Unser Problem besteht ja nicht darin, daß wir nicht wüßten, was gut und richtig ist, sondern daß wir uns als unfähig erweisen, unsere abstrakten Ideale des Guten in konkrete Handlungsprogramme zu übersetzen. Aus diesem Grund stand für mich fest, daß der Workshop über die Ethik der nachhaltigen Entwicklung in erster Linie davon zu handeln habe, wie wir unsere Zukunft gestalten wollen. Da es in der Kürze der Zeit ohnehin nicht möglich sein würde, die Teilnehmer in die Tiefen der konzeptionellen und philosophischen Debatte einzuführen, wollte ich mich darauf konzentrieren, ihnen ein Grundverständnis der Problematik und den methodischen Ansatz zu vermitteln, aus dem sich die Einzelheiten wie von selbst ergeben. Der entscheidende Punkt: Wir müssen zunächst Zielvorstellungen entwerfen und im zweiten Schritt fragen, wie wir vom Jetztzustand dorthin gelangen. Gleichermaßen müssen wir uns bewußt werden, zu welchen Zukunftszuständen unser gegenwärtiger Entwicklungspfad führt, wenn wir ihn nicht korrigieren. Es gilt, die Weichen rechtzeitig zu stellen. Denn wenn es zu spät ist, wird es nicht mehr zu ändern sein.

Die falsche Möglichkeit

Für die praktische Vorbereitung des Workshops war mir allerdings vieles unklar. Mit welcher Art von Teilnehmern würde ich zu rechnen haben? Wieviel Vorbildung würden sie mitbringen? Wieviel Interesse? Konnte ich davon ausgehen, daß sie auf Gruppenarbeit gut ansprechen würden, oder würde eine eher vortragszentrierte Form besser funktionieren? Welches Niveau von Wissenschaftlichkeit wurde von mir erwartet? Würde ich Erwartungen enttäuschen, wenn ich statt auf Fachinhalte eher auf Problembewußtsein setzte? Mich auf eine der vielen Möglichkeiten festzulegen, hieß zu riskieren, daß ich meine Arbeit in die falsche Möglichkeit steckte. Also zögerte ich, mit der konkreten Vorbereitung anzufangen.

Außerdem gab es an der Uni dringende Managementaufgaben zu erledigen. Mir waren Hilfskraftmittel zugesagt worden, die allerdings nur bis zu einer bestimmten Frist abgerufen werden konnten. Also waren Stellen auszuschreiben, Bewerber zu sprechen, Verträge anzuberaumen. Kaum nahte der Beginn des Wintersemesters, sollte ich schon die Terminpläne für meine Lehrveranstaltungen im kommenden Sommersemester vorlegen. Gleichzeitig war ich an der Planung von zwei Vortragsreihen für denselben Zeitraum beteiligt, von denen ich mir neue Kontakte und zukünftige Möglichkeiten erhoffte. Das bedeutete mehr treffen, Emails, Recherchen und Entwürfe. Und was war eigentlich der Stand der Finanzen an unserer Professur? Schließlich galt es, bis zum Kassenschluß Ende November alle Mittel punktgenau auszugeben. Diese Gelegenheiten zu verpassen, würde zwingend zu Nachteilen führen: verlorene Gelder, nicht vereinnahmtes Prestige. Die Vorbereitung des kleinen Workshops hingegen würde ja nicht lange dauern, und es waren immer noch mehrere Tage Zeit. Also schob ich sie weiter auf.

Das Abenteuer ruft

Am Anreisetag vor dem Workshop beschloß ich kurzfristig, schon morgens aufzubrechen, die Alltagsaufgaben hinter mir zu lassen, bei meiner Ankunft am frühen Nachmittag einen ersten Eindruck von den Örtlichkeiten und Beteiligten zu gewinnen und die freien Stunden endlich zu konkreten Vorbereitungen zu nutzen. Einmal in dem brandenburgischen Dorf angekommen, war die Erkundung, soweit mein Interesse reichte, innerhalb einer halben Stunde abgeschlossen. Aber es tat sehr wohl, einmal anderswo als in der immerselben Kleinstadt unterwegs zu sein, und das Wetter war gut. Also folgte ich dem Ruf des Abenteuers, nahm einen Bus in die nächstgelegene Stadt, die ich bisher nur dem Namen nach kannte, und verbrachte den Rest des Nachmittags damit festzustellen, daß mir dort bisher auch nicht viel entgangen war. Allerdings war ich nicht ganz bei der Sache. Während ich äußerlich die Rituale des Touristen absolvierte, kreisten vor meinem inneren Auge die ungeklärten Planungsszenarien für den Folgetag.

