Nachdem dieses Blog ob der schlechten Pflege fast schon den Namen Stiefmutterwitz verdient hätte, melde ich mich hiermit aus der Sommerpause zurück, die aus verschiedenen Gründen länger ausfiel als geplant.
Und das gleich mit einem recht langen Text – der in großen Teilen auch in der Printausgabe des aktuellen Laborjournals erschienen ist.
Zurück zum Thema Chlorbleiche. Ein Zeug, mit dem manche Schimmel wegmachen, andere Flecken bleichen. Und einige es hinterher nicht ordentlich wegräumen. Also erstmal zum versehentlichen Vergiften bei Kindern – und danach zum absichtlichen Vergiften von Erwachsenen.
Womit vergiften sich Kleinkinder am
häufigsten? Welche Verpackung für Putzmittel ist die kindersicherste?
Amerikanische Wissenschaftler haben in der Zeitschrift Pediatrics die Fälle
zusammengetragen, in denen sich Kleinkinder in den letzten 20 Jahren
mit Reinigungsmitteln versehentlich vergiftet haben. Dabei beschränkten
sie sich auf die Patienten, die in den Notaufnahmen der Krankenhäuser
vorgestellt wurden. Glücklicherweise sind diese Fälle seit 1990 um fast
die Hälfte gefallen – von 22000 auf knapp 12000 Notfälle im Jahr 2006.
Die Autoren vermuten, dass das an den inzwischen weit verbreiteten
kindersicheren Verschlüssen und an einem größeren Bewusstsein für die
Gefahr bei den Eltern liegt.
In
dem Artikel sind die Haushaltsreiniger einmal nach der Verpackung und
einmal nach der Art des Mittels sortiert. Die meisten Unfälle geschehen
demnach mit Reinigern, die in Sprühflaschen verkauft werden – weil
diese besonders oft keinen kindergesicherten Verschluss haben oder er
nicht benutzt wird.
Und
Chlorbleiche ist die Substanz, die am häufigsten zu Verletzungen führt
– eine stechend riechende Flüssigkeit, mit der man Schimmelflecken auf
der Wand besprühen oder Klamotten bleichen kann, die aber entsprechend
aggressiv ist. Also: immer gut wegräumen, Verschluss zudrehen, Kinder
damit nicht unbeobachtet lassen!
Und
jetzt zum Umgang mancher Erwachsener mit dem Stoff.
Chemikalienhändler
müssen Natriumchlorit (NaClO2) mit dem Gefahrenhinweis „Giftig (T)”
kennzeichnen und auf dem Sicherheitsdatenblatt (material safety data
sheet, MSDS) eine Reihe von R- und S-Sätzen vermerken. (R-Sätze
bezeichnen die besonderen Risiken, die von einer Chemikalie ausgehen,
S-Sätze die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen. Z.B. R-Satz:
Verursacht Verätzungen. S-Satz: Geeignete Schutzkleidung/Schutzbrille
tragen).
Der Stoff dient seit Jahrzehnten – wie andere
Chlorverbindungen – zur Desinfektion von Wasser und zum industriellen
Bleichen von Papier. Für die meisten wohl Grund genug, das Zeug nicht
in ihren Speiseplan aufzunehmen.
Erstaunlich, dass manche Menschen
Natriumchlorit dennoch trinken. Und geradezu bizarr mutet an, dass sie
sich damit etwas Gutes tun wollen.
Unter dem Namen Miracle Mineral Solution (MMS) vertreiben mehrere
Anbieter eine 28%ige Lösung von NaClO2 in Wasser und preisen sie auf
ihren Internetseiten (in Deutschland unter anderem in diesem netten Filmchen) als Allheilmittel an.
Sie empfehlen das Zeug gegen verschiedene Krankheiten. So soll es gegen Infektionskrankheiten wie AIDS, Malaria und Tuberkulose wirken, Krebs und chronische
Darmkrankheiten heilen und sogar die Erbkrankheit Mukoviszidose lindern. Zu einer Unzahl von Krankheiten gibt es auf den Seiten Berichte über wundersame Genesungen.
Das klingt vielversprechend. Und die Anwendung ist einfach.
Einige Tropfen der Wunderlösung soll man mit ebenso vielen Tropfen einer Säure mischen. Ein Anbieter empfiehlt dazu Zitronen- oder Essigsäure, ein anderer schlicht Salzsäure. Dann soll sich die Mischung gelb-grünlich verfärben und beginnen, intensiv zu riechen. Das ist das
entstehende Chlordioxid, ClO2. miraclems.de empfiehlt wegen des Geruchs, die Flüssigkeit währenddessen abzudecken.
Das MSDS zu Natriumchlorit enthält übrigens R 32: Entwickelt bei Berührung mit Säure sehr giftige Gase.
Nach ein paar Minuten Wartezeit und dem Verdünnen mit etwas Wasser ist die Brühe nun fertig zum Genießen.
Die angebliche Heilwirkung der Chlorverbindung entdeckt hat der Amerikaner Jim Humble. Auf einer Urwaldtour in – nun ja, je nach Quelle in Guyana oder Guinea, aber wen interessieren schon die Feinheiten – befiel ihn Malaria. Hoch fiebernd trank er ein Wasserdesinfektionsmittel und wurde gesund. Nach seiner Rückkehr in die Zivilisation fing er dann an, das Wundermittel in alle Welt zu tragen.
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