Da ich nun seit einigen Tagen meine neue Assistentenstelle am Institut
für Virologie der TU München angetreten habe hier mein Virologieblogpost:
Eigentlich wollte ich schon letzten Sommer einen Artikel über die Studie des HIV Prevention Trials Networks(HPTN) schreiben. Meines Erachtens ist die Bedeutung dieser Ergebnisse in der Berichterstattung zu kurz gekommen. Das Ergebnis belegt: Bei kontinuierlicher Behandlung HIV-Infizierter mit antiretroviraler Kombinationstherapie, wird eine Transmission des Virus fast vollständig verhindert. Das bedeutet, dass man die HIV-Pandemie mit den momentan verfügbaren Mitteln massiv eindämmen oder gar stoppen könnte.
HIV (grün) beim Verlassen der Wirtszelle (Wikipedia)
Die Studie des amerikanischen Institutes für Allergie und Infektionsforschung (NIAID) hat ergeben, dass eine frühzeitige Anwendung antiretroviraler Medikamente die Ansteckung mit dem HI-Virus in 96% der Fälle verhindern kann. Das ist eine Sensation auf dem Gebiet, auch wenn es nicht wirklich neu ist. Die Hypothese wurde schon seit einiger Zeit diskutiert und große Kohortenstudien hatten diesen Effekt nahe gelegt. Die im August 2011 durch Cohen und HPTN im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie (1) zeigte diesen Effekt allerdings zum ersten Mal zweifelsfrei.
Im Feld der HIV Forschung dreht sich viel um die Entwicklung eines Impfstoffes. Es wird massiv an therapeutischen und auch präventiven Vakzinen geforscht. Ein solcher könnte dann in bereits infizierten oder gesunden Patienten den Fortgang der Krankheit bis zur Entwicklung der AIDS Symptome oder die Ansteckung an sich verhindern. Die hohe genetische Variabilität des Virus und die diversen Immunausweichstrategien (dazu bald ein eigenständiger Artikel) hat die meisten Versuche bisher eher schlecht aussehen lassen. Die im letzten Jahr in Thailand erprobte Variante zeigte einen bescheidenen ca. 30%igen Präventivimpfschutz (2).
Was es bereits seit Mitte der 90er Jahre gibt sind die sogenannten cART (combined AntiRetroviral Treatment, früher: HAART, Highly Active AntiRetroviral Treatment) Therapien, ein Cocktail aus antiretroviralen Medikamenten, die einen Ausbruch der AIDS-Symptome um Jahre bis Jahrzehnte verzögern können und den infizierten Patienten ein relativ normales Leben ermöglichen. Relativ, da die Medikamente teils massive Nebenwirkungen verursachen und zu Gesundheitsrisiken führen können. Ausserdem müssen sie in komplizierten Schemata über den Tag verteilt eingenommen werden und stellen keine tatsächliche Heilung dar.
Die aktuelle WHO-Richtlinie für den Einsatz und den Beginn der cART besteht seit 2003 und definiert verschiedene Kombinationen aus Beginn und Schwere der AIDS-Symptome in Kombination mit einer Ermittlung der CD4 T-Zellzahl (Begriffserklärung CD4 positive T Zellen, siehe unten).
In der HPTN 052 Studie (ClinicalTrials.gov number, NCT00074581) wurden 1763 diskordante Paare, also mit einem HIV-infizierten Partner, aus neun Ländern untersucht. Dabei kam 54% der Probanden aus afrikanischen Ländern, und die Hälfte der infizierten Partner war männlich. Alle infizierten Studienteilnehmer hatten CD4 T-Zellzahlen zwischen 350 und 550 pro Kubikmillimeter. Dieser Wert liegt oberhalb der cART- Behandlungsindikationen der WHO (von unter 350 in Kombination mit AIDS-Symptomen oder unter 200 ohne Symptome (3)). Diese Patienten wurden randomisiert und in zwei Gruppen unterteilt, von welchen eine mit einer frühzeitigen cART Behandlung begann. Allen Teilnehmern wurden bei übunterschreiten der WHO-Behandlungsindikationsgrenzen cART-Medikamente verabreicht. Die Gruppen wurden in regelmäßigen Abständen beobachtet und diagnostische Untersuchungen angestellt.
