Das vergrößerte Europa hat auch ein Anrecht darauf, Kunst aus allen Mitgliedsländern zu fördern und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein Kunstwerk, das dann auch noch von Künstlern aus allen 27 Mitgliedsländern gestaltet wird, ist natürlich um so spannender. Nicht perse vom Inhalt, aber vom Föderhorizont aus gesehen.


Diese Grundgedanken werden den Provokationskünstler David Cerny aus Tschechien so oder so ähnlich gekommen sein, als er gemeinsam mit seinem Künstlerkollegen Kristof Kintera und dem Kunsthistoriker Tomas Pospiszyl ein perfektes potemkinsches Kunstwerk mit europäischem Anstrich erdachte.

Mit allem was für die europäische Förderwürdigkeit dazugehört – teilnehmende Künstler aus allen Mitgliedsstaaten, Websites und eine geförderte Drucksache/ein Katalog mit europäischen Gedanken und Beiträgen. Ein perfektes Projekt mit einem interessanten Ergebnis. Nur im Ganzen ein Fake. Ein Europafake sozusagen. Es gibt die Künstler nicht, entstanden ist alles daheim in Tschechien.

Wer schon mal eine europäische Projektbewerbung mit Partnern aus europäischen Mitgliedsländern in echt gemacht hat, weiß wie kompliziert das Ganze ist und wird sich diese “Fakegedanken” vielleicht schon mal gemacht haben.

Cerny und Kollegen führen jedenfalls diese Praxis ad absurdum, auch wenn die Offenlegeung der Phantasie-Identitäten vielleicht schneller ging, als es den Machern lieb war.

“Entropa” heißt die Arbeit die in Brüssel in der dritten Januarwoche enthüllt werden sollte. Ein multimediales Werk das sich bewegt, dampft (die Miniatur-Kühltürme der österreichischen Kernkraftwerke) und leuchtet.

Cerny hat die Europakarte in einen Plastikgussrahmen gespannt und zu jedem Mitgliedsland seine “Vorurteile” in Motive auf dem Grundriss des Landes aufgebracht. Da besteht Dänemark aus Legoklötzen, Italien ist ein Fussbaldfeld, usw. Diese Stereotypen haben schon zu diplomatischen Verwicklungen geführt, in dem die Bulgaren nicht mit einem Plumpsklo a la Frankreich gleichgesetzt werden wollen, Frankreich für Generalstreik steht oder Luxemburg als Goldnugget mit zu großem Preisschild gedeutet wird. Nett gemacht, aber keine große Kunst, aber nett auch ohne den Europafakecharakter.

Ist dieses Vorgehen Subventionsbetrug oder ein ähnlich strafbares Delikt, kann man sich fragen? Ist Europa vielleicht doch zu kompliziert und der Titel an die Bedeutung “Entropie”, angelehnt, das “das Maß von Unordnung in einem geschlossenen System” bedeutet, wie das Kunstmagazin art schlau deutete. 

Jedenfalls was handfest Skandalträchtiges und man kann gespannt sein, wie die EU, Tschechien und alle damit befaßten Behörden gegenüber dem Künstler reagieren werden.

Kommentare (5)

  1. #1 books
    Januar 20, 2009

    Ich habe gelesen, Herr Cerny hätte das Projektgeld zurückgegeben. Als Fake eine hübsche Sache, nur werden dadurch ähnliche Projekte in Zukunft nicht von vornherein diskreditiert? Ich bin nun nicht vom Fach und habe keine Ahnung von solchen Sachen, frage mich aber, was sich die Auftraggeber dabei gedacht haben, als sie das Ding aufstellten. Haben sie nicht mal ein bißchen gezweifelt, ob sie hier nicht verarscht werden? Oder reicht es, wenn etwas professionell aussieht? Und möglichst multisonstwas ist? Ja, die Crux mit der Kunst.

  2. #2 Christiane Hoffmann
    Januar 21, 2009

    Hallo books,
    Kunstprojekte in der EU sind wie andere Projekte der EU ziemlich kompliziert und wenn alles den förderpolitischen Erwartungen entspricht ist es erstmal gut. (Bewerbung, Partneraufstellung, Thema, Kosten,… und dann am Besten in Hochglanzbroschüren) Wenn dann das System trotz dieser Hürden, mit den eigenen Mitteln geschlagen wird, ist es schon so eine Sache. Die Arbeit an sich ist ja ganz nett und dann bleiben Zweifel vielleicht , wenn Vorhanden, lange unterdrückt. So wird der “Formalkram” bestimmt steigen, um auf Nummer sicher zu gehen. Ich fand die Aufdeckung des Schwindels allerdings verhältnismäßig einfach, (mal im Internet und im Telefonbuch geschaut) aber vielleicht sind die normalen Dinge des Lebens für die entscheidenden Beamten das Problem.

  3. #3 books
    Januar 21, 2009

    Ja, das stimmt wohl. Andererseits, vielleicht hat es auch damit zu tun, dass viele keine Kriterien an der Hand haben, nach denen sie Kunst beurteilen könnten. Manche trauen sich vielleicht auch nicht, und alles, was toll aussieht, wird akzeptiert nach dem Motto: nur nicht blamieren, ich will doch nicht als Banause dastehen. Ein spannendes Thema. Der blitzende Hirsch im Fettnapf lässt micht total kalt, aber eine kleine Arbeit in Acryl spricht mich an.

  4. #4 Tim
    Januar 27, 2009

    Hier ein lesenswerter, aber schon etwas älterer F.A.Z.-Artikel zur beklagenswerten Situation der Gegenwartskunst.

  5. #5 Reinhard
    März 10, 2009

    Irgendwas habe ich jetzt bei dem Artikel vermisst. Ah, jetzt fällt´s mir ein: Wie wurde eigentlich Deutschland noch mal dargestellt? Mit Stacheldraht oder so? Ich fand die Idee jedenalls ganz witzig – und zum Glück war´s kein Deutscher 🙂