Ich muss gestehen: Ich habe nichts davon gewusst! Es ist ja nicht so, dass einem der Nobel-Preis kein Begriff wäre. Forschungsmillionen aus Dynamit! Das ist eine explosive Mischung – die verkauft sich von selbst. Erst recht, wenn sich gleich zwei Dutzend Nobel-Koryphäen zusammenfinden, um sich einer Horde von Nachwuchswissenschaftlern zu stellen. Könnte man meinen, aber: Ich habe davon nichts gewusst.
Das änderte sich schlagartig, als mir angeboten wurde, mich für das diesjährige Treffen zu nominieren. Mein Interesse war sofort geweckt und jetzt zähle ich trotz meiner Ignoranz zu besagter Horde – als einziger im bunt gemischten Autorenteam. Von mir wird es deshalb Berichte aus der Sicht des Teilnehmenden geben. Es bedeutet auch, dass mir ein paar Privilegien zu Teil werden. Eines ist, dass ich vom Bewerbungsprozess berichten kann. Das will ich hier tun.
Um das am Ende der 90er Jahre leicht angestaubte Image aufzupolieren, sind in Lindau mittlerweile nur noch die Besten erwünscht. Dazu wurde ein mehrstufiges Auswahlverfahren initiiert welches die Bewerber nach einer ganzen Reihe von Kriterien bewertet. Danach können sich alle 608 Teilnehmenden zu den oberen zehn Prozent Ihrer Klasse zählen. Glückwunsch! Der elitäre Anspruch der Veranstalter wird auch in einer Pressemitteilung deutlich, die von den “weltbesten” und “hochbegabten” Nachwuchsforschern spricht. Wenn es nicht PR wäre könnte man fast rot werden. Am Ende gibt es sogar ein Zertifikat!
Wie gesagt steht am Anfang, wie bei dem Nobel-Preis selbst, die Nominierung. Man kann sich also nicht aus eigener Initiative bewerben und muss sich einen Fürsprecher aus dem Kreis der akademischen Partner suchen. Oder man ist unwissend und wird wie in meinem Fall gefragt. Meine Gönnerin war Katharina Fromm von der Uni Fribourg (Schweiz). Danach folgte der wohl aufwendigste Teil, nämlich das Ausfüllen eines umfangreichen Online-Profils. Da habe ich schon für so manchen Forschungsantrag weniger Zeit benötig. Wer sich dieser elektronischen Tortur unterwirft, will wirklich dabei sein – das Kriterium “commitment” wird hart geprüft.
Darüber hinaus dient die Datenflut meines Erachtens kaum einem weiteren Zweck. Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, dass Alles im Detail gesichtet wird. Allerdings nahmen sich die Gutachter wirklich Zeit und verschoben den Termin der Bekanntgabe der Ergebnisse mehrfach. Insgesamt musste ich mich drei Monate gedulden bis mir die frohe Botschaft ins Haus flatterte: Du bist dabei! Ausserdem wurde ich aufgefordert mein Profil auszufüllen, sollte dies noch nicht geschehen sein. Paradox, nicht?
Zur Belohnung durfte ich mich gleich einem weiteres Online-Formular bezüglich Organisation und Logis widmen. Man kann sich nämlich zwischen der Unterbringung bei Lindauer Familien und einem Zimmer im Gästehaus entscheiden. Letzteres teilt man mit einem weiteren Teilnehmer. Mein Zimmergenosse wird Doktorand Tobias B. sein. Vielleicht liest er ja mit? Die Kosten trägt übrigens der Verband der Chemischen Industrie. Dabei finde ich es kurios, dass es eine virtuelle Teilnahmegebühr gibt, da man ohnehin nur auf Einladung, dann aber kostenlos, teilnehmen kann.
Kürzlich kam dann ein Schreiben mit Hotelreservierung und allgemeinen Informationen. Demnach werden Dienstag Abend für geladene Gäste diverse Abendessen in Lindauer Restaurants organisiert, während die weniger Privilegierten wie üblich im dafür vorgesehenen Zelt dinieren. Mein persönliches Ziel für die Woche wird also sein eine solche Einladung zu erhaschen. Wenn das nicht klappt hoffe ich, dass zumindest unser Sponsor Mars den Bloggern ein paar der täglich produzierten 15 Millionen “Snickers” zur Verfügung stellt.
Am Ende ist es ziemlich egal, dass ich erst so spät vom Nobelpreisträgertreffen erfahren habe, denn man darf ohnehin nur einmal teilnehmen – es sei denn man wird als Preisträger eingeladen. Davon berichte ich dann ein andermal…
» Oliver Schuster ist Chemiker. |
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