Seit den 1950er Jahren geht die Gemeinde der Fortpflanzungs- und Fertilitätsforscher davon aus, dass Frauen mit dem vollständigen Repertoire aller Eizellen geboren werden, die später zu Follikeln reifen und nach dem Eisprung zur Befruchtung bereitstehen können. Dies scheint nicht der Wahrheit zu entsprechen.
Als im Jahr 2004 Eizellvorläuferzellen in erwachsenen Mäusen entdeckt wurden, kam es ersteinmal zu Anfeindungen der Forscher, durch die Alteingesessenen, die es nicht wollten, dass jemand einfach an ihrem Paradigma rüttelt und es unter Umständen über den Haufen wirft. Doch die Hinweise erhärteten sich, und es konnte gezeigt werden, dass diese Vorläuferzellen, genetisch mit einem Farbstoff markiert und in Mäuse verpflanzt werden konnten. Da der Eizellvorrat der entsprechenden Mäuse zuvor chemotherapeutisch zerstört worden war, konnte gezeigt werden, dass die transplantierten Zellen den Mäusen zu neuen reifenden und springenden Eizellen verhalfen, aus welchen sich gesunder Nachwuchs bilden konnte.
Das Argument der Paradigmenverteidiger war natürlich, dass es sich hierbei noch um keinen Beweis handele, dass derselbe Vorgang auch im Menschen stattfindet. Und dies zu untersuchen gestaltet sich natürlich um ein vielfaches komplizierter, da vergleichbare Experimente am menschen undenkbar sind.
Doch die Forscher liessen sich nicht entmutigen und kamen letztendlich mit einer beeindruckenden Lösung daher. Für ihr am 11. Januar in Nature Medicine veröffentlichtes, bahnbrechendes Paper verwendeten sie Vollresektate von Ovarien, also komplette Eierstöcke die Frauen im gebärfähigen Alter entfernt wurden. Diese Frauen unterzogen sich einer operativen Geschlechtsanpassung aufgrund einer Geschlechtsidentitätsstörung. Mit diesen sehr seltenen biologischen Mustern gelang es den Wissenschaftlern meineserachtens den Beweis zu erbringen, dass die Vorläuferzellen auch in den Eierstöcken geschlechtsreifer Frauen ihre Aufgabe erfüllen und neue reife Eizellen bilden können.
Um dies zu zeigen wurde eine hochtechnologische Isolationmethode verwendet, die durchflusszytometrische Zellsortierung, bei welcher Zellen durch spezifische Antikörperbindung identifiziert und lebend abgetrennt werden können. Durch diese Auftrennung lassen sich die Zellen einer sehr kleinen Population aus der Gesamtmischung extrahieren und später weiter kultivieren. Für die Sortierung wurde das Protein DDX4 verwendet, welches abhängig vom Entwicklungsstadium der Vorläuferzelle, auf deren Oberfläche vorkommt, und dort zur Markierung verwendet werden kann. DDX4 ist ein typischer Keimzellmarker und kommt vor allem während der Embryogenese vor.
Dabei zeigte sich, dass die DDX4-positiven Vorläuferzellen sich höchst vergleichbar zu den entsprechenden Vorläuferzellen in den vorangegangenen Mausversuchen verhielten. Sie zeigten typische Genexpressionsprofile, Wachstumseigenschaften und mitotische sowie meiotische Aktivität. Ausserdem kam es auch in den humanen Zellen zur Ausbildung von EIzellen nach Verpflanzung ins konservierte Eierstockgewebe. Alle diese Punkte zusammen legen den Schluss nahe, dass es sich auch bei den menschlichen Zellen um echte Oozytenvorläuferzellen handelt, deren Aufgabe die Neubildung reifer Eizellen ist.
Was dies für die Fertilitätstherapie bedeutet bleibt sicher noch abzuwarten, doch eine mögliche Isolation mit anschliessender Lagerung in flüssigem Stickstoff zur Retransplantation in späteren Zeiten, sollte zumindest technisch, kein allzu grosses Problem darstellen. Dies wäre beispielsweise vor einer Tumortherapie durch Chemotherapeutika oder Bestrahlung eine Alternative zur heute gängigen Cryopreservation von Eierstockbiopsien.
Oocyte formation by mitotically active germ cells purified from ovaries of reproductive-age women. YA R White, DC Woods, Y Takai, et al. Nature Medicine (2012); doi:10.1038/nm.2669
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