Rechtzeitig zum Abendessen kehrte ich zur Tagungsstätte zurück, verließ den spätsommerlichen Grillabend jedoch frühzeitig, um in meinem Pensionszimmer endlich den Workshop vorzubereiten. Ich hatte mich gerade in meine bisherigen Notizen eingelesen, da klopfte es, und die Leiterin eines Parallelkurses stand vor der Tür. Wir stellten uns vor, fragten einander nach den Inhalten unserer Workshops, entdeckten einen reichen Fundus gemeinsamer Fragen und anregender Verschiedenheiten in unseren Antworten, und diskutierten schließlich bis nach zweiundzwanzig Uhr, während mein Laptop zugeklappt zwischen uns stand. Als die Kollegin sich verabschiedete, war mir klar, daß es für die Detailplanung endgültig zu spät war. Jetzt brauchte ich vor allem Schlaf, um mich am nächsten Tag auf meine Improvisationskraft verlassen zu können. Wie gut es aber getan hatte, sich mit jemandem auszutauschen, der die Schwächen des Menschen in Gesellschaft und die daraus folgende Notwendigkeit zur utopisch-konkreten Gestaltung der Zukunft so gut erkannte wie ich selbst!

Am nächsten Morgen stand ich erst kurz vor dem Frühstück auf und verplauderte die verbleibende Stunde im Speiseraum der Pension mit der Kollegin und zwei weiteren Workshopleitern, die erst spät am Vorabend eingetroffen waren; es hätte unprofessionell gewirkt, jetzt noch aufzuspringen, um letzte Vorbereitungen zu treffen. Erst auf dem kurzen Fußweg zur Tagungsstätte legte ich mich gedanklich auf einen groben Ablaufplan zumindest für den Vormittag fest: erstens ein Einführungsgespräch über Philosophie, Ethik, Nachhaltigkeit, zweitens ein Rollenspiel, in dem die Teilnehmer die Verhandlung zwischen heutigen und zukünftigen Menschen simulieren würden, vor dem Hintergrund von Fragen wie: Was hättet ihr besser planen können? Eine Viertelstunde später eröffnete ich den Workshop und improvisierte anschließend drei Stunden lang von Minute zu Minute.

Was unsere Enkel fragen werden

In der Mittagspause überkommt mich plötzlich große Müdigkeit, aber noch bleibt zu entscheiden, wie ich am Nachmittag weitermachen will. Statt mit Stipendiaten und Stiftungsleuten zu plaudern, treibe ich mich also im Parkgelände herum, um gleichzeitig auszuruhen und zu planen. So gelingt mir keines von beidem. Fünf Minuten vor der Nachmittagssitzung beschließe ich, die Programmentscheidung den Teilnehmern zu überlassen, und denke nur schnell den zeitlichen Rahmen durch. Irgendetwas werden wir tun, und selbst wenn der Tag mißlingt, werde ich stets behaupten können, mein didaktisches Vorgehen habe sich durch Teilnehmerorientierung und Situationsgespür ausgezeichnet. Doch selbst falls der Tag tatsächlich glückt, wird er niemals das gewesen sein, was er hätte sein können, wenn ich besser vorbereitet wäre. Diese Gelegenheit ist schon lange vorbei. Jetzt kann ich es nicht mehr ändern.

 

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Kommentare (15)

  1. #1 Joseph Kuhn
    18. November 2016

    Ein neuer Autor auf Scienceblogs? Willkommen!

    Ja, was werden uns unsere Enkel wohl einmal fragen – so wir denn welche haben? Vielleicht, ob wir auch die wichtigen Dinge so leger geplant haben?

  2. #2 Joseph Kuhn
    18. November 2016

    … ah, gab ja schon einen Beitrag im September. Dann werden die Enkel wohl fragen, warum ich den vergessen habe 😉

  3. #3 Dr. Webbaer
    18. November 2016

    Unser Problem besteht ja nicht darin, daß wir nicht wüßten, was gut und richtig ist, sondern daß wir uns als unfähig erweisen, unsere abstrakten Ideale des Guten in konkrete Handlungsprogramme zu übersetzen.

    Es geht beim Guten um die Methodologie des Guten, weder das Ziel ist gänzlich klar, noch das Gute selbst. [1]

    Insofern gilt es auch sich von Maximalvorstellungen – vgl. bspw. mit ‘Doch selbst falls der Tag tatsächlich glückt, wird er niemals das gewesen sein, was er hätte sein können, wenn ich besser vorbereitet wäre.’ – zu lösen.

