Vor genau hundert Jahren erhielt der Chemiker Wilhelm Ostwald für seine Arbeit auf dem Gebiet der Katalyse den Nobelpreis. Und wie wir heute sehen, war seine Forschungsarbeit tatsächlich wegweisend: ohne Katalysatoren wäre auch die moderne Chemie nicht vorstellbar. Nur logisch also, dass bei der diesjährigen Tagung der Nobelpreisträger die Katalyse ebenfalls einen der thematischen Schwerpunkte darstellt.

Welche elementare Bedeutung die Katalyse hat, kann schon allein daran abgelesen werden, dass in den letzten acht Jahren insgesamt drei Chemie-Nobelpreise für Fortschritte in der Katalyseforschung vergeben wurden.

In Europa ist die Katalyse jährlich an der Erzeugung von Produkten im Wert von 1.2 Billionen Euro beteiligt.

Und wer immer noch zweifelt, kann vielleicht mit folgender Zahl vom “Wert” der Katalyse überzeugt werden: in Europa werden jährlich Produkte mittels Katalyse hergestellt, deren Wert rund 1.200.000.000.000 Euro beträgt. (Wem es zu mühsam ist, die Nullen zu zählen: es sind 1,2 Billionen Euro).

Ohne Katalyse geht es nicht

Aber nochmal zurück zur chemischen Relevanz der Katalyse. Wilhelm Ostwald hatte sie vor über hundert Jahren folgenderweise definiert:

„Katalyse ist die Beschleunigung eines langsam verlaufenden chemischen Vorgangs durch die Gegenwart eines fremden Stoffes.”

Und diese Erklärung ist auch heute noch gültig. Die allermeisten chemischen Reaktionen sind derart träge bzw. langsam, dass die Zugabe eines Katalysators erforderlich ist, um die Reaktion in Schwung zu bringen. Eine Bilderbucherklärung für alle, deren Schulunterricht schon etwas länger zurückliegt, liefert übrigens der Chemiker Werner Stadlmayr in diesem Video-Vortrag.

In Lindau wird Gerhard Ertl, Chemie-Nobelpreisträger des Jahres 2007, gleich den ersten Vortrag zu diesem Thema halten. Unter dem Titel „Von Atomen zur Komplexität – Reaktionen an Oberflächen” wird sich Ertl den spannenden Effekten widmen, die sich abspielen, wenn Festkörper mit hauchdünnen Oberflächen (die als Katalysator fungieren) beschichtet werden.

Und wenn man diese Prozesse mit modernsten Methoden unter die (atomare) Lupe nimmt, so können möglicherweise – wie Ertl im Vortragsabstract ankündigt – Rückschlüsse auf Mechanismen natürlicher Selbstorganisation abgeleitet werden.

i-4a245d7f4aba517b8cbf3d4eceedb666-John_Walker.jpgEnzyme und die Zukunft der Energieerzeugung?

Einen spannenden Ausblick auf eines der zukünftigen Anwendungsfelder der Katalyse gibt John E. Walker*, Nobelpreisträger des Jahres 1997, in seinem Vortrag “Energy conversion in biology”. Denn möglicherweise liefert uns die Erforschung der Katalyse eine Antwort auf die Energieprobleme unserer Zeit.

In der Natur gibt es selbstverständlich ebenfalls überall katalytische Prozesse. Es sind die Enzyme, die innerhalb des Stoffwechsels als Reaktionsaktivator eine Schlüsselrolle einnehmen. Walker hatte in den 80er Jahren gezeigt, wie Organismen ihre Energie dank des Enzyms ATP-Synthase erzeugen. Und dieser Mechanismus, der quasi eine “molekulare Maschine” darstellt, könnte in der Zukunft für die Energieerzeugung eine Rolle spielen.

In der Pressemitteilung der Lindauer Tagung gibt es weitere Details zu diesem Themenkomplex. Und dort wird auch die Hoffnung formuliert, die – sollte sie wahr werden – der Katalyse eine Karriere von noch einmal mindestens hundert Jahren bescheren wird:

“Eines Tages könnten sie die Vision einer regenerativen und umweltfreundlichen Wasserstoffwirtschaft zur Energieversorgung unserer Erde Wirklichkeit werden lassen.”

* Für Namensbespaßung ist ein ScienceBlog nicht der richtige Ort. Schon gar nicht, wenn es um Sir John E. Walker geht.

 » Marc Scheloske ist Sozialwissenschaftler und Redakteur von ScienceBlogs i-f5ff0970053afb8ff0e127c37c02b17c-Marc_45_sw.jpg