Wenn Jahr für Jahr in Lindau die Nobelpreisträger zusammenkommen, dann ist das natürlich ein wissenschaftliches Ereignis. Doch die Fachvorträge – so brillant sie auch immer sein mögen – erklären nicht, weshalb die Lindauer Tagung diesen Ausnahmestatus genießt.
Ihre Einzigartigkeit hat die Tagung nämlich ihren Gründervätern zu verdanken. Und deren Anliegen reichte weit über den wissenschaftlichen Gedankenaustausch hinaus. Und so findet das sommerliche Zusammentreffen seit dem Start im Jahr 1951 ganz bewußt mit der Zielsetzung statt, Begegnungen zu ermöglichen. Die Begegnung, der Austausch, das Kennenlernen – das sind die Leitmotive, die das Lindauer Nobelpreisträgertreffen bis heute prägen.
Von der Völkerverständigung und dem Austausch zwischen den Forscher-Generationen
Die Idee, in Lindau eine wissenschaftliche Tagung zu organisieren, wurde 1949 geboren. In einer Situation, in der die Wissenschaftler des Nachkriegsdeutschlands weitgehend isoliert waren und nur sehr zögerlich und skeptisch von ausländischen Kollegen beobachtet wurden, begann der Internist Prof. Dr. Gustav Parade mit den Planungen zu einer medizinischen Tagung.
Die Planungen für die erste Tagung begannen in einer Zeit, in der die deutschen Wissenschaftler international isoliert waren.
Er wollte die Isolation durchbrechen und das Signal senden, dass sich die deutschen Wissenschaftler wieder in das internationale akademische Geschäft einbringen wollen.
Gustav Parade fand im Gynäkologen und Lokalpolitiker Franz Karl Hein einen engagierten Mitstreiter. Gemeinsam erarbeiteten die beiden ein Konzept für den geplanten Kongress. Im Januar 1950 stellten sie ihre Idee dem Grafen Lennart Bernadotte von der Bodensee-Insel Mainau vor, von dem sie sich Unterstützung erhofften. Parade und Hein formulierten ihre Zielsetzung folgendermaßen:
“Der Zweck dieses 3-4 Tage dauernden Kongresses besteht darin, der europäischen Wissenschaft durch den Mund ihrer berufensten Vertreter Kenntnis vom heutigen Stand der Wissenschaft zu geben (…) und schließlich die hervorragendsten vertreter der Wissenschaft mit Forschern, Naturwissenschaftlern und Ärzten zu gemeinsamer Aussprache und persönlicher Fühlungnahme zu vereinen.” *
Graf Lennart Bernadotte sagte den beiden seine Hilfe zu und bat – er selbst war Enkel des schwedischen Königs Gustav V. – das Nobelpreis-Komitee von Stockholm um Unterstützung.
Ein Jahr später – im Juni 1951 – war es dann soweit: die “Europatagung der Nobelpreisträger” konnte stattfinden.
Das Konzept der Lindauer Tagung basiert auf den informellen Gesprächen und Begegnungen der Teilnehmer untereinander. Die Gründer sprachen von der “persönlichen Fühlungnahme”.
Und der Akzent lag bereits bei dieser Premiere auf dem Austausch der Wissenschaftler untereinander oder eben der “persönlichen Fühlungnahme”, wie es im Konzept so hübsch geschrieben stand.
Und genau diese Begegnungen machen den besonderen Reiz der Lindauer Tagungen aus. Die Gespräche in den Vortragspausen, bei den abendlichen Empfängen und gemeinsamen Essen und schließlich bei der Schiffstour auf die Insel Mainau. Diese Begegnungen sind das Kennzeichen von Lindau. Ganz so, wie es die drei Initiatoren vor 60 Jahren geplant und erhofft hatten.
Wir freuen uns also auch dieses Jahr darauf, dass diese Idee der wissenschaftlichen Begegnung Wirklichkeit wird. So wie es auf diesem Photo des Jahres 2007 dokumentiert ist, wo Medizin-Nobelpreisträger Craig C. Mello nach seinem Vortrag (“RNAi and development in C. elegans”) umringt wurde.
* Zitat nach: Burmester, Ralph: Wissenschaft aus erster Hand. 50 Jahre Tagungen der Nobelpreisträger in Lindau/Bodensee, S. 13
» Marc Scheloske ist Sozialwissenschaftler und Redakteur von ScienceBlogs |
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