Volkskunst und Klassische Moderne – Oder 100 Jahre Murnau

Vor fast genau 100 Jahren haben sich die in München ansässigen Künstler Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Marianne von Werefkin und Alexej von Jawlensky ins gut 70 Kilometer südlich gelegene Murnau aufgemacht.

Dort entdeckten die Künstler das “blaue Land” als Refugium für die Sommerfrische und später, als sich Gabriele Münter und Kandinsky getrennt hatten, auch als ständigen Wohnort. Die Farben die die Sonne auf die Berge zaubert, finden sich in ihren Gemälden wieder. Manchmal ungemischt oder unglaublich pink sind die Farbflächen auf den immer abstrakter werdenden Bildern. Oft ähnlich wie Paul Gaugin und Van Gogh mit trennenden schwarzen Umrandungslinien. Diese Art der Malerei hat seine Vorläufer u.a. in der Glaskunst. “Cloisonisme“. Bei dem wachen Verstand und bei der Suche nach neuen, intensiven Ausdrucksformen in der Kunst, ist es nicht verwunderlich, dass sich die “Murnauer” diese Techniken zu eigen machten und in ihren Bildern umsetzten. Das die bayrische Volkskunst, genauer die Hinterglasmalerei, die u.a. auch in Murnau zufinden war bzw. dort auch praktiziert wurde, gerne mit aufgenommen wurde, erstaunt dann nicht mehr. Überhaupt ist die Zeit der klassischen Moderne geprägt von der Auseinandersetzung mit außereuropäischen Kunstrichtungen. Paula Modersohn-Becker ließ sich von ägyptischen Mumienportraits beeinflussen, Van Gogh vom japanischen Holzschnitt, die “Brücke-Maler” und viele weitere von afrikanischen und pazifischen Masken und Holzskulpturen. In der Kunst ist die Globalisierung schon länger zu Hause. Wer in diesen Tagen und Wochen nach Murnau reist, um der 100 Jahre seiner “Kunstentdeckung” zu gedenken und die kleine aber feine Ausstellung im Schlossmuseum Murnau besuchen will, sollte einmal mit dem PKW anreisen und erst nachmittags kommen. Mit dem PKW deshalb, da die gesamte sehr kleine Beschilderung für das Schlossmuseum und das Münterhaus nur auf die Strassen, nicht auf die Fußgängerwege ausgelegt ist. Und Nachmittags, da das Münterhaus nur von 14 bis 17 Uhr auf hat. Fazit, man kann die Künstler wegen den Farbspielen und der dörflichen Ruhe verstehen, aber der Markt Murnau tut sich immer noch schwer mit dem ungeliebten Erbe. Wie man mit einer “Künstlerkolonie” umgehen kann, kann man in Worpswede oder in Skagen ganz anders erleben.