    Insofern dürfen auch das Ich und das Wir ein wenig herausgenommen werden, und: hey! – sind Sie nicht auch fernostasiatisch gebildet? -, ansonsten nöh, gerne weitermachen,
    MFG + viel Erfolg,
    Dr. Webbaer

    [1]
    Neomarxisten wie Habermas sprechen und schreiben in diesem Zusammenhang auch von einem nie enden währenden Diskurs.
    Wobei der (liberale) Schreiber dieser Zeilen dem Kollektivismus abgeneigt bleibt, aber Habermas hatte auch aus Sicht anders Meinender helle Momente.

  4. #4 walter
    18. November 2016

    Gut auf den Punkt gebracht. Ja, man weiß was zu tun wäre und kommt doch meistens irgendwie nicht dazu, nachher kann man es ja auch noch angehen … Das ist nur allzu menschlich und verständlich. Doch Lebenschancen sind etwas anderes als ein suboptimaler Nachmittag. Im ersten Fall halte ich es für kaum entschuldbar. Da müssen wir uns am Riemen reißen.

  5. #5 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2016/11/20/fairarscht/
    21. November 2016

    Unser Problem besteht ja nicht darin, daß wir nicht wüßten, was gut und richtig ist, sondern daß wir uns als unfähig erweisen, unsere abstrakten Ideale des Guten in konkrete Handlungsprogramme zu übersetzen.

    Doch. Wenn die Philosophie seit 2000 Jahren da nicht weiterkommt, obwohl sie nicht nur von dem Dümmsten betrieben wird, dann drängt sich die Frage auf, ob nicht die Antworten, sondern die Frage falsch ist.

    Was ist denn gut und richtig?

    Kann etwas richtig und gut sein, wenn es sich konkret nicht umsetzen lässt? Was soll das überhaupt sein, gutes und richtiges Leben? Soll ich die Wirtschaft ankurbeln, auf dass mit den Steuergeldern Forschung und Technik gefördert werden können, die hier neue Nahrungs- und Energiequellen erschließt und dort Umweltgifte filtert und neutralisiert, oder soll ich ein Leben in Bescheidenheit und Kontemplation üben, so dass diese Technik gar nicht benötigt wird?

    Unser Selbstbild muss ja enorm verzerrt sein, wenn wir immer wieder Programme ersinnen, die wir nicht umsetzen können.

    VIelleicht sollte man mal umgekehrt denken und von Programmen ausgehen, die erfolgreich umgesetzt wurden und analysieren, wieso das gelungen ist. Was waren die Motive, was waren die Techniken?

    Ich denke man muss da mehr denken wie ein Judoka, der den Schwung des Angreifers mit Geschick dazu nutzt, diesen auf den Rücken zu werfen.

    Womit natürlich noch nicht geklärt wäre, wer überhaupt auf den Rücken gelegt gehört und wer davon vordringlich.

    Ich würde ja denken, von den mittelfristigen Problemen, die wir haben, ist der Klimawandel das größte. Aber offenbar sieht eine Mehrheit der US-Amerikaner das entweder nicht so, oder glaubt, dass auch Frau Clinton da keinen Unterschied gemacht hätte. Wieviele Deutsche oder Deutschsprachige nicht an einen menschengemachten Klimawandel glauben weiß ich nicht, aber offenbar besteht eine fundamentale Unfähigkeit schon darin, dieses Wissen zu vermitteln.

    Dass die Ethik hier einen Beitrag liefern könnte halte ich für ein HIrngespinst, das zufällig von den Leuten gepflegt wird, die mit Ethik ihr Geld verdienen wollen. Zufällig sehen Techniker die Lösung der Probleme eher in – Überraschung! – Technik. Fragen wir besser nicht, worin der Theologe die Lösung sieht, sondern gehen wir gleich zum Psychologen, zum Schnapsbrenner, zum Politiker, zum Medienschaffenden … ein gewisses Muster fällt auf.

    Man kann natürlich behaupten die Kausalität wäre umgekehrt: Gerade weil der Politiker, Medienschaffende, Techniker in seinem Metier die Lösung sieht hat er dieses Fach gewählt. Womöglich liegt man nicht falsch, wenn man das alles als sich selbst verstärkende Resonanzräume begreift. Man geht mit positiven Erwartungen in so ein Fach rein, und dann nimmt man vor allem Reize auf, die diese Vorurteile verstärken, umgibt sich mit einer Filterbubble und erkennt mit der Zeit immer besser, dass die Leute außerhalb der Bubble es einfach nicht begreifen.

