Ich habe gerade einen Beitrag über die Vorteile der frühzeitigen antiretroviralen Therapie in Lebensgemeinschaften mit einem infizierten Partner geschrieben. Es konnte gezeigt werden, daß dieser therapeutische Ansatz die Weitergabe des HI-Virus innerhalb der Partnerschaft um fast 96% verringerte, also ein grossartiges Ergebnis.
Jetzt ist eine weitere Fachpublikation veröffentlicht worden, die eine ganz andere Facette der HIV-assoziierten Pathologie beleuchtet. Den Verlust an naiven T-Zellen, also Immunzellen, die noch auf kein Antigen/Immunogen spezialisiert sind. Diese Zellen sind für die Neuetablierung einer Immunantwort gegen einen potentiellen Krankheitserreger wichtig und werden während dem akuten Verlauf der Infektion zerstört. Durch die Vervielfältigung des Virus werden die CD4-positiven Wirtszellen zerstört oder von zytotoxischen T-Zellen der Immunantwort durch Apoptoseinduktion getötet.
Das HIV beim Verlassen der Wirtszelle (Wikipedia)
Doch selbst nach dem Beginn der antiretroviralen Therapie kann die Rekonstitution, also die Erholung dieser Zellpopulation, problematisch sein. Dies läßt den Patienten im Zustand einer relativen immunologischen Wehrlosigkeit zurück, da ihm das Reservoir an frischen T-Zellen fehlt um neue Immunantworten zu generieren. Dieser Vorgang und die zugrundeliegenden Mechanismen konnten nun durch Wissenschaftler um Ashley T. Haase an der University of Minnesota aufgeklärt werden (1). Es kommt im akuten Stadium der HIV-Infektion zu einer chronischen Immunaktivierung, die die Beschädigung des lymphatischen Gewebes mit sich bringt. Dabei wird eine Fibrose des retikulären Bindegewebes verursacht, es werden Collagenfasern abgelagert welche die Struktur des Gewebes verändern und zu Funktionsstörungen führen. Dabei werden auch die sogenannten fibroblastischen Retikulumzellen in Mitleidenschaft gezogen, die eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung von Überlebenssignalen (Interleukin-7-Sekretion) besitzen. Ohne diese Signale werden naive T-Zellen in die Apoptose getrieben und gehen verloren. Ein frühzeitiger Behandlungsstart mit HAART konnte diesen zerstörerischen Prozess verhindern, da es zu einer Eingrenzung der immunvermittelten Entzündung und der damit einhergehenden Fibrose kam. Und dies bewirkte, daß sich die Populationen naiver T-Zellen sehr viel besser Erholen konnten, als es bei Patienten mit fortgeschrittener Fibrose der lymphatischen Gewebe der Fall war. Es konnte ein quanttitativer Zusammenhang zwischen der Schwere der Fibrose und der Einschränkung der Rekonstitution der T-Zellpopulation gezeigt werden.
Eine grossartige Arbeit und ein weiterer Grund möglichst früh mit der antiretroviralen Therapie zu beginnen, um dem infizierten Patienten ein möglichst normales Leben zu ermöglichen.
(1) Ming Zeng et al. Lymphoid Tissue Damage in HIV-1 Infection Depletes Naive T Cells and Limits T Cell Reconstitution after Antiretroviral Therapy. 2012 Jan PLOS PATHOGENS. doi:10.1371/journal.ppat.1002437
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