Die Bundesministerin der Verteidigung, Dr. (med.!) Ursula von der Leyen, hat Respekt verdient. Sie steht ihre Frau in einem von Männern dominierten Haus, lässt die Bundeswehr finanztechnisch durchleuchten, legt sich mit Lobbyisten an und verschrottet ein Schrottgewehr, und all das als Ärztin bzw. Magister of Public Health. Well done! Nicht so well done war ihre Promotion aus dem Jahr 1990, in der – das ist unstreitig – mindestens 32 Textstellen aus Quellen übernommen worden waren, ohne dass diese ordentlich zitiert wurden.
Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) verkündete am 9. März 2016, dass der Senat mehrheitlich entschieden habe, Frau von der Leyen ihren Doktorgrad nicht abzuerkennen. Die Begründung war laut dem Präsidenten der MHH, Prof. Christopher Braun: „Es wurden Fehler festgestellt, allerdings kein Fehlverhalten. Es gibt keine Anhaltspunkte für eine bewusste Täuschung.“ Der Senat folgte der Empfehlung der Kommission für Gute Wissenschaftliche Praxis (GWP).
Der Tagesspiegel ätzte schon am 1. Oktober 2015, dass es reichlich Grund gegeben hätte, an der Unbefangenheit der GWP-Kommission Zweifel zu hegen, da die Ministerin selbst sowie ihr Ehemann in einer Reihe von Funktionen der MHH eng verbunden sei. Die Unileitung sieht keine Probleme in dieser Hinsicht und verweist darauf, „auch externe Wissenschaftler in die Prüfung mit einzubeziehen“. Warum sie angesichts der Fülle der Besorgnisse der Befangenheit (also nicht der Befangenheiten an sich) das ganze Verfahren nicht ganz „outsourcen“ ließ, ist ein Rätsel. Nicht besser wird die Angelegenheit dadurch, dass der GWP-Bericht nicht veröffentlicht wurde, anders zum Beispiel als bei den Verfahren um zu Guttenberg (Uni Bayreuth) oder Schavan (Uni Düsseldorf). Ist da etwas zu verbergen?
Fehler, aber kein Fehlverhalten und keine bewusste Täuschung. Soso. Schaut man sich die auf Vroniplag dokumentierten Textstellen an, die ohne Quellenangaben bzw. ohne Kennzeichnen der wörtlichen Zitate übernommen wurden, sind doch erhebliche Zweifel an diesem sehr seltsamen Urteil angebracht. Satz- und teils absatzweise wurde munter abgeschrieben, ohne dass die jeweilige Herkunft der Texte genannt wurde. Dutzende Male Texte ohne Zitat übernommen soll kein Fehlverhalten, keine Absicht gewesen sein? Die Süddeutsche Zeitung dazu: „Wer abschreibt muss den Titel abgeben, egal in welchem Teil der Arbeit er plagiiert hat und egal, welche Erkenntnisse er gewinnt.“
Die taz bringt das Dilemma auf den Punkt: „Die Autonomie der Hochschulen geht zu weit. […] Solange weder Prüfungskommissionen noch Hochschulleitungen transparent machen, wie und anhand welcher Kriterien sie zu ihrer jeweiligen Entscheidung kommen, sind Plagiatsaffären politische Überraschungseier. Mit dem Unterschied, dass die Beschenkten diejenigen kennen, die ihre Eier befüllen. Das muss sich ändern.“ Genau das ist das Problem. Die Unis sind mit derartigen Aufgaben schlicht überfordert, zumal wenn – wie in diesem Fall möglicherweise entscheidend – eine Person in den Fokus gerät, die nicht nur national und international hohes Ansehen genießt, sondern auch noch mit ihrer Alma Mater ein enges Verhältnis hat.
Nein, so geht das nicht. Was gebraucht wird, ist eine von Universitäten und der Politik unabhängige Einrichtung, die solche und andere Fälle möglichen wissenschaftlichen Fehlverhaltens (von denen es mehr als genug gibt!) nach festgelegten Regeln und ohne Ansehen der Person untersucht. Ein Vorbild könnte das US-Amerikanische Office for Research Integrity (ORI) sein, in der deutschen Version also das GORI.
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