Die Hauptfrage dieser Studie war: Würde eine frühzeitige cART-Behandlung das Infektionsrisiko des gesunden Partner verringern? Und da lieferte die Studie ein eindeutiges JA. Von insgesamt 39 Neuinfektionen stimmten 28 genetisch mit dem HI-Virus des infizierten Partners überein. Von diesen 28 Neuinfektionen kam nur eine in der Gruppe der behandelten Patienten vor. Dieses Ergebnis belegt, dass die Verringerung der Viruslast, die mit der frühzeitigen cART-Behandlung einhergeht, auch das infektionsrisiko des gesunden Partners drastisch verringert.
Ein weiteres nennenswertes Ergebnis zeigte, dass der frühere Behandlungsbeginn auch die schwere der auftretenden Symptome verringerte und somit auch für den infizierten Partner vorteilhaft ist.
Die bestehenden cART-Behandlungsoptionen sind in keiner Weise perfekt, und sie sollten auch nicht den Endpunkt in der Behandlung oder der Erforschung der HIV-Pandemie darstellen, doch mit diesen Ergebnissen liegt das weitere Vorgehen meines Erachtens auf der Hand.
(1) Cohen MS, Chen YQ, McCauley M et al. Prevention of HIV-1 infection with early antiretroviral therapy. N Engl J Med. 2011 Aug 11;365(6):493-505. Epub 2011 Jul 18.
Cohen MS, Chen YQ, McCauley M, Gamble T, Hosseinipour MC, Kumarasamy N, Hakim JG, Kumwenda J, Grinsztejn B, Pilotto JH, Godbole SV, Mehendale S, Chariyalertsak S, Santos BR, Mayer KH, Hoffman IF, Eshleman SH, Piwowar-Manning E, Wang L, Makhema J, Mills LA, de Bruyn G, Sanne I, Eron J, Gallant J, Havlir D, Swindells S, Ribaudo H, Elharrar V, Burns D, Taha TE, Nielsen-Saines K, Celentano D, Essex M, Fleming TR, & HPTN 052 Study Team (2011). Prevention of HIV-1 infection with early antiretroviral therapy. The New England journal of medicine, 365 (6), 493-505 PMID: 21767103
(2) Pitisuttithum P, Rerks-Ngarm S, Bussaratid V, Dhitavat J, Maekanantawat W, Pungpak S, Suntharasamai P, Vanijanonta S, Nitayapan S, Kaewkungwal J, Benenson M, Morgan P, O’Connell RJ, Berenberg J, Gurunathan S, Francis DP, Paris R, Chiu J, Stablein D, Michael NL, Excler JL, Robb ML, & Kim JH (2011). Safety and Reactogenicity of Canarypox ALVAC-HIV (vCP1521) and HIV-1 gp120 AIDSVAX B/E Vaccination in an Efficacy Trial in Thailand. PloS one, 6 (12) PMID: 22205930
(3) WHO. Scaling up antiretroviral therapy in resource-limited settings: Treatment guidelines for a public health approach. PDF-Download
(Angeregt durch Sciencemag.org)
CD4 positive T-Zellen sind eine Subpopulation von Immunabwehrzellen und sie sind die Zielzellen des HIV. Diese Population umfasst die T Helferzellen (Th1, Th2 und Th17), die den CD8 positiven Killerzellen notwendigerweise „helfen” aber auch regulatorische T Zellen (Tregs), die wichtige Kontrollmechanismen bei ausufernden Immunantworten übernehmen). Durch die Vervielfältigung der HI-Viren unter Zerstörung ihrer Wirtszellen beim Ausbruch der AIDS Erkrankung kollabiert deren Population. Dies führt
zur Immunschwäche des Patienten dessen Immunsystem ohne die CD4 T-Zellen nicht mehr operativ ist. Damit stellt die Konzentration dieser Zellen im Blut einen wichtigen diagnostischen Wert dar.
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