  6. #6 Robert
    21. November 2016

    user unknown,
    Ethik…….Hirngespinst,
    da unterschätzen sie aber die Menschen. Ich z.B. kaufe kein Kalbfleisch , kein Lammfleisch mehr, weil Tierkinder nicht geschlachtet gehören. Das rasche Anwachsen von Vegetariern und Veganer beweist, dass der Verzehr von Tieren als “bedenklich” angesehen wird.
    Viele Leute würden Elektroautos kaufen, wenn es die nötigen Elektroladestationen gäbe. Die Menschen sind da schon viel weiter als die Politik, die sich immer noch um die Frage streitet, wer die Veränderungen bezahlt.

    Die Flüchlingspolitik von Angela Merkel zeigt ein hohes Maß von moralischer Verantwortung.
    Das können Sie doch nicht übersehen.

  7. #7 Joseph Kuhn
    21. November 2016

    @ Robert:

    “weil Tierkinder nicht geschlachtet gehören”

    Aha. Und alten Tieren gegenüber bringen Sie nicht so viel Mitgefühl auf? Ob animalisch-kulinarische Altersdiskriminierung ethisch vertretbar ist? 😉

  8. #8 Robert
    22. November 2016

    Dr. Webbär,
    abstrakte Ideale in konkrete Handlungsprogramme umsetzen,
    das machen wir jeden Tag, jede Stunde.
    Lichtausschalten , weil das Energieverschwendung ist
    einen tropfenden Wasserhahn sofort reparieren
    nicht den Motor im Stand laufen lassen
    Bio Produkte kaufen
    freundlich sein zu den Mitmenschen, gute Laune steckt an
    hier im blog mitmachen, damit andere auch davon provitieren
    Wir sind besser, als gedacht.

  9. #9 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2015/12/15/fluechtlinge-zu-gefluechteten-sprachlog/
    22. November 2016

    Ich z.B. kaufe kein Kalbfleisch , kein Lammfleisch mehr, weil Tierkinder nicht geschlachtet gehören. Das rasche Anwachsen von Vegetariern und Veganer beweist, dass der Verzehr von Tieren als “bedenklich” angesehen wird

    Was haben jetzt speziell Tierkinder mit dem Klimawandel zu tun?

    Viele Leute würden Elektroautos kaufen, wenn es die nötigen Elektroladestationen gäbe.

    Und wenn mehr Leute Elektroautos kaufen würden, dann gäbe es mehr Elektroladestationen.

    Die Menschen sind da schon viel weiter als die Politik, die sich immer noch um die Frage streitet, wer die Veränderungen bezahlt.

    In einer Demokratie ein irgendwie lächerliches Argument.

    Die Flüchlingspolitik von Angela Merkel zeigt ein hohes Maß von moralischer Verantwortung.
    Das können Sie doch nicht übersehen.

    Doch, das kann ich. Merkel hat die Flüchtlinge gestoppt, die werden jetzt in der Türkei bei Freund Erdogan, dem antidemokratischen Islamisten geparkt. Um der AfD, der politischen Konkurrenz, das Wasser abzugraben – so wie sie in der AKW-Wende den Grünen das Wasser abgegraben hat.

    Muster: Machterhalt. Wo steckt da die Moral?

  10. #10 Philipp P. Thapa
    22. November 2016

    @ Joseph Kuhn
    Danke für den Willkommensgruß!

    @ user unknown
    Ja, vermutlich sind wichtige Fragen in der Ethik nicht so gut gestellt, wie sie es sein könnten (wobei im nächsten Schritt zu klären wäre, was “gut” hier bedeutet). Ich verweise in diesem Zusammenhang gerne auf einen Buchtitel des Pragmatisten Anthony Weston: *Toward better questions*. Und es dürfte kausal recht unstrittig sein, daß Fachleute unterschiedlicher Disziplinen sich oftmals bestimmten Themen zuwenden, weil mit dieser Art von Expertise Geld und Stellung zu gewinnen sind. Inhaltlich können wir auf Ihre Frage “Was soll das überhaupt sein, gutes und richtiges Leben?” aber von EthikerInnen als Gruppe sicher bessere Antworten bzw. Anschlußfragen erwarten als von TechnikerInnen als Gruppe. Die Frage, wie wir unsere Zukunft gestalten wollen, ist primär eine ethische Frage, und erst aus unseren Antworten darauf ergibt sich, welche technischen Mittel wir brauchen, begrüßen oder ablehnen.

