Nun zur Frage: warum passiert eigentlich so lange nichts? Warum werden die Leser dieser Publikation nicht über die Probleme informiert? Immerhin hatte die Studie ein erhebliches Echo in der Presselandschaft, und das Problem des Netzausbaus und der zusätzlichen Hochspannungsleitungen geht sehr viele Bürgerinnen und Bürger an. Wenn meine kritischen Kommentare hinsichtlich der völlig unplausiblen Melatoninwerte vielleicht akademisch anmuten, so wären zumindest die identischen Standardabweichungen ganz sicher Grund genug gewesen, sofort einen Kommentar der Herausgeber zu verfassen und zu veröffentlichen, damit die Leserschaft informiert wird.
Die Antwort könnte sein, dass dem Herausgeber oder dem Verlag (Nature Publishing Group) das alles lästig ist; dass die Autoren keine Antworten geben; dass es der Zeitschrift unangenehm oder peinlich ist einzugestehen, dass sie eine Studie publizierten, die so voller Seltsamkeiten ist; dass die Herausgeber zugeben müssten, nicht die richtigen Gutachter gewählt zu haben; dass gewartet werden soll, bis die Studie zumindest ein paar Mal zitiert worden ist, um den Impact Factor hochzuschrauben und und und…
Ich habe schon viel erlebt, seit ich begonnen habe, Studien kritisch zu analysieren. Bei einem Dutzend war die Konsequenz die Retraktion. Bei anderen war es eine komplette Weigerung der Herausgeber, überhaupt tätig zu werden (oder noch Schlimmeres – doch, das geht!). Und wieder bei anderen war es irgendetwas dazwischen. So funktioniert die Sicherung des wissenschaftlichen Niveaus, dem sich doch alle Herausgeber und Verlage für wissenschaftliche Zeitschriften verpflichtet fühlen sollten, aber nicht. Es kann nicht sein, dass Herausgeber oder Verlage einfach tun und – vor allem – lassen können, was sie wollen, ohne dass sie ihrer Verantwortung gerecht werden und eben notfalls dazu gezwungen werden. Im Interesse der Wissenschaft und auch im Interesse der Allgemeinheit, die letzten Endes ja die Forschung finanzieren.
Wir brauchen eine unabhängige Instanz der wissenschaftlichen Kontrolle, wenn Fälle wie diese zu klären sind. Das Vorbild kann das US-amerikanische Office for Research Integrity (ORI) sein, das hervorragende Arbeit leistet.
Wir brauchen ein GORI, ein German Office for Research Integrity!
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