54 Prozent weniger Herzinfarkte, 48 Prozent weniger Schlaganfälle, ein Minus von 20 Prozent bei der Gesamt-Sterblichkeit. Wahrlich kein schlechtes Ergebnis für ein Cholesterin senkendes Medikament. Das beste kommt aber noch: Die Studienteilnehmer hatten gar keinen hohen Cholesterinspiegel.
Die fast 18.000 Probanden, die in 26 Ländern für die JUPITER-Studie rekrutiert wurden, mussten als Teilnahmebedingung nämlich genau das Gegenteil vorweisen: Einen normalen Cholesterinspiegel mit einem LDL-Wert unter 130 mg/dl. Dafür aber sollten die beteiligten Männer (älter als 50) und Frauen (älter als 60) einen erhöhten Wert eines anderen Risikomarkers haben: C-reaktives Protein sollte über dem Grenzwert von 2,0 mg/l liegen.
C-reaktives Protein gilt ganz allgemein als Hinweis auf eine bestehende chronische Entzündung im Körper. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Arteriosklerose, die mit Abstand häufigste Todesursache in den Industrieländern.
Langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass es nicht ein paar wenige Ursachen für die krankhaften Veränderungen, Verletzungen und Ablagerungen der Arterienwände (siehe Foto, © CDC/Dr. Edwin P. Ewing, Jr.) gibt, sondern zahlreiche. Die wichtigsten negativen Einflüsse sind Rauchen, schlechte Ernährung sowie Stress. Rauchen hat jedoch einen derart überragend negativen Einfluss, dass sich Raucher zumindest keinen Stress mehr wegen schlechter Ernährung machen müssen. (Dies nur als kleinen Trost für die Giftler unter Euch.)
Astra Zeneca, Hersteller des getesteten Statins (Crestor) und natürlich auch Financier der Studie, freute sich sehr. Und auch auf der Tagung, wo die Arbeit präsentiert wurde, machte sich laut Deutschem Ärzteblatt heftige Jubelstimmung breit. Das sei die “wichtigste Studie des Jahrzehnts” und werde “die gesamte Kardiologie” verändern.
Natürlich gibt es gegen vorzeitige Euphorie auch berechtigte Einwände. So klingt die Risikoreduktion wesentlich bescheidener wenn der Vergleich in absoluten, statt in relativen Zahlen angegeben wird: Demnach waren in der Statin-Gruppe 83 Personen (0,9 Prozent), in der Placebogruppe 157 Personen (1,8 Prozent) von den vordefinierten Endpunkten (Herzinfarkt, Schlaganfall, Herztod) betroffen. Die absolute Risikoreduktion betrug also “nur” 0,9 Prozent.
Dieser hoch signifikante Unterschied gab den Ausschlag, um die Studie nach 1,9 Jahren vorzeitig abzubrechen. Eigentlich war eine Laufzeit von 4 Jahren vorgesehen.
Dieser Unterschied bedeutet aber auch, dass man immerhin 120 Personen 1,9 Jahre lang mit Statinen behandeln muss, um einen einzigen kardiovaskulären Vorfall zu vermeiden.
Wie lange dieser Vorfall vermieden wird – ob es sich dabei um einige Jahre oder nur um wenige Monate handelt, wurde mit JUPITER nicht geklärt.
Dafür lässt es sich recht einfach ausrechnen, dass die Vermeidung/Verzögerung einer einzigen Herzattacke (bzw. eines Schlaganfalles) mit Crestor Kosten von mehr als 250.000 Euro verursacht.
Bei der kurzen Laufzeit der Studie ist zudem noch unklar, wie schwer die Nebenwirkungen der Therapie wiegen. Schon jetzt zeigte sich ein signifikant negativer Einfluss auf die Neu-Entstehung von Diabetes. Und das obwohl nur gesunde Personen als Probanden zugelassen wurden. Wie sich der Masseneinsatz des Medikaments bei den in der “Normalwelt” meist multimorbiden älteren Menschen auswirkt, ist schwer abschätzbar.
Zudem zeigen aktuelle Arbeiten, dass die radikale Senkung von Cholesterin auch mit anderen Risiken, etwa von Depressionen oder Krebs assoziiert ist.
Der Kardiologe Mark A. Hlatky von der Stanford University warnte in seinem Editorial im New England Journal of Medicine denn auch eindringlich vor einer zu euphorischen Aufnahme dieser Ergebnisse, auch wenn sie zweifellos bemerkenswert wären.
Mir erscheint an dieser Studie zusätzlich interessant, dass sich damit die Bedeutung eines hohen Cholesterinspiegels weiter relativiert.
Lange Zeit wurde der Cholesterin senkende Effekt der Statine ja als deren eigentlicher Wirkmechanismus betrachtet.
Nun zeigt sich immer mehr, dass in Wahrheit ihre entzündungshemmenden Eigenschaften den wesentlichen Vorteil der Statine darstellen und diese scheinbar völlig unabhängig von hohem oder normalem Cholesterin bestehen.
Nachdem viel Hirnschmalz in die Klärung der Frage investiert wurde, wie Statine in den Cholesterin-Stoffwechsel eingreifen, steht dieselbe Arbeit beim Mechanismus der Entzündungsabläufe in den Arterien noch zum Großteil bevor.
Klar aber dürfte schon jetzt sein: Einfache Antworten – wie z.B. die Ablagerung von fettigen Plaques als Folge von fettigem Essen – haben endgültig ausgedient.
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