  11. #11 Robert
    22. November 2016

    Kuhn,
    ….Tierkinder
    Ich finde es als kleineres Übel, dass alte Tiere getötet werden. Einen Prinzipienstreit werde ich damit nicht führen.

    user unknown,
    …Elektroautos,
    wer jetzt der Bremser ist oder nicht, Fakt ist, dass die Innenstadt von Stuttgart unter dem Dieselqualm zu leiden hat.
    ……Flüchtlingspolitik
    ich nehme Frau Merkel ab, dass sie aus moralischen Gründen die Flüchtlinge aufgenommen hat.
    Sie hat aber auch erkannt, dass sie auf Dauer nicht gegen ihre Partei regieren kann.
    Dass eine Regierungschefin auf Machterhalt aus ist, ist legitim.

  12. #12 Robert
    22. November 2016

    Thapa,

    ……wie wir unsere Zukunft gestalten wollen,
    das klingt sehr optimistisch. Als ob wir das könnten wie wir wollten.
    Die Weltwirtschaft ist mittlerweile so komplex und wir sind gegenseitig so voneinander abhängig, dass wir eher pragmatisch denken müssen. (mit der Ethik im Hinterkopf).

  13. #13 Joseph Kuhn
    23. November 2016

    @ Robert:

    “Einen Prinzipienstreit werde ich damit nicht führen.”

    Schade. Dabei hätte man hier einmal ein “Tiermodell” für die Ethik:

    “Ich finde es als kleineres Übel, dass alte Tiere getötet werden.”

    Das ist ja eine zutiefst moralische Wertung. Es geht um ein “Übel”, also etwas Schlechtes, und darum, dass man das alten Tieren eher zumuten dürfe. Dabei haben die doch viel mehr zu verlieren, die ganze Erinnerung an die schönen Stunden auf der Weide, mit dem freundlichen Bauern und all den anderen Tieren (oder die Erinnerung an die überstandenen fürchterlichen Monate in der Massertierhaltung …).

    Die Sache könnte man übrigens auch weniger witzig aufziehen: In der Prävention im humanmedizinischen Bereich gibt es nämlich auch häufig eine spontane Höherwertung der Jüngeren, z.B. wenn nach “verlorenen Lebensjahren” priorisiert wird. Aber das nur nebenbei, ich will nach dem tierischen Vorlauf dazu jetzt hier auch keinen Prinzipienstreit führen.

  14. #14 Robert
    23. November 2016

    Kuhn,
    ……Tiermodell in der Ethik.
    Bis vor kurzem waren Tiere ja nur Sachen. Zwar kulturell eingeschränkt, weil ja Hunde zu essen, Katzen, Schwäne tabuisiert ist.
    Bei dem Unterschied zwischen jungen und alten Tieren haben Sie eher das Modell vom Rettungsboot vor sich, wo man sich entscheiden muss, ob man die Oma oder die Enkelin rettet.
    Die Natur liefert verschiedene Lösungen.
    Die Henne , die ihre Küken mit ihrem Körper vor dem Verbrennen schützt, wie die Raubtiere, die lieber ihre Artgenossen fressen als selbst zu sterben.
    Die Natur ist “utilitaristisch”.
    Der Mensch eigentlich auch, er nennt seine Entscheidung dann ethisch .
    Nur die Religion ist nicht utilitaristisch.
    Da wird notfalls das eigene Opfer gefordert.

  15. #15 Robert
    24. November 2016

    Hallo Herr Kuhn,
    einen Streit werden wir in der Vorweihnachtszeit nicht führen, dafür ein paar Gedanken austauschen.

    Wenn wir Tiere ethisch betrachten, dann tun wir so, als wären es unsere Artgenossen.
    Und wir betrachten sie sogar als Teil unserer Kultur. Ich bemühe in diesem Zusammenhang sogar die Soziologie.
    Utilitarismus ist ein geigneter Begriff, weil es hier um das Gesamtwohl geht, genau wie in der Natur. Die Natur ist ja ein Kreislauf, wo jeder von jedem abhängt.
    Und der Kern des Utilitarismus ist die Nützlichkeit, was allen nützt ist richtig.
    Die Evolution hat ein fein abgestimmtes System von Nützlichkeiten hervorgebracht, dass sowohl einer einzelnen Gattung von Nutzen ist, als auch dem Nahrungskreislauf insgesamt.
    Das einzelne Tier wird bedenkenlos dem Nahrungskreislauf geopfert.

    Die Religion nimmt stattdessen den Einzelmenschen in den Focus. Mit seinem Leid und seinen Schmerzen. Ihm wird Linderung versprochen bis hin zur Erlösung von allem irdischen Leid.
    Deswegen ist Religion nicht utilitaristisch.