Eine neue Methode in der Nierentransplantation erlaubt es den Empfängern ohne immunsuppressive Medikamente zu leben.
Ich habe ja die letzten Jahre im Feld der Lebertransplantation gearbeitet und während dieser Zeit habe ich mich mit der Untersuchung der Immuntoleranz beschäftigt (mehr hier).
Immuntoleranz bedeutet, dass der Organempfänger die normalen Abstoßungsreaktionen des Körpers gegen das verpflanzte Organ überkommt und ohne die Einnahme von immunsuppressiven Medikamenten lebt. Das ist relevant, da diese Medikamente, von ihrem enormen Nutzen nach der Transplantation abgesehen, massive Nebenwirkungen besitzen. So kommt es zu Bluthochdruck, Diabetes, Herzkrankheit, Infektionen und Krebs. Aus diesem Grund ist die Etablierung einer Methode, die die Toleranz auslösen kann, der Heilige Gral der Transplantationsforschung.
In den Leberempfängern meiner Studien war es möglich die Immunsuppression über einen Zeitraum von 6-9 Monaten zu minimieren und dann komplett abzusetzen. Dies war in ca. 20% der Patienten erfolgreich, und in den Übrigen wurde die Immunsuppression wiedereingesetzt. Dies bleibt ohne Konsequenzen für den Patienten. Doch die ist Einzigartig in Leberempfängern und lässt sich höchstwahrscheinlich auf die Tatsache zurückführen, dass die Leber ständig mit „fremden” Materialien aus der Verdauung umzugehen hat, gegen welche die Initiierung einer Immunantwort katastrophal wäre. Auf diesen tolerogenen Eigenschaften der Leber, basiert wahrscheinlich auch die Toleranz, die nach der Transplantation einer Leber, erzielt werden kann. Bei anderen Organen wie Herz, Lunge oder Nieren, ist das nicht so. Es gibt zwar Berichte über tolerante Nierenempfänger, doch dies ist extrem selten, und der Versuch eine Minimierung und ein Absetzen der Immunsuppression zu unternehmen, resultiert höchstwahrscheinlich im Verlust des verpflanzten Organs.
In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass es bei der Transplantation von Blutstammzellen zu einem sogenannten Chimerismus kommen kann. Es sind also nach der Verpflanzung Blutzellen sowohl vom Empfänger, als auch vom Spender nachweisbar. Und in einer in Science Translational Medicine publizierten Arbeit konnten Tranplantationsforscher um Suzanne Ildstad vom Institute of Cellular Therapeutics der Universität von Louisville zeigen, dass man mit einer solchen Behandlung in Nierenempfängern, Immuntoleranz erzeugen kann.
Normalerweise kommt es bei Nierentransplantationen zu einem sogenannten „Matching” von Empfänger und Spender und nur im Fall einer guten Übereinstimmung bestimmter Merkmale beider Personen kann ein Organ verpflanzt werden. Ist dies nicht der Fall besteht ein hohes Risiko, dass das Organ nach dem Eingriff abgestoßen wird. Werden bei solchen „ungematchten” Paare aber die Empfänger konditioniert, so konnte ca. 12 Monate nach dem Eingriff, die Immunsuppression in der Mehrheit der Nierenempfänger abgesetzt werden. Und auf die Konditionierung kommt es an. Dafür wurden den potentiellen Nierenspendern Blutstammzellen entnommen und ein bestimmter Typ von Zellen, die sogenannten „facilitating cells (FC)” vervielfältigt. Der Empfänger wurde einige Wochen vor der Transplantation mit Bestrahlung und Chemotherapie so behandelt, dass die Stammzellpopulationen im Knochenmark verringert wurden, um Platz für die später eingesetzten Spenderstammzellen zu liefern. Dann kam es zur Nierentransplantation und am Folgetag wurden die Spenderblutstammzellen zusammen mit den FC verpflanzt. Dies führte zu einer Chimerisierung der Empfänger, sie besaßen also fortan neben ihren eigenen Blutzellen auch solche vom Spender ihrer neuen Niere. Diese Prozedur wurde an acht Patienten durchgeführt, von welchen in fünf am Ende der 12-monatigen Studie, die Immunsuppression komplett abgesetzt werden konnte.
Dies ist ein enormer Erfolg im Bereich der Transplantationsforschung, der theoretisch auf andere Organe ausgeweitet werden kann. Alle Behandlungsschritte wurden gut toleriert und auch die Zwischenfälle in den übrigen drei Patienten waren nicht kausativ auf die Behandlung zurückzuführen.
J. Leventhal, et al. Chimerism and Tolerance Without GVHD or Engraftment Syndrome in HLA-Mismatched Combined Kidney and Hematopoietic Stem Cell Transplantation. Sci Transl Med (2012). DOI: 10.1126/scitranslmed.3003509
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