoriten und Erdoberfläche zusammengepresst wurde und durch den immensen Druck und Wärme die Deckschichten aufschmolzen. Dieses vor allem aus Sanden und Geröll bestehende Material wurde schlagartig verflüssigt bis verdampft und explosionsartig seitlich unter dem Meteoriten herausgepresst. (Das Material wurde dabei auf ein Vielfaches der Einschlaggeschwindigkeit beschleunigt). Heute findet man das zu Glas erstarrte Kieselgel 450 Kilometer entfernt in Böhmen und Mähren. Man nennt diese Schönheiten Moldavite, denn aus der Gegend rund um die Moldau stammen die wunderbar grün schimmernden Exemplare, die heute noch als Schmuckstein Verwendung finden.
Moldavit aus Böhmen. Quelle: Wikipedia (User: Vesta)
Als der Steinkörper schließlich selbst aufschlug, drang er bis in eine Tiefe von einem Kilometer in den Boden ein, durchschlug somit das Deckgebirge und erreichte das Grundgebirge. Der Meteorit und das umgebende Gestein wurden stark komprimiert und verdampften sofort.
Durch die Druckwelle kam es in dem umgebenden Material zu einer Stoßwellenmetamorphose – ganze Gesteinskörper wurden aufgeschmolzen und verformt. Dabei wurde Quarz zu Coesit und Stishovit umgewandelt, welches bei Entlastung wieder zu Quarz wird, was zu Volumenzuwachs führt und somit zu einer sehr schönen, charakteristischen Rissstruktur des Gesteins. Außerdem entstanden diaplektische Gläser.
Nach Abklingen der Stoßwelle kam es zur Auswurfphase. Der Kraterboden federte zurück, Material wurde ausgestoßen und wieder im Zentrum des Kraters zu einem Zentralberg assimiliert. Am Kraterrand kam es einen sogenannten ballistischen Auswurf, bei dem natürlich das Material sämtlicher Schichten durchmischt wurde. Im
Umkreis von vierzig Kilometern um den Krater bilden sie noch heute eine bis einhundert Meter mächtige Deckschicht, die als “Bunte Trümmermasse” bekannt ist. Ebenso bekannt sind die sogenannten Ries-Belemniten, fossile Kopffüßer ähnlich heutigen Kalmaren, deren konischer Körper durch die Schockwelle “in Scheiben geschnitten”, gegeneinander verschoben und augenblicklich wieder verkittet wurde.
Nach der Auswurfphase fiel der Primärkrater in sich zusammen. Anhand der Sedimentationsschichten rutschten große Gesteinspakete in den Krater ab und erweiterten ihn so auf 24 Kilometer Durchmesser. Auch der Zentralberg sank wieder ab und drückte dabei rund um seinen Standort Material nach oben. Diese Hügelkette ist heute als “innerer Ring” sichtbar. Hier stehen Grundgebirgsmassen an, die in ungestörter Lage erst in drei- bis vierhundert Meter Tiefe zu finden wären.
Etwa drei Minuten nach dem Einschlag war das Kraterwachstum abgeschlossen. Nun fiel auch die über dem Ganzen stehende Glutwolke in sich zusammen und deckte alles mit einer festen, verwitterungsresistenten Deckschicht ab, die all die Zeitzeugen
versiegelte. Das als Suevit bekannte Gestein besteht aus geschmolzenem Gestein und Asche. Genauer gesagt ist Suevit eine Impaktbrekzie, die aus einer sehr feinen, hellgrau bis grünen Matrix besteht, in die mehr oder weniger grobe Klasten eingeschlossen sind. Das können die erwähnten Glase sein, aber auch Bruchstücke anstehenden Gesteins. Richtungslos und kompakt “schwimmen” sie in der kleinkörnigen Grundmasse. Wie man sich so etwas vorstellen kann, zeigt das folgende Bild aus dem Berliner Naturkundemuseum. Es zeigt KEINEN Suevit, aber etwas vom Prinzip gleiches.
Man schätzt, dass die Abkühlung des Suevits im Kern des Kraters etwa zweitausend Jahre brauchte, um auf 100° Celsius abzukühlen. Später wurde der Krater von einem See ausgefüllt, der knapp vierhundert Quadratkilometer Fläche einnahm. Nach der Verlandung lag das Gebiet offen, erst während der Eiszeit im Quartär wurden der heutige Krater und all seine Besonderheiten durch Erosion freigelegt.
Blick aus der Kratermitte auf den äußeren Kraterrand. Quelle: Wikipedia
Über den Meteoriten, der den Nördlinger-Ries-Impaktor begleitete, schrieb ich bereits im letzten Artikel. Möglicherweise gab es jedoch noch mehr Begleiter, denn kraterähnliche Strukturen auf der Fränkischen Alb und eventuell am Bodensee deuten auf derartige Möglichkeiten hin.
Natürlich kann man hier noch viel weiter ins Detail gehen. Mein Anliegen war es, meinen Lesern die Augen zu öffnen, dass vor unserer Nase solch spektakuläre Dinge passiert sind, und dass man sie noch heute selbst als Laie gut nachvollziehen kann. Danke für euer Verständnis und dem Interesse an meinem Exkurs im Exkurs. Nun aber wieder “Husch!” in den Bus zurück, es geht weiter zum nächsten Mittelgebirge..
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