Für ein Honorar von umgerechnet 2 Euro nahmen 350 Obdachlose im Vorjahr an einer Studie zu einem experimentellen Vogelgrippe-Impfstoff in Polen teil. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMEA fand bei der Inspektion vor Ort starke Qualitätsmängel. Angeblich gab es zahlreiche Todesfälle. Der Hersteller des Impfstoffes, Novartis, zog nun seinen Zulassungsantrag bei der EMEA zurück.

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Noch vor einem Jahr hatte der Schweizer Novartis Konzern seinen neuen präpandemischen Vogelgrippe-Impfstoff Aflunov auf gutem Weg gesehen, 2008 die EMEA-Zulassung zu erhalten. Der Impfstoff sollte, so Michael Pfleiderer, Experte des Paul Ehrlich Institutes „quasi ab sofort eingesetzt werden, sobald die ersten toten Vögel vom Himmel fallen.”
Verabreicht würde die Impfung zunächst jenen, die diese Vögel einsammeln. In weiterer Folge kämen aber auch Regierungen, Firmen oder die Allgemeinbevölkerung als Kunden in Betracht. Novartis freute sich in seinem Strategiepapier (PDF) bereits über Vorbestellungen im Umfang von 228 Mio. US$.

Völlig überraschend teilte die EMEA jedoch am 16. Juni mit, dass Novartis den diesbezüglichen Antrag zurück gezogen hat. Novartis bestätigte den Rückzug und gab als Grund dafür an, dass das „Committee for Medicinal Products for Human Use” (CHMP) der EMEA zusätzliche klinische Daten angefordert habe. Die Daten hätten aber nicht innerhalb der gesetzten Frist geliefert werden können.

Heute Abend kam dazu vom CHMP eine detailliertere Begründung. Und die besagt folgendes:

The CHMP was concerned over the way the main clinical study was carried out. An inspection of some of the study sites showed that the study had not been conducted in compliance with ‘good clinical practice’ (GCP). Consequently, the study results could not be considered reliable and could not be used for the evaluation of the vaccine. As a result, the size of the clinical database for the assessment of the vaccine’s safety was not sufficient to fulfil the requirements of the EMEA’s guidelines on prepandemic vaccines.
Therefore, at the time of the withdrawal, the CHMP could not conclude on the benefit-risk balance of Aflunov.

Im Registrierungsformular dieser Studie wird als Studienzentrum das „Centrum Bada Farmakologii Klinicznej monipol” in Krakau angegeben. Insgesamt sollten 4.400 Studienteilnehmer aufgenommen werden.

Ein Teil der Studie, wurde laut polnischen Medien mit Teilnehmern eines Obdachlosen-Zentrums in der Stadt Grudziadz durchgeführt, wie der Warschau-Korrespondent des britischen Telegraph berichtet.
Insgesamt seien 350 Obdachlose für ein Honorar von rund 2 Euro in die Studie aufgenommen worden. Angeblich unter der Vorspielung, dass es sich um eine ganz normale Grippe-Impfung handle. Dass es sich hingegen um ein noch nicht zugelassenes Arzneimittel gegen H5N1 Viren handle, sei verschwiegen worden.

Der Direktor des Obdachlosen-Zentrums Mieczyslaw Waclawski wird in den polnischen Medien mit der Aussage zitiert, dass im vergangenen Jahr als die Studie lief 21 Bewohner seines Zentrums gestorben seien. In normalen Jahren seien es im Schnitt hingegen nur acht.

Die Gesundheitsbehörden leiteten gegen drei an der Studie beteiligte Ärzte und sechs Krankenschwestern Gerichtsverfahren ein. Dass die Todesfälle unmittelbare Folge der Impfstoff-Versuche sind, ist bislang nicht erwiesen. Laut der polnischen Gesundheitsministerin Ewa Kopacz, sei derzeit jedoch nicht daran gedacht, das über die beschuldigten Ärzte und Schwestern verhängte Berufsverbot aufzuheben. “Es ist im Interesse aller Ärzte, dass jene, die hierfür verantwortlich sind, bestraft werden”, betonte Kopacz.
Was genau den Beschuldigten vorgeworfen wird und ob Novartis von diesen Vorgängen Kenntnis hatte, scheint derzeit nicht